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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Ehren-Getichte.
Jtzt wär' Horatz von Rom auf beyden Augen blind/
Die Flamme kühner Hand die sich so frey vergriffen
Und freyer noch gestrafft verrauchet in den Wind/
Duil umbsonst so oft Er Essen ging bepfiffen/
Roms Schutz-Stab Scipio verfaulet und zubrochen/
Wenn nicht ein Livius für Sie das Wort gesprochen.
Doch weil der Eitelkeit ein enges Ziel gestekkt/
Weil Bücher auch vergehn und Ehren-Säulen wanken/
Sigs-Zeichen fallen umb/ und Grauß den Marmol dekkt/
Weil Schriften sich verlir'n aus Augen und Gedanken/
Muß Sie ein kluger Geist zu Zeiten wider regen
Und auf die alte Müntz ein neues Bildnüß pregen.
Eh Guttenberg die Kunst zu schreiben ohne Kil/
Zu reden für das Aug' und Wörter abzumahlen
Jn Teutschland aufgebracht/ als nur ein Rohr vom Nil/
Als Leinwand oder Wachs/ als Blätter oder Schalen/
Als eines Thieres Haut allein gedint zu Schriften/
Werkonte da der Welt ein lang Gedächtnüß stifften?
Wie sind Polybius und Dio mangelhafft!
Was hat uns nicht die Zeit vom Tacitus genommen/
Vom Curtius geraubt/ vom Crispus weggerafft?
Was ist vom Ammianin unsre Hände kommen?
Viel andre haben zwar von andern viel geschrieben/
Jhr Nahmen aber selbst ist uns kaum übrig blieben.
So
Ehren-Getichte.
Jtzt waͤr’ Horatz von Rom auf beyden Augen blind/
Die Flamme kuͤhner Hand die ſich ſo frey vergriffen
Und freyer noch geſtrafft verrauchet in den Wind/
Duil umbſonſt ſo oft Er Eſſen ging bepfiffen/
Roms Schutz-Stab Scipio verfaulet und zubrochen/
Wenn nicht ein Livius fuͤr Sie das Wort geſprochen.
Doch weil der Eitelkeit ein enges Ziel geſtekkt/
Weil Buͤcher auch vergehn und Ehren-Saͤulen wanken/
Sigs-Zeichen fallen umb/ und Grauß den Marmol dekkt/
Weil Schriften ſich verlir’n aus Augen und Gedanken/
Muß Sie ein kluger Geiſt zu Zeiten wider regen
Und auf die alte Muͤntz ein neues Bildnuͤß pregen.
Eh Guttenberg die Kunſt zu ſchreiben ohne Kil/
Zu reden fuͤr das Aug’ und Woͤrter abzumahlen
Jn Teutſchland aufgebracht/ als nur ein Rohr vom Nil/
Als Leinwand oder Wachs/ als Blaͤtter oder Schalen/
Als eines Thieres Haut allein gedint zu Schriften/
Werkonte da der Welt ein lang Gedaͤchtnuͤß ſtifften?
Wie ſind Polybius und Dio mangelhafft!
Was hat uns nicht die Zeit vom Tacitus genommen/
Vom Curtius geraubt/ vom Criſpus weggerafft?
Was iſt vom Ammianin unſre Haͤnde kommen?
Viel andre haben zwar von andern viel geſchrieben/
Jhr Nahmen aber ſelbſt iſt uns kaum uͤbrig blieben.
So
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[0035] Ehren-Getichte. Jtzt waͤr’ Horatz von Rom auf beyden Augen blind/ Die Flamme kuͤhner Hand die ſich ſo frey vergriffen Und freyer noch geſtrafft verrauchet in den Wind/ Duil umbſonſt ſo oft Er Eſſen ging bepfiffen/ Roms Schutz-Stab Scipio verfaulet und zubrochen/ Wenn nicht ein Livius fuͤr Sie das Wort geſprochen. Doch weil der Eitelkeit ein enges Ziel geſtekkt/ Weil Buͤcher auch vergehn und Ehren-Saͤulen wanken/ Sigs-Zeichen fallen umb/ und Grauß den Marmol dekkt/ Weil Schriften ſich verlir’n aus Augen und Gedanken/ Muß Sie ein kluger Geiſt zu Zeiten wider regen Und auf die alte Muͤntz ein neues Bildnuͤß pregen. Eh Guttenberg die Kunſt zu ſchreiben ohne Kil/ Zu reden fuͤr das Aug’ und Woͤrter abzumahlen Jn Teutſchland aufgebracht/ als nur ein Rohr vom Nil/ Als Leinwand oder Wachs/ als Blaͤtter oder Schalen/ Als eines Thieres Haut allein gedint zu Schriften/ Werkonte da der Welt ein lang Gedaͤchtnuͤß ſtifften? Wie ſind Polybius und Dio mangelhafft! Was hat uns nicht die Zeit vom Tacitus genommen/ Vom Curtius geraubt/ vom Criſpus weggerafft? Was iſt vom Ammianin unſre Haͤnde kommen? Viel andre haben zwar von andern viel geſchrieben/ Jhr Nahmen aber ſelbſt iſt uns kaum uͤbrig blieben. So

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/35>, abgerufen am 28.03.2024.