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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

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Einleitung.
kann verschiedentlich aufgefasst werden. Der strenge Contactelectriker
erklärt sich den Hergang folgendermassen: Bei der Berührung
[Abbildung] Fig. 1.
zweier electromotorischer Stoffe
wird erfahrungsgemäss ein Theil
der innerhalb derselben neutral
vorhandenen Electricitäten zerlegt;
diese Zerlegung geht an der Be-
rührungsstelle der Electromotoren
vor sich; von diesem Ort, der sog.
electromotorischen Scheidewand,
strömen nun die freien Electrizi-
täten über die leitenden Electro-
motoren in der Art, dass der eine
derselben mit positiver, der andere
mit negativer Electrizität überzo-
gen ist; von diesen Electromotoren
dringen die Electrizitäten in die
Flüssigkeit und durch diese hin-
durch sich durchkreuzend zu den
gegenüberstehenden freien Enden
der Electricitätsvertheiler (A, B), wo sie sich gegenseitig neutralisiren,
um dann von Neuem an der electromotorischen Scheidungsstelle zer-
legt zu werden. Die Bedeutung, welche der Contactelectriker der
Flüssigkeit zuschreibt, ruht demnach darin, dass sie leitet, ohne zu-
gleich an der Berührungsstelle mit den Electromotoren die Electrizität
in derselben Ordnung zu zerlegen, in der sie bei S zerfällt wurde.
Denn verhielte sich in der That die Flüssigkeit negativ gegen B und
positiv gegen A,*) so würden an den flüssigen Berührungsstellen die
eintretenden + und -- Electrizitäten zurückgeworfen werden, verhält
sich dagegen die Flüssigkeit indifferent oder positiv gegen B und
negativ gegen A, so wird der Strom möglich, indem nun von der Flüs-
sigkeitsgrenze aus A mit positiver und B mit negativer Electrizität
überzogen wird. Obwohl diese Hypothese nicht allein die Mög-
lichkeit der Entstehung einer Strömung vollkommen erläutert, sondern
sich auch den Thatsachen anschliesst, so ist sie dennoch verwerflich.
Denn einmal vernachlässigt sie vollkommen die Erscheinung, dass nur
dann eine Strömung beobachtet wird, wenn innerhalb des flüssigen
Leiters eine chemische Zersetzung statt hat, und noch mehr, sie
fusst auf dem Prinzip des ewigen Umlaufs, indem sie nicht angibt, wo-
her die ausserordentlichen bewegenden Kräfte genommen werden,
welche dem Strome der Electrizitäten eigen sind, resp. die Strömung der
Electrizitäten veranlassen. -- Die Erwägung dass diese, dem electrischen

*) das heisst überzögen sich in Folge der Berührung B mit positiver und die Flüssigkeit mit
negativer Electrizität u. s. w.

Einleitung.
kann verschiedentlich aufgefasst werden. Der strenge Contactelectriker
erklärt sich den Hergang folgendermassen: Bei der Berührung
[Abbildung] Fig. 1.
zweier electromotorischer Stoffe
wird erfahrungsgemäss ein Theil
der innerhalb derselben neutral
vorhandenen Electricitäten zerlegt;
diese Zerlegung geht an der Be-
rührungsstelle der Electromotoren
vor sich; von diesem Ort, der sog.
electromotorischen Scheidewand,
strömen nun die freien Electrizi-
täten über die leitenden Electro-
motoren in der Art, dass der eine
derselben mit positiver, der andere
mit negativer Electrizität überzo-
gen ist; von diesen Electromotoren
dringen die Electrizitäten in die
Flüssigkeit und durch diese hin-
durch sich durchkreuzend zu den
gegenüberstehenden freien Enden
der Electricitätsvertheiler (A, B), wo sie sich gegenseitig neutralisiren,
um dann von Neuem an der electromotorischen Scheidungsstelle zer-
legt zu werden. Die Bedeutung, welche der Contactelectriker der
Flüssigkeit zuschreibt, ruht demnach darin, dass sie leitet, ohne zu-
gleich an der Berührungsstelle mit den Electromotoren die Electrizität
in derselben Ordnung zu zerlegen, in der sie bei S zerfällt wurde.
Denn verhielte sich in der That die Flüssigkeit negativ gegen B und
positiv gegen A,*) so würden an den flüssigen Berührungsstellen die
eintretenden + und — Electrizitäten zurückgeworfen werden, verhält
sich dagegen die Flüssigkeit indifferent oder positiv gegen B und
negativ gegen A, so wird der Strom möglich, indem nun von der Flüs-
sigkeitsgrenze aus A mit positiver und B mit negativer Electrizität
überzogen wird. Obwohl diese Hypothese nicht allein die Mög-
lichkeit der Entstehung einer Strömung vollkommen erläutert, sondern
sich auch den Thatsachen anschliesst, so ist sie dennoch verwerflich.
Denn einmal vernachlässigt sie vollkommen die Erscheinung, dass nur
dann eine Strömung beobachtet wird, wenn innerhalb des flüssigen
Leiters eine chemische Zersetzung statt hat, und noch mehr, sie
fusst auf dem Prinzip des ewigen Umlaufs, indem sie nicht angibt, wo-
her die ausserordentlichen bewegenden Kräfte genommen werden,
welche dem Strome der Electrizitäten eigen sind, resp. die Strömung der
Electrizitäten veranlassen. — Die Erwägung dass diese, dem electrischen

*) das heisst überzögen sich in Folge der Berührung B mit positiver und die Flüssigkeit mit
negativer Electrizität u. s. w.
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[8/0022] Einleitung. kann verschiedentlich aufgefasst werden. Der strenge Contactelectriker erklärt sich den Hergang folgendermassen: Bei der Berührung [Abbildung Fig. 1.] zweier electromotorischer Stoffe wird erfahrungsgemäss ein Theil der innerhalb derselben neutral vorhandenen Electricitäten zerlegt; diese Zerlegung geht an der Be- rührungsstelle der Electromotoren vor sich; von diesem Ort, der sog. electromotorischen Scheidewand, strömen nun die freien Electrizi- täten über die leitenden Electro- motoren in der Art, dass der eine derselben mit positiver, der andere mit negativer Electrizität überzo- gen ist; von diesen Electromotoren dringen die Electrizitäten in die Flüssigkeit und durch diese hin- durch sich durchkreuzend zu den gegenüberstehenden freien Enden der Electricitätsvertheiler (A, B), wo sie sich gegenseitig neutralisiren, um dann von Neuem an der electromotorischen Scheidungsstelle zer- legt zu werden. Die Bedeutung, welche der Contactelectriker der Flüssigkeit zuschreibt, ruht demnach darin, dass sie leitet, ohne zu- gleich an der Berührungsstelle mit den Electromotoren die Electrizität in derselben Ordnung zu zerlegen, in der sie bei S zerfällt wurde. Denn verhielte sich in der That die Flüssigkeit negativ gegen B und positiv gegen A, *) so würden an den flüssigen Berührungsstellen die eintretenden + und — Electrizitäten zurückgeworfen werden, verhält sich dagegen die Flüssigkeit indifferent oder positiv gegen B und negativ gegen A, so wird der Strom möglich, indem nun von der Flüs- sigkeitsgrenze aus A mit positiver und B mit negativer Electrizität überzogen wird. Obwohl diese Hypothese nicht allein die Mög- lichkeit der Entstehung einer Strömung vollkommen erläutert, sondern sich auch den Thatsachen anschliesst, so ist sie dennoch verwerflich. Denn einmal vernachlässigt sie vollkommen die Erscheinung, dass nur dann eine Strömung beobachtet wird, wenn innerhalb des flüssigen Leiters eine chemische Zersetzung statt hat, und noch mehr, sie fusst auf dem Prinzip des ewigen Umlaufs, indem sie nicht angibt, wo- her die ausserordentlichen bewegenden Kräfte genommen werden, welche dem Strome der Electrizitäten eigen sind, resp. die Strömung der Electrizitäten veranlassen. — Die Erwägung dass diese, dem electrischen *) das heisst überzögen sich in Folge der Berührung B mit positiver und die Flüssigkeit mit negativer Electrizität u. s. w.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/22>, abgerufen am 18.04.2024.