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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Elastisches Gewebe.

Ueber den periodischen Haarwechsel der Thiere und insbesondere über das ana-
tomische Verhalten der Warze und der aus ihren Flüssigkeiten herrührenden Zellen
hat Steinlin *) sehr genaue Beobachtungen mitgetheilt. Siehe hierüber auch Köl-
liker
und Langer.

Die Bewegungen des Haars (das Haarsträuben) bestehen, wie es die
Anlegung des Balgmuskels erwarten lässt, in einem Aufrichten des schief-
gelegten Haares.

Elastisches Gewebe.

1. Seine elementare anatomische Anordnung **) ist mannigfaltig,
bald erscheint es als homogene oder auch als durchlöcherte Haut, bald
in schmalen oder breiten Fasern, die einfach geschlängelt und verästelt
oder mit nebenliegenden zu Netzen verbunden sind, und endlich soll es
auch in feinen, einfachen oder verästelten Röhren, die mit den anliegenden
zu einem feinen Gefässwerk verschmolzen sind, auftreten (Virchow,
Donders
).

2. Chemische Beschaffenheit. Die Zusammensetzung der Flüssig-
keit, welche die festen Theile des elastischen Gewebes durchtränkt oder
zwischen den Lücken und Höhlen desselben enthalten ist, kennen wir
nicht. Die feste Masse selbst zeichnet sich aus durch ihre Unlöslichkeit
in kalten verdünnten Mineralsäuren und ihre Schwerlöslichkeit in Kali-
lauge. Mit Säuren, Kali, Aether, Alkohol und Wasser gereinigt, zeigt der
Stoff die im I. Bd. p. 49 angeführte prozentische Zusammensetzung.
Seitdem jene Mittheilungen über unsern Stoff gemacht sind, hat Zolli-
kofer
***) beobachtet, dass durch anhaltende Einwirkung von kochender
verdünnter Schwefelsäure nur Leucin, nicht aber Tyrosin oder Glycin,
aus ihm gewonnen werden kann.

3. Physikalische Eigenschaften. a) Im durchfeuchteten Zustand ist
seine Elastizität sehr vollkommen und sein Elastizitätscoeffizient ein nie-
driger. Seine Cohäsion ist unter allen Umständen beträchtlich, sie scheint
dabei jedoch nach verschiedenen Richtungen hin nicht gleichmässig zu
sein. -- b) Seine endosmotischen Eigenschaften sind sehr unvollkommen
bekannt. Es zieht begierig Wasser an, quillt in kaltem Wasser bedeu-
tender als in heissem auf; im Gegensatz zum Bindegewebe wird es durch
Essigsäure nicht aufgeschwellt. Als Scheidewand zwischen diffundirende
Flüssigkeit aufgestellt, verhält es sich unter Umständen eigenthümlich;
so verwehrt z. B. nach Brücke das aus elastischem Stoff bestehende
Schaalenhäutchen des Hühnereis dem flüssigen Eiweiss den Durchgang;
dasselbe leistet die innere Arterienhaut, wenn sie vorher in einer zwei-
prozentigen Kochsalzlösung gelegen (C. Ludwig). Eine genauere Unter-
suchung der hier einschlagenden Eigenschaften wäre insbesondere wün-

*) Henle's u. Pfeufer's Zeitschrift. IX. Bd.
**) Kölliker, Gewebelehre. 2. Auflage. p. 52 u. 64. -- Virchow, Würzburger Verhandlungen.
II. Bd. p. 150. -- Henle, im Jahresbericht über allgem. Anatomie für 1851 p. 28 u. 1852 p. 20.
***) Liebig's Annalen. 82. Bd. 162.
Ludwig, Physiologie. II. 12
Elastisches Gewebe.

Ueber den periodischen Haarwechsel der Thiere und insbesondere über das ana-
tomische Verhalten der Warze und der aus ihren Flüssigkeiten herrührenden Zellen
hat Steinlin *) sehr genaue Beobachtungen mitgetheilt. Siehe hierüber auch Köl-
liker
und Langer.

Die Bewegungen des Haars (das Haarsträuben) bestehen, wie es die
Anlegung des Balgmuskels erwarten lässt, in einem Aufrichten des schief-
gelegten Haares.

Elastisches Gewebe.

1. Seine elementare anatomische Anordnung **) ist mannigfaltig,
bald erscheint es als homogene oder auch als durchlöcherte Haut, bald
in schmalen oder breiten Fasern, die einfach geschlängelt und verästelt
oder mit nebenliegenden zu Netzen verbunden sind, und endlich soll es
auch in feinen, einfachen oder verästelten Röhren, die mit den anliegenden
zu einem feinen Gefässwerk verschmolzen sind, auftreten (Virchow,
Donders
).

2. Chemische Beschaffenheit. Die Zusammensetzung der Flüssig-
keit, welche die festen Theile des elastischen Gewebes durchtränkt oder
zwischen den Lücken und Höhlen desselben enthalten ist, kennen wir
nicht. Die feste Masse selbst zeichnet sich aus durch ihre Unlöslichkeit
in kalten verdünnten Mineralsäuren und ihre Schwerlöslichkeit in Kali-
lauge. Mit Säuren, Kali, Aether, Alkohol und Wasser gereinigt, zeigt der
Stoff die im I. Bd. p. 49 angeführte prozentische Zusammensetzung.
Seitdem jene Mittheilungen über unsern Stoff gemacht sind, hat Zolli-
kofer
***) beobachtet, dass durch anhaltende Einwirkung von kochender
verdünnter Schwefelsäure nur Leucin, nicht aber Tyrosin oder Glycin,
aus ihm gewonnen werden kann.

3. Physikalische Eigenschaften. a) Im durchfeuchteten Zustand ist
seine Elastizität sehr vollkommen und sein Elastizitätscoeffizient ein nie-
driger. Seine Cohäsion ist unter allen Umständen beträchtlich, sie scheint
dabei jedoch nach verschiedenen Richtungen hin nicht gleichmässig zu
sein. — b) Seine endosmotischen Eigenschaften sind sehr unvollkommen
bekannt. Es zieht begierig Wasser an, quillt in kaltem Wasser bedeu-
tender als in heissem auf; im Gegensatz zum Bindegewebe wird es durch
Essigsäure nicht aufgeschwellt. Als Scheidewand zwischen diffundirende
Flüssigkeit aufgestellt, verhält es sich unter Umständen eigenthümlich;
so verwehrt z. B. nach Brücke das aus elastischem Stoff bestehende
Schaalenhäutchen des Hühnereis dem flüssigen Eiweiss den Durchgang;
dasselbe leistet die innere Arterienhaut, wenn sie vorher in einer zwei-
prozentigen Kochsalzlösung gelegen (C. Ludwig). Eine genauere Unter-
suchung der hier einschlagenden Eigenschaften wäre insbesondere wün-

*) Henle’s u. Pfeufer’s Zeitschrift. IX. Bd.
**) Kölliker, Gewebelehre. 2. Auflage. p. 52 u. 64. — Virchow, Würzburger Verhandlungen.
II. Bd. p. 150. — Henle, im Jahresbericht über allgem. Anatomie für 1851 p. 28 u. 1852 p. 20.
***) Liebig’s Annalen. 82. Bd. 162.
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[177/0193] Elastisches Gewebe. Ueber den periodischen Haarwechsel der Thiere und insbesondere über das ana- tomische Verhalten der Warze und der aus ihren Flüssigkeiten herrührenden Zellen hat Steinlin *) sehr genaue Beobachtungen mitgetheilt. Siehe hierüber auch Köl- liker und Langer. Die Bewegungen des Haars (das Haarsträuben) bestehen, wie es die Anlegung des Balgmuskels erwarten lässt, in einem Aufrichten des schief- gelegten Haares. Elastisches Gewebe. 1. Seine elementare anatomische Anordnung **) ist mannigfaltig, bald erscheint es als homogene oder auch als durchlöcherte Haut, bald in schmalen oder breiten Fasern, die einfach geschlängelt und verästelt oder mit nebenliegenden zu Netzen verbunden sind, und endlich soll es auch in feinen, einfachen oder verästelten Röhren, die mit den anliegenden zu einem feinen Gefässwerk verschmolzen sind, auftreten (Virchow, Donders). 2. Chemische Beschaffenheit. Die Zusammensetzung der Flüssig- keit, welche die festen Theile des elastischen Gewebes durchtränkt oder zwischen den Lücken und Höhlen desselben enthalten ist, kennen wir nicht. Die feste Masse selbst zeichnet sich aus durch ihre Unlöslichkeit in kalten verdünnten Mineralsäuren und ihre Schwerlöslichkeit in Kali- lauge. Mit Säuren, Kali, Aether, Alkohol und Wasser gereinigt, zeigt der Stoff die im I. Bd. p. 49 angeführte prozentische Zusammensetzung. Seitdem jene Mittheilungen über unsern Stoff gemacht sind, hat Zolli- kofer ***) beobachtet, dass durch anhaltende Einwirkung von kochender verdünnter Schwefelsäure nur Leucin, nicht aber Tyrosin oder Glycin, aus ihm gewonnen werden kann. 3. Physikalische Eigenschaften. a) Im durchfeuchteten Zustand ist seine Elastizität sehr vollkommen und sein Elastizitätscoeffizient ein nie- driger. Seine Cohäsion ist unter allen Umständen beträchtlich, sie scheint dabei jedoch nach verschiedenen Richtungen hin nicht gleichmässig zu sein. — b) Seine endosmotischen Eigenschaften sind sehr unvollkommen bekannt. Es zieht begierig Wasser an, quillt in kaltem Wasser bedeu- tender als in heissem auf; im Gegensatz zum Bindegewebe wird es durch Essigsäure nicht aufgeschwellt. Als Scheidewand zwischen diffundirende Flüssigkeit aufgestellt, verhält es sich unter Umständen eigenthümlich; so verwehrt z. B. nach Brücke das aus elastischem Stoff bestehende Schaalenhäutchen des Hühnereis dem flüssigen Eiweiss den Durchgang; dasselbe leistet die innere Arterienhaut, wenn sie vorher in einer zwei- prozentigen Kochsalzlösung gelegen (C. Ludwig). Eine genauere Unter- suchung der hier einschlagenden Eigenschaften wäre insbesondere wün- *) Henle’s u. Pfeufer’s Zeitschrift. IX. Bd. **) Kölliker, Gewebelehre. 2. Auflage. p. 52 u. 64. — Virchow, Würzburger Verhandlungen. II. Bd. p. 150. — Henle, im Jahresbericht über allgem. Anatomie für 1851 p. 28 u. 1852 p. 20. ***) Liebig’s Annalen. 82. Bd. 162. Ludwig, Physiologie. II. 12

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/193>, abgerufen am 29.03.2024.