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Mangoldt, Hans von: Die Lehre vom Unternehmergewinn. Leipzig, 1855.

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ein Gewinn sei für das materielle Gut und ein anderer für
die Aufsicht und Leitung 1).

Die Ansicht, welche den Unternehmergewinn von Lohn
und Capitalgewinn sondert und wesentlich auf eine Entschädi-
gung für die gelaufene Gefahr zurückführt, finden wir in
Frankreich mit aller Entschiedenheit nur von Courcelle
Seneuil
2) vertreten. Im Anfang, meint er, arbeitet der
Mensch nur mit seinen eigenen Capital- und Arbeitskräften.
Die Theilung der Arbeit ruft jedoch bald die Benutzung frem-
der Capitalien und Arme hervor, und später nimmt der Unter-
nehmervertrag den heutzutage vorwiegenden Sinn an, daß der
Unternehmer zwar ein eignes Capital besitzt, aber fremde Grund-
stücke, Capitalien und Arbeiter gegen eine fixe Entschädigung
für die Betreibung der Unternehmung gewinnt. Er concipirt
und leitet die Unternehmung, er ist deren Seele. Alle Ge-
fahren gehen auf seine Rechnung, aber auch alle Gewinnste.
Auch in der Commanditengesellschaft und Arbeiterassociation er-
halten dort die Capitalisten, hier die Arbeiter nur dadurch An-
theil am Gewinn, daß sie die Gefahr der Verluste mit auf sich

1) Die wesentliche Verschiedenheit beider Fälle liegt jedoch auf der
Hand. Die Arme gehören so gut zur Persönlichkeit des Arbeiters wie seine
Muskelkraft und Intelligenz. Das Capital ist von der Persönlichkeit des
Capitalisten vollständig geschieden. Er kann es ohne Anstrengung an einen
Andern ausleihen oder veräußern, was der Arbeiter mit seinen Armen nicht
kann. Daß Rossi diesen Unterschied übersah, rührt daher, daß er fortwäh-
rend die persönliche Kraft und Fähigkeit als Capital ansieht, eine Ausdeh-
nung dieses Begriffes, die schon von dem Verfasser des eben erwähnten Auf-
satzes der Quart. Rev., sowie von Hermann, Staatsw.-Unters., München 1832,
S. 50--59 zurückgewiesen worden ist.
2) In Coquelin et Guillaumin, Dictionnaire d'econ. polit. Article:
Profit.
2

ein Gewinn ſei fuͤr das materielle Gut und ein anderer fuͤr
die Aufſicht und Leitung 1).

Die Anſicht, welche den Unternehmergewinn von Lohn
und Capitalgewinn ſondert und weſentlich auf eine Entſchaͤdi-
gung fuͤr die gelaufene Gefahr zuruͤckfuͤhrt, finden wir in
Frankreich mit aller Entſchiedenheit nur von Courcelle
Seneuil
2) vertreten. Im Anfang, meint er, arbeitet der
Menſch nur mit ſeinen eigenen Capital- und Arbeitskraͤften.
Die Theilung der Arbeit ruft jedoch bald die Benutzung frem-
der Capitalien und Arme hervor, und ſpaͤter nimmt der Unter-
nehmervertrag den heutzutage vorwiegenden Sinn an, daß der
Unternehmer zwar ein eignes Capital beſitzt, aber fremde Grund-
ſtuͤcke, Capitalien und Arbeiter gegen eine fixe Entſchaͤdigung
fuͤr die Betreibung der Unternehmung gewinnt. Er concipirt
und leitet die Unternehmung, er iſt deren Seele. Alle Ge-
fahren gehen auf ſeine Rechnung, aber auch alle Gewinnſte.
Auch in der Commanditengeſellſchaft und Arbeiteraſſociation er-
halten dort die Capitaliſten, hier die Arbeiter nur dadurch An-
theil am Gewinn, daß ſie die Gefahr der Verluſte mit auf ſich

1) Die weſentliche Verſchiedenheit beider Fälle liegt jedoch auf der
Hand. Die Arme gehören ſo gut zur Perſönlichkeit des Arbeiters wie ſeine
Muskelkraft und Intelligenz. Das Capital iſt von der Perſönlichkeit des
Capitaliſten vollſtändig geſchieden. Er kann es ohne Anſtrengung an einen
Andern ausleihen oder veräußern, was der Arbeiter mit ſeinen Armen nicht
kann. Daß Roſſi dieſen Unterſchied überſah, rührt daher, daß er fortwäh-
rend die perſönliche Kraft und Fähigkeit als Capital anſieht, eine Ausdeh-
nung dieſes Begriffes, die ſchon von dem Verfaſſer des eben erwähnten Auf-
ſatzes der Quart. Rev., ſowie von Hermann, Staatsw.-Unterſ., München 1832,
S. 50—59 zurückgewieſen worden iſt.
2) In Coquelin et Guillaumin, Dictionnaire d’écon. polit. Article:
Profit.
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[17/0029] ein Gewinn ſei fuͤr das materielle Gut und ein anderer fuͤr die Aufſicht und Leitung 1). Die Anſicht, welche den Unternehmergewinn von Lohn und Capitalgewinn ſondert und weſentlich auf eine Entſchaͤdi- gung fuͤr die gelaufene Gefahr zuruͤckfuͤhrt, finden wir in Frankreich mit aller Entſchiedenheit nur von Courcelle Seneuil 2) vertreten. Im Anfang, meint er, arbeitet der Menſch nur mit ſeinen eigenen Capital- und Arbeitskraͤften. Die Theilung der Arbeit ruft jedoch bald die Benutzung frem- der Capitalien und Arme hervor, und ſpaͤter nimmt der Unter- nehmervertrag den heutzutage vorwiegenden Sinn an, daß der Unternehmer zwar ein eignes Capital beſitzt, aber fremde Grund- ſtuͤcke, Capitalien und Arbeiter gegen eine fixe Entſchaͤdigung fuͤr die Betreibung der Unternehmung gewinnt. Er concipirt und leitet die Unternehmung, er iſt deren Seele. Alle Ge- fahren gehen auf ſeine Rechnung, aber auch alle Gewinnſte. Auch in der Commanditengeſellſchaft und Arbeiteraſſociation er- halten dort die Capitaliſten, hier die Arbeiter nur dadurch An- theil am Gewinn, daß ſie die Gefahr der Verluſte mit auf ſich 1) Die weſentliche Verſchiedenheit beider Fälle liegt jedoch auf der Hand. Die Arme gehören ſo gut zur Perſönlichkeit des Arbeiters wie ſeine Muskelkraft und Intelligenz. Das Capital iſt von der Perſönlichkeit des Capitaliſten vollſtändig geſchieden. Er kann es ohne Anſtrengung an einen Andern ausleihen oder veräußern, was der Arbeiter mit ſeinen Armen nicht kann. Daß Roſſi dieſen Unterſchied überſah, rührt daher, daß er fortwäh- rend die perſönliche Kraft und Fähigkeit als Capital anſieht, eine Ausdeh- nung dieſes Begriffes, die ſchon von dem Verfaſſer des eben erwähnten Auf- ſatzes der Quart. Rev., ſowie von Hermann, Staatsw.-Unterſ., München 1832, S. 50—59 zurückgewieſen worden iſt. 2) In Coquelin et Guillaumin, Dictionnaire d’écon. polit. Article: Profit. 2

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Zitationshilfe: Mangoldt, Hans von: Die Lehre vom Unternehmergewinn. Leipzig, 1855, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mangoldt_unternehmergewinn_1855/29>, abgerufen am 23.04.2024.