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Löwenfeld, Leopold: Student und Alkohol. München, 1910.

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keine Rede. Es kann niemand behaupten, daß die berufliche Tätigkeit des Studenten, das Studium, besonderen Durst oder überhaupt einen Körperzustand hervorruft, der das Biertrinken nötig macht, oder daß letzteres die geistige Leistungsfähigkeit erhöht und damit das Studieren erleichtert. Man weiß zur Genüge, daß das Gegenteil der Fall ist. Die Assoziation von Studentsein und Biertrinken läßt sich auch nicht auf die Ansicht zurückführen, daß der Student als junger Mann Anspruch auf einen gewissen Lebensgenuß hat und ein solcher ohne Bierkonsum nicht möglich ist. Die Studenten in anderen Ländern, so insbesonders in England und Amerika, sind dem Lebensgenusse gewiß ebensowenig abhold wie die deutschen Studenten und halten hiefür das Biertrinken nicht für erforderlich. Soweit meine Kenntnis reicht, verzichtet auch die allerdings noch nicht sehr erhebliche Anzahl deutscher Studierender, die der Alkoholabstinenz huldigen, keineswegs auf die der Jugend gebührenden Freuden.

Wenn wir zu einer Erklärung der fraglichen Assoziation gelangen wollen, erübrigt uns daher nur, unseren Blick in die Vergangenheit zu wenden, d. h. wir müssen uns etwas mit der Geschichte des Studententums in Deutschland befassen und zusehen, wie sich die noch gegenwärtig in der Studentenwelt herrschenden Trinksitten und die damit zusammenhängenden Anschauungen entwickelt haben. Da ergibt sich nun folgendes:

Die Studenten wurden im Mittelalter, namentlich in den ersten Zeiten nach Gründung der deutschen Universitäten in strenger, fast klösterlicher Zucht gehalten. Unternehmungslustige Magister mieteten mit Erlaubnis der Universitätsbehörden Privathäuser, richteten sie entsprechend ein und warben dafür Scholaren als Mieter, denen sie Wohnung und Verköstigung boten. Alsbald wurde den Scholaren das Wohnen in den Bursen -- so wurden die erwähnten Anstalten bezeichnet -- sogar durch Universitätsstatut befohlen, und nur ausnahmsweise das Wohnen außerhalb einer Burse gestattet. In den Bursen wurde die Einhaltung einer strengen Hausordnung verlangt; die Studenten mußten sehr früh aufstehen, durften ohne Erlaubnis nicht ausgehen und die Nacht nicht außerhalb der Burse zubringen. Der Wirtshausbesuch war verboten. Die Verpflegung war eine sehr einfache; es wurde auch Bier gereicht, doch kaum in Mengen um Exzesse zu gestatten. Auch die Tracht war genau vorgeschrieben; dieselbe ähnelte der der Kleriker, und durch eine Reihe von Erlassen suchte man immer wieder diese Vorschriften einzuschärfen.

Trotz alledem mangelte es schon im Mittelalter nicht an Klagen über das Verhalten der Studenten, wobei auch Trinkexzesse eine Rolle

keine Rede. Es kann niemand behaupten, daß die berufliche Tätigkeit des Studenten, das Studium, besonderen Durst oder überhaupt einen Körperzustand hervorruft, der das Biertrinken nötig macht, oder daß letzteres die geistige Leistungsfähigkeit erhöht und damit das Studieren erleichtert. Man weiß zur Genüge, daß das Gegenteil der Fall ist. Die Assoziation von Studentsein und Biertrinken läßt sich auch nicht auf die Ansicht zurückführen, daß der Student als junger Mann Anspruch auf einen gewissen Lebensgenuß hat und ein solcher ohne Bierkonsum nicht möglich ist. Die Studenten in anderen Ländern, so insbesonders in England und Amerika, sind dem Lebensgenusse gewiß ebensowenig abhold wie die deutschen Studenten und halten hiefür das Biertrinken nicht für erforderlich. Soweit meine Kenntnis reicht, verzichtet auch die allerdings noch nicht sehr erhebliche Anzahl deutscher Studierender, die der Alkoholabstinenz huldigen, keineswegs auf die der Jugend gebührenden Freuden.

Wenn wir zu einer Erklärung der fraglichen Assoziation gelangen wollen, erübrigt uns daher nur, unseren Blick in die Vergangenheit zu wenden, d. h. wir müssen uns etwas mit der Geschichte des Studententums in Deutschland befassen und zusehen, wie sich die noch gegenwärtig in der Studentenwelt herrschenden Trinksitten und die damit zusammenhängenden Anschauungen entwickelt haben. Da ergibt sich nun folgendes:

Die Studenten wurden im Mittelalter, namentlich in den ersten Zeiten nach Gründung der deutschen Universitäten in strenger, fast klösterlicher Zucht gehalten. Unternehmungslustige Magister mieteten mit Erlaubnis der Universitätsbehörden Privathäuser, richteten sie entsprechend ein und warben dafür Scholaren als Mieter, denen sie Wohnung und Verköstigung boten. Alsbald wurde den Scholaren das Wohnen in den Bursen — so wurden die erwähnten Anstalten bezeichnet — sogar durch Universitätsstatut befohlen, und nur ausnahmsweise das Wohnen außerhalb einer Burse gestattet. In den Bursen wurde die Einhaltung einer strengen Hausordnung verlangt; die Studenten mußten sehr früh aufstehen, durften ohne Erlaubnis nicht ausgehen und die Nacht nicht außerhalb der Burse zubringen. Der Wirtshausbesuch war verboten. Die Verpflegung war eine sehr einfache; es wurde auch Bier gereicht, doch kaum in Mengen um Exzesse zu gestatten. Auch die Tracht war genau vorgeschrieben; dieselbe ähnelte der der Kleriker, und durch eine Reihe von Erlassen suchte man immer wieder diese Vorschriften einzuschärfen.

Trotz alledem mangelte es schon im Mittelalter nicht an Klagen über das Verhalten der Studenten, wobei auch Trinkexzesse eine Rolle

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        <p>Wenn wir zu einer Erklärung der fraglichen Assoziation gelangen wollen, erübrigt uns daher nur, unseren Blick in die Vergangenheit zu wenden, d. h. wir müssen uns etwas mit der Geschichte des Studententums in Deutschland befassen und zusehen, wie sich die noch gegenwärtig in der Studentenwelt herrschenden Trinksitten und die damit zusammenhängenden Anschauungen entwickelt haben. Da ergibt sich nun folgendes:</p>
        <p>Die Studenten wurden im Mittelalter, namentlich in den ersten Zeiten nach Gründung der deutschen Universitäten in strenger, fast klösterlicher Zucht gehalten. Unternehmungslustige Magister mieteten mit Erlaubnis der Universitätsbehörden Privathäuser, richteten sie entsprechend ein und warben dafür Scholaren als Mieter, denen sie Wohnung und Verköstigung boten. Alsbald wurde den Scholaren das Wohnen in den Bursen &#x2014; so wurden die erwähnten Anstalten bezeichnet &#x2014; sogar durch Universitätsstatut befohlen, und nur ausnahmsweise das Wohnen außerhalb einer Burse gestattet. In den Bursen wurde die Einhaltung einer strengen Hausordnung verlangt; die Studenten mußten sehr früh aufstehen, durften ohne Erlaubnis nicht ausgehen und die Nacht nicht außerhalb der Burse zubringen. Der Wirtshausbesuch war verboten. Die Verpflegung war eine sehr einfache; es wurde auch Bier gereicht, doch kaum in Mengen um Exzesse zu gestatten. Auch die Tracht war genau vorgeschrieben; dieselbe ähnelte der der Kleriker, und durch eine Reihe von Erlassen suchte man immer wieder diese Vorschriften einzuschärfen.</p>
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[4/0006] keine Rede. Es kann niemand behaupten, daß die berufliche Tätigkeit des Studenten, das Studium, besonderen Durst oder überhaupt einen Körperzustand hervorruft, der das Biertrinken nötig macht, oder daß letzteres die geistige Leistungsfähigkeit erhöht und damit das Studieren erleichtert. Man weiß zur Genüge, daß das Gegenteil der Fall ist. Die Assoziation von Studentsein und Biertrinken läßt sich auch nicht auf die Ansicht zurückführen, daß der Student als junger Mann Anspruch auf einen gewissen Lebensgenuß hat und ein solcher ohne Bierkonsum nicht möglich ist. Die Studenten in anderen Ländern, so insbesonders in England und Amerika, sind dem Lebensgenusse gewiß ebensowenig abhold wie die deutschen Studenten und halten hiefür das Biertrinken nicht für erforderlich. Soweit meine Kenntnis reicht, verzichtet auch die allerdings noch nicht sehr erhebliche Anzahl deutscher Studierender, die der Alkoholabstinenz huldigen, keineswegs auf die der Jugend gebührenden Freuden. Wenn wir zu einer Erklärung der fraglichen Assoziation gelangen wollen, erübrigt uns daher nur, unseren Blick in die Vergangenheit zu wenden, d. h. wir müssen uns etwas mit der Geschichte des Studententums in Deutschland befassen und zusehen, wie sich die noch gegenwärtig in der Studentenwelt herrschenden Trinksitten und die damit zusammenhängenden Anschauungen entwickelt haben. Da ergibt sich nun folgendes: Die Studenten wurden im Mittelalter, namentlich in den ersten Zeiten nach Gründung der deutschen Universitäten in strenger, fast klösterlicher Zucht gehalten. Unternehmungslustige Magister mieteten mit Erlaubnis der Universitätsbehörden Privathäuser, richteten sie entsprechend ein und warben dafür Scholaren als Mieter, denen sie Wohnung und Verköstigung boten. Alsbald wurde den Scholaren das Wohnen in den Bursen — so wurden die erwähnten Anstalten bezeichnet — sogar durch Universitätsstatut befohlen, und nur ausnahmsweise das Wohnen außerhalb einer Burse gestattet. In den Bursen wurde die Einhaltung einer strengen Hausordnung verlangt; die Studenten mußten sehr früh aufstehen, durften ohne Erlaubnis nicht ausgehen und die Nacht nicht außerhalb der Burse zubringen. Der Wirtshausbesuch war verboten. Die Verpflegung war eine sehr einfache; es wurde auch Bier gereicht, doch kaum in Mengen um Exzesse zu gestatten. Auch die Tracht war genau vorgeschrieben; dieselbe ähnelte der der Kleriker, und durch eine Reihe von Erlassen suchte man immer wieder diese Vorschriften einzuschärfen. Trotz alledem mangelte es schon im Mittelalter nicht an Klagen über das Verhalten der Studenten, wobei auch Trinkexzesse eine Rolle

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Zitationshilfe: Löwenfeld, Leopold: Student und Alkohol. München, 1910, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/loewenfeld_student_1910/6>, abgerufen am 29.03.2024.