Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Sonne.
Entladungen bewirkt? Wie man immer diese Erscheinungen zu
erklären versucht, so sollte man doch die etwas zu krasse Vor-
stellung eines eigentlichen ponderablen Futters zu vermeiden
suchen, da wir selbst auf der Erde viele Feuer ohne diese Nahrung
kennen. Unser Küchenfeuer mag immerhin ausgehen, wenn nicht
immer frisches Holz zugelegt wird. Auf eine ähnliche Art läßt
Newton der Sonne durch die in sie stürzenden Kometen von Zeit
zu Zeit neue Nahrung zuführen. Allein wie viele Mittel mag
die Natur besitzen, Licht und Wärme auch ohne solche äußere
Hülfe zu entwickeln und selbst sehr lange zu erhalten. Es ist
bekannt, daß die Electricität, wenn sie eine sehr verdünnte Luft
durchzieht, Licht, also wohl auch Wärme gibt. Warum sollte
nicht ein solcher electrischer Strom auch die Sonne umgeben?
Warum sollte unser Nordlicht nicht vielleicht etwas Aehnliches
für unsere Erde seyn können?

§. 29. (Abnahme des Sonnendurchmessers.) Wer bürgt uns
übrigens dafür, daß die Größe der Sonne durch ihr immer-
währendes Ausscheiden der Lichtmaterie in der That in steter Ab-
nahme begriffen ist? Wir haben diese Abnahme noch nicht beobachtet,
allein wie lange ist es denn, daß wir den Durchmesser der Sonne
so genau kennen? -- Seit der Erfindung der Fernröhre, oder
eigentlich, seit der Anbringung der Mikrometer an diese Fernröhre,
d. h. seit dem Jahre 1640, von welcher Epoche sich unsere bessern
Beobachtungen datiren. Ja selbst jetzt noch kennen wir diesen
Durchmesser der Sonne nicht bis auf eine Secunde, d. h. wir
sind in dem wahren Werthe desselben wenigstens noch auf 100
deutsche Meilen ungewiß. Wenn daher der wahre Durchmesser
seit den letzten zwei Jahrhunderten auch um 2,280,000 Fuß ab-
genommen hätte, so würden wir jetzt den scheinbaren Durch-
messer nur um eine Secunde, d. h. um eine Größe kleiner sehen,
über die unsere besten Beobachter noch ganz in Zweifel sind. Ja
wenn der wahre Durchmesser der Sonne selbst täglich um einen
Fuß kleiner würde, so würde dieß in dem scheinbaren Durchmesser
erst nach 12,000 Jahren eine Verminderung von zwei Secunden
erzeugen. Demungeachtet kann man nicht läugnen, daß diese
Abnahme, so klein sie auch an sich selbst seyn mag, in der Folge
von vielen Jahrtausenden endlich beträchtlich werden muß, selbst

Die Sonne.
Entladungen bewirkt? Wie man immer dieſe Erſcheinungen zu
erklären verſucht, ſo ſollte man doch die etwas zu kraſſe Vor-
ſtellung eines eigentlichen ponderablen Futters zu vermeiden
ſuchen, da wir ſelbſt auf der Erde viele Feuer ohne dieſe Nahrung
kennen. Unſer Küchenfeuer mag immerhin ausgehen, wenn nicht
immer friſches Holz zugelegt wird. Auf eine ähnliche Art läßt
Newton der Sonne durch die in ſie ſtürzenden Kometen von Zeit
zu Zeit neue Nahrung zuführen. Allein wie viele Mittel mag
die Natur beſitzen, Licht und Wärme auch ohne ſolche äußere
Hülfe zu entwickeln und ſelbſt ſehr lange zu erhalten. Es iſt
bekannt, daß die Electricität, wenn ſie eine ſehr verdünnte Luft
durchzieht, Licht, alſo wohl auch Wärme gibt. Warum ſollte
nicht ein ſolcher electriſcher Strom auch die Sonne umgeben?
Warum ſollte unſer Nordlicht nicht vielleicht etwas Aehnliches
für unſere Erde ſeyn können?

§. 29. (Abnahme des Sonnendurchmeſſers.) Wer bürgt uns
übrigens dafür, daß die Größe der Sonne durch ihr immer-
währendes Ausſcheiden der Lichtmaterie in der That in ſteter Ab-
nahme begriffen iſt? Wir haben dieſe Abnahme noch nicht beobachtet,
allein wie lange iſt es denn, daß wir den Durchmeſſer der Sonne
ſo genau kennen? — Seit der Erfindung der Fernröhre, oder
eigentlich, ſeit der Anbringung der Mikrometer an dieſe Fernröhre,
d. h. ſeit dem Jahre 1640, von welcher Epoche ſich unſere beſſern
Beobachtungen datiren. Ja ſelbſt jetzt noch kennen wir dieſen
Durchmeſſer der Sonne nicht bis auf eine Secunde, d. h. wir
ſind in dem wahren Werthe deſſelben wenigſtens noch auf 100
deutſche Meilen ungewiß. Wenn daher der wahre Durchmeſſer
ſeit den letzten zwei Jahrhunderten auch um 2,280,000 Fuß ab-
genommen hätte, ſo würden wir jetzt den ſcheinbaren Durch-
meſſer nur um eine Secunde, d. h. um eine Größe kleiner ſehen,
über die unſere beſten Beobachter noch ganz in Zweifel ſind. Ja
wenn der wahre Durchmeſſer der Sonne ſelbſt täglich um einen
Fuß kleiner würde, ſo würde dieß in dem ſcheinbaren Durchmeſſer
erſt nach 12,000 Jahren eine Verminderung von zwei Secunden
erzeugen. Demungeachtet kann man nicht läugnen, daß dieſe
Abnahme, ſo klein ſie auch an ſich ſelbſt ſeyn mag, in der Folge
von vielen Jahrtauſenden endlich beträchtlich werden muß, ſelbſt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0048" n="38"/><fw place="top" type="header">Die Sonne.</fw><lb/>
Entladungen bewirkt? Wie man immer die&#x017F;e Er&#x017F;cheinungen zu<lb/>
erklären ver&#x017F;ucht, &#x017F;o &#x017F;ollte man doch die etwas zu kra&#x017F;&#x017F;e Vor-<lb/>
&#x017F;tellung eines eigentlichen ponderablen <hi rendition="#g">Futters</hi> zu vermeiden<lb/>
&#x017F;uchen, da wir &#x017F;elb&#x017F;t auf der Erde viele Feuer ohne die&#x017F;e Nahrung<lb/>
kennen. Un&#x017F;er Küchenfeuer mag immerhin ausgehen, wenn nicht<lb/>
immer fri&#x017F;ches Holz zugelegt wird. Auf eine ähnliche Art läßt<lb/>
Newton der Sonne durch die in &#x017F;ie &#x017F;türzenden Kometen von Zeit<lb/>
zu Zeit neue Nahrung zuführen. Allein wie viele Mittel mag<lb/>
die Natur be&#x017F;itzen, Licht und Wärme auch ohne &#x017F;olche äußere<lb/>
Hülfe zu entwickeln und &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ehr lange zu erhalten. Es i&#x017F;t<lb/>
bekannt, daß die Electricität, wenn &#x017F;ie eine &#x017F;ehr verdünnte Luft<lb/>
durchzieht, Licht, al&#x017F;o wohl auch Wärme gibt. Warum &#x017F;ollte<lb/>
nicht ein &#x017F;olcher electri&#x017F;cher Strom auch die Sonne umgeben?<lb/>
Warum &#x017F;ollte un&#x017F;er Nordlicht nicht vielleicht etwas Aehnliches<lb/>
für un&#x017F;ere Erde &#x017F;eyn können?</p><lb/>
              <p>§. 29. (Abnahme des Sonnendurchme&#x017F;&#x017F;ers.) Wer bürgt uns<lb/>
übrigens dafür, daß die Größe der Sonne durch ihr immer-<lb/>
währendes Aus&#x017F;cheiden der Lichtmaterie in der That in &#x017F;teter Ab-<lb/>
nahme begriffen i&#x017F;t? Wir haben die&#x017F;e Abnahme noch nicht beobachtet,<lb/>
allein wie lange i&#x017F;t es denn, daß wir den Durchme&#x017F;&#x017F;er der Sonne<lb/>
&#x017F;o genau kennen? &#x2014; Seit der Erfindung der Fernröhre, oder<lb/>
eigentlich, &#x017F;eit der Anbringung der Mikrometer an die&#x017F;e Fernröhre,<lb/>
d. h. &#x017F;eit dem Jahre 1640, von welcher Epoche &#x017F;ich un&#x017F;ere be&#x017F;&#x017F;ern<lb/>
Beobachtungen datiren. Ja &#x017F;elb&#x017F;t jetzt noch kennen wir die&#x017F;en<lb/>
Durchme&#x017F;&#x017F;er der Sonne nicht bis auf eine Secunde, d. h. wir<lb/>
&#x017F;ind in dem wahren Werthe de&#x017F;&#x017F;elben wenig&#x017F;tens noch auf 100<lb/>
deut&#x017F;che Meilen ungewiß. Wenn daher der <hi rendition="#g">wahre</hi> Durchme&#x017F;&#x017F;er<lb/>
&#x017F;eit den letzten zwei Jahrhunderten auch um 2,280,000 Fuß ab-<lb/>
genommen hätte, &#x017F;o würden wir jetzt den <hi rendition="#g">&#x017F;cheinbaren</hi> Durch-<lb/>
me&#x017F;&#x017F;er nur um eine Secunde, d. h. um eine Größe kleiner &#x017F;ehen,<lb/>
über die un&#x017F;ere be&#x017F;ten Beobachter noch ganz in Zweifel &#x017F;ind. Ja<lb/>
wenn der wahre Durchme&#x017F;&#x017F;er der Sonne &#x017F;elb&#x017F;t täglich um einen<lb/>
Fuß kleiner würde, &#x017F;o würde dieß in dem &#x017F;cheinbaren <choice><sic>Dnrchme&#x017F;&#x017F;er</sic><corr>Durchme&#x017F;&#x017F;er</corr></choice><lb/>
er&#x017F;t nach 12,000 Jahren eine Verminderung von zwei Secunden<lb/>
erzeugen. Demungeachtet kann man nicht läugnen, daß die&#x017F;e<lb/>
Abnahme, &#x017F;o klein &#x017F;ie auch an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;eyn mag, in der Folge<lb/>
von vielen Jahrtau&#x017F;enden endlich beträchtlich werden muß, &#x017F;elb&#x017F;t<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[38/0048] Die Sonne. Entladungen bewirkt? Wie man immer dieſe Erſcheinungen zu erklären verſucht, ſo ſollte man doch die etwas zu kraſſe Vor- ſtellung eines eigentlichen ponderablen Futters zu vermeiden ſuchen, da wir ſelbſt auf der Erde viele Feuer ohne dieſe Nahrung kennen. Unſer Küchenfeuer mag immerhin ausgehen, wenn nicht immer friſches Holz zugelegt wird. Auf eine ähnliche Art läßt Newton der Sonne durch die in ſie ſtürzenden Kometen von Zeit zu Zeit neue Nahrung zuführen. Allein wie viele Mittel mag die Natur beſitzen, Licht und Wärme auch ohne ſolche äußere Hülfe zu entwickeln und ſelbſt ſehr lange zu erhalten. Es iſt bekannt, daß die Electricität, wenn ſie eine ſehr verdünnte Luft durchzieht, Licht, alſo wohl auch Wärme gibt. Warum ſollte nicht ein ſolcher electriſcher Strom auch die Sonne umgeben? Warum ſollte unſer Nordlicht nicht vielleicht etwas Aehnliches für unſere Erde ſeyn können? §. 29. (Abnahme des Sonnendurchmeſſers.) Wer bürgt uns übrigens dafür, daß die Größe der Sonne durch ihr immer- währendes Ausſcheiden der Lichtmaterie in der That in ſteter Ab- nahme begriffen iſt? Wir haben dieſe Abnahme noch nicht beobachtet, allein wie lange iſt es denn, daß wir den Durchmeſſer der Sonne ſo genau kennen? — Seit der Erfindung der Fernröhre, oder eigentlich, ſeit der Anbringung der Mikrometer an dieſe Fernröhre, d. h. ſeit dem Jahre 1640, von welcher Epoche ſich unſere beſſern Beobachtungen datiren. Ja ſelbſt jetzt noch kennen wir dieſen Durchmeſſer der Sonne nicht bis auf eine Secunde, d. h. wir ſind in dem wahren Werthe deſſelben wenigſtens noch auf 100 deutſche Meilen ungewiß. Wenn daher der wahre Durchmeſſer ſeit den letzten zwei Jahrhunderten auch um 2,280,000 Fuß ab- genommen hätte, ſo würden wir jetzt den ſcheinbaren Durch- meſſer nur um eine Secunde, d. h. um eine Größe kleiner ſehen, über die unſere beſten Beobachter noch ganz in Zweifel ſind. Ja wenn der wahre Durchmeſſer der Sonne ſelbſt täglich um einen Fuß kleiner würde, ſo würde dieß in dem ſcheinbaren Durchmeſſer erſt nach 12,000 Jahren eine Verminderung von zwei Secunden erzeugen. Demungeachtet kann man nicht läugnen, daß dieſe Abnahme, ſo klein ſie auch an ſich ſelbſt ſeyn mag, in der Folge von vielen Jahrtauſenden endlich beträchtlich werden muß, ſelbſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/48
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/48>, abgerufen am 19.04.2024.