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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

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Einleitung.
in nichts anderm, als einer eigenthümlichen Bewegung der wägbaren
Masse besteht, die von dem Lichtäther auf diese übergegangen ist. --
b) Die gebundene Wärme; eine grössere Reihe von spezifischen
Zuständen der Masse, wie namentlich der flüssige und gasförmige
Aggregatzustand, die metallischen Eigenschaften, zahlreiche atomisti-
sche Verbindungen u. s. w. entstehen nur unter der Beihilfe der
Wärme, und zwar in der Art, dass wenn ein Stoff aus irgend welchem
andern (dem festen, dem oxydirten u. s. w.) in einen der bezeichne-
ten (den flüssigen, den metallischen u. s. w.) Zustände übergeführt
werden soll, jedesmal eine ganz bestimmte Menge von freier Wärme
zum Verschwinden gebracht wird. Diese Stoffe entwickeln nun, wenn
sie aus dem letzten Zustande wieder in den erstern zurückgeführt
werden, abermals die Wärmemenge, welche sie beim Eintritt in den-
selben zum Verschwinden gebracht hatten. Da diese Stoffe demnach
je nach Umständen Wärme entwickeln und vernichten, so huldigte
man der Vorstellung, es mögte diese Wärme als ein besonderer Stoff
im gebundenen Zustande in ihnen vorhanden sein. Seit man nun aber
den scharfen Beweis dafür geführt hat, dass die freie Wärme weder
im geleiteten noch im strahlenden Zustande einem besonderen Stoffe
ihren Ursprung verdankt, ist jene Annahme verwerflich. Zur Erläuter-
ung der, unter dem Namen der latenten Wärme, zusammengestellten
Thatsachen bleiben demgemäss nur zwei Vorstellungen übrig; nach
der einen wird die Bewegung, welche wir Wärme nennen, benutzt,
um verwandtschaftliche Kräfte, welche gewisse Atome zusammen-
binden zu überwinden; die durch diese Widerstände vernichtete Be-
wegung würde aber wieder zum Vorschein kommen, wenn jene ge-
trennten Stoffe von Neuem ihren verwandtschaftlichen Strebungen
Folge geben, so dass der Akt der Verbindung jener Atome mit be-
sonderer Bewegung verknüpft wäre. -- Nach der andern Vorstel-
lung wird die gebundene Wärme als eine zwischen oder inner-
halb der Atome befindliche Bewegung aufgefasst. Diese Bewegung
würde den Stoffen durch die zum Verschwinden gebrachte Wärme
mitgetheilt; aus dieser Bewegung träten die Stoffe wieder in die Ruhe
ein, wenn sie ihre latente Wärme durch einen Eingang in eine neue
Verbindung abgäben. Ob diese oder jene Annahme die richtige, oder
gar ausschliesslich die richtige sei, ist noch nicht entschieden worden.
-- Gleichgiltig aber wie diese Alternative entschieden werden mag,
so viel steht fest, dass die wärmeentwickelnden Umsetzungen immer
nur in Folge von wärmevernichtenden stattfinden können und dass nie-
mals bei der ersten Umsetzung mehr Wärme entwickelt wird, als bei
der zweiten verloren gegangen war.

Der thierische Körper setzt sich nun vorzugsweise aus wärme-
tragenden Stoffen zusammen, und die Umsetzungen, welche diese
Stoffe erleiden (meist Oxydationen), sind wärmeentwickelnde. -- Die

Einleitung.
in nichts anderm, als einer eigenthümlichen Bewegung der wägbaren
Masse besteht, die von dem Lichtäther auf diese übergegangen ist. —
β) Die gebundene Wärme; eine grössere Reihe von spezifischen
Zuständen der Masse, wie namentlich der flüssige und gasförmige
Aggregatzustand, die metallischen Eigenschaften, zahlreiche atomisti-
sche Verbindungen u. s. w. entstehen nur unter der Beihilfe der
Wärme, und zwar in der Art, dass wenn ein Stoff aus irgend welchem
andern (dem festen, dem oxydirten u. s. w.) in einen der bezeichne-
ten (den flüssigen, den metallischen u. s. w.) Zustände übergeführt
werden soll, jedesmal eine ganz bestimmte Menge von freier Wärme
zum Verschwinden gebracht wird. Diese Stoffe entwickeln nun, wenn
sie aus dem letzten Zustande wieder in den erstern zurückgeführt
werden, abermals die Wärmemenge, welche sie beim Eintritt in den-
selben zum Verschwinden gebracht hatten. Da diese Stoffe demnach
je nach Umständen Wärme entwickeln und vernichten, so huldigte
man der Vorstellung, es mögte diese Wärme als ein besonderer Stoff
im gebundenen Zustande in ihnen vorhanden sein. Seit man nun aber
den scharfen Beweis dafür geführt hat, dass die freie Wärme weder
im geleiteten noch im strahlenden Zustande einem besonderen Stoffe
ihren Ursprung verdankt, ist jene Annahme verwerflich. Zur Erläuter-
ung der, unter dem Namen der latenten Wärme, zusammengestellten
Thatsachen bleiben demgemäss nur zwei Vorstellungen übrig; nach
der einen wird die Bewegung, welche wir Wärme nennen, benutzt,
um verwandtschaftliche Kräfte, welche gewisse Atome zusammen-
binden zu überwinden; die durch diese Widerstände vernichtete Be-
wegung würde aber wieder zum Vorschein kommen, wenn jene ge-
trennten Stoffe von Neuem ihren verwandtschaftlichen Strebungen
Folge geben, so dass der Akt der Verbindung jener Atome mit be-
sonderer Bewegung verknüpft wäre. — Nach der andern Vorstel-
lung wird die gebundene Wärme als eine zwischen oder inner-
halb der Atome befindliche Bewegung aufgefasst. Diese Bewegung
würde den Stoffen durch die zum Verschwinden gebrachte Wärme
mitgetheilt; aus dieser Bewegung träten die Stoffe wieder in die Ruhe
ein, wenn sie ihre latente Wärme durch einen Eingang in eine neue
Verbindung abgäben. Ob diese oder jene Annahme die richtige, oder
gar ausschliesslich die richtige sei, ist noch nicht entschieden worden.
— Gleichgiltig aber wie diese Alternative entschieden werden mag,
so viel steht fest, dass die wärmeentwickelnden Umsetzungen immer
nur in Folge von wärmevernichtenden stattfinden können und dass nie-
mals bei der ersten Umsetzung mehr Wärme entwickelt wird, als bei
der zweiten verloren gegangen war.

Der thierische Körper setzt sich nun vorzugsweise aus wärme-
tragenden Stoffen zusammen, und die Umsetzungen, welche diese
Stoffe erleiden (meist Oxydationen), sind wärmeentwickelnde. — Die

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[6/0020] Einleitung. in nichts anderm, als einer eigenthümlichen Bewegung der wägbaren Masse besteht, die von dem Lichtäther auf diese übergegangen ist. — β) Die gebundene Wärme; eine grössere Reihe von spezifischen Zuständen der Masse, wie namentlich der flüssige und gasförmige Aggregatzustand, die metallischen Eigenschaften, zahlreiche atomisti- sche Verbindungen u. s. w. entstehen nur unter der Beihilfe der Wärme, und zwar in der Art, dass wenn ein Stoff aus irgend welchem andern (dem festen, dem oxydirten u. s. w.) in einen der bezeichne- ten (den flüssigen, den metallischen u. s. w.) Zustände übergeführt werden soll, jedesmal eine ganz bestimmte Menge von freier Wärme zum Verschwinden gebracht wird. Diese Stoffe entwickeln nun, wenn sie aus dem letzten Zustande wieder in den erstern zurückgeführt werden, abermals die Wärmemenge, welche sie beim Eintritt in den- selben zum Verschwinden gebracht hatten. Da diese Stoffe demnach je nach Umständen Wärme entwickeln und vernichten, so huldigte man der Vorstellung, es mögte diese Wärme als ein besonderer Stoff im gebundenen Zustande in ihnen vorhanden sein. Seit man nun aber den scharfen Beweis dafür geführt hat, dass die freie Wärme weder im geleiteten noch im strahlenden Zustande einem besonderen Stoffe ihren Ursprung verdankt, ist jene Annahme verwerflich. Zur Erläuter- ung der, unter dem Namen der latenten Wärme, zusammengestellten Thatsachen bleiben demgemäss nur zwei Vorstellungen übrig; nach der einen wird die Bewegung, welche wir Wärme nennen, benutzt, um verwandtschaftliche Kräfte, welche gewisse Atome zusammen- binden zu überwinden; die durch diese Widerstände vernichtete Be- wegung würde aber wieder zum Vorschein kommen, wenn jene ge- trennten Stoffe von Neuem ihren verwandtschaftlichen Strebungen Folge geben, so dass der Akt der Verbindung jener Atome mit be- sonderer Bewegung verknüpft wäre. — Nach der andern Vorstel- lung wird die gebundene Wärme als eine zwischen oder inner- halb der Atome befindliche Bewegung aufgefasst. Diese Bewegung würde den Stoffen durch die zum Verschwinden gebrachte Wärme mitgetheilt; aus dieser Bewegung träten die Stoffe wieder in die Ruhe ein, wenn sie ihre latente Wärme durch einen Eingang in eine neue Verbindung abgäben. Ob diese oder jene Annahme die richtige, oder gar ausschliesslich die richtige sei, ist noch nicht entschieden worden. — Gleichgiltig aber wie diese Alternative entschieden werden mag, so viel steht fest, dass die wärmeentwickelnden Umsetzungen immer nur in Folge von wärmevernichtenden stattfinden können und dass nie- mals bei der ersten Umsetzung mehr Wärme entwickelt wird, als bei der zweiten verloren gegangen war. Der thierische Körper setzt sich nun vorzugsweise aus wärme- tragenden Stoffen zusammen, und die Umsetzungen, welche diese Stoffe erleiden (meist Oxydationen), sind wärmeentwickelnde. — Die

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/20>, abgerufen am 28.03.2024.