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[N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692.

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LXXXIIX.

Solon, der berühmte Gesetzgeber/ will
nicht dulden/ daß man in der Spaltung ei-
ner Herrschafft neutral bleiben soll; Un-
terdessen wann zwey vornehme Männer
miteinander im Streit liegen/ so düncket
mich/ es sey nicht gar sicher/ sich auff des ei-
nen oder andern Seite zu begeben. Dann
wann sich diese zwey miteinander versöh-
nen/ wie gemeiniglich geschiehet/ fo geräht
man in eine grosse Verwirrung und Noth.
Dann der eine wird des erwiesenen Dien-
stes vergessen/ und der andere hergegen den
Schimpff/ den er vermeynt/ daß du ihm ge-
than habest/ in reiffer Gedächtnüß behal-
ten. Jedoch ist in acht zu nehmen/ daß sich
diejenige/ welche sich in der Uneinigkeit ei-
ner Republic auf keine Seite begeben/ den
Flädermäusen gleich seyn/ welche die Vö-
gel und die Mäuse verfolgen; Diese Leute
sind in grosser Gefahr/ weil sie nichts haben
dürffen wagen. Nicht als wann es nicht
grosse Gefahr wäre/ sich aus der Gefahr
loß machen wollen. Die Bekümmerniß
eines frommen Mannes ist ein Ubel/ wel-
ches mit dem Glück vergesellet ist. Was
vor eine Gunst man von der Fortun em-

pfängt/
LXXXIIX.

Solon, der beruͤhmte Geſetzgeber/ will
nicht dulden/ daß man in der Spaltung ei-
ner Herrſchafft neutral bleiben ſoll; Un-
terdeſſen wann zwey vornehme Maͤnner
miteinander im Streit liegen/ ſo duͤncket
mich/ es ſey nicht gar ſicher/ ſich auff des ei-
nen oder andern Seite zu begeben. Dann
wann ſich dieſe zwey miteinander verſoͤh-
nen/ wie gemeiniglich geſchiehet/ fo geraͤht
man in eine groſſe Verwirrung und Noth.
Dann der eine wird des erwieſenen Dien-
ſtes vergeſſen/ und der andere hergegen den
Schimpff/ den er vermeynt/ daß du ihm ge-
than habeſt/ in reiffer Gedaͤchtnuͤß behal-
ten. Jedoch iſt in acht zu nehmen/ daß ſich
diejenige/ welche ſich in der Uneinigkeit ei-
ner Republic auf keine Seite begeben/ den
Flaͤdermaͤuſen gleich ſeyn/ welche die Voͤ-
gel und die Maͤuſe verfolgen; Dieſe Leute
ſind in groſſer Gefahr/ weil ſie nichts haben
duͤrffen wagen. Nicht als wann es nicht
groſſe Gefahr waͤre/ ſich aus der Gefahr
loß machen wollen. Die Bekuͤmmerniß
eines frommen Mannes iſt ein Ubel/ wel-
ches mit dem Gluͤck vergeſellet iſt. Was
vor eine Gunſt man von der Fortun em-

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[39/0050] LXXXIIX. Solon, der beruͤhmte Geſetzgeber/ will nicht dulden/ daß man in der Spaltung ei- ner Herrſchafft neutral bleiben ſoll; Un- terdeſſen wann zwey vornehme Maͤnner miteinander im Streit liegen/ ſo duͤncket mich/ es ſey nicht gar ſicher/ ſich auff des ei- nen oder andern Seite zu begeben. Dann wann ſich dieſe zwey miteinander verſoͤh- nen/ wie gemeiniglich geſchiehet/ fo geraͤht man in eine groſſe Verwirrung und Noth. Dann der eine wird des erwieſenen Dien- ſtes vergeſſen/ und der andere hergegen den Schimpff/ den er vermeynt/ daß du ihm ge- than habeſt/ in reiffer Gedaͤchtnuͤß behal- ten. Jedoch iſt in acht zu nehmen/ daß ſich diejenige/ welche ſich in der Uneinigkeit ei- ner Republic auf keine Seite begeben/ den Flaͤdermaͤuſen gleich ſeyn/ welche die Voͤ- gel und die Maͤuſe verfolgen; Dieſe Leute ſind in groſſer Gefahr/ weil ſie nichts haben duͤrffen wagen. Nicht als wann es nicht groſſe Gefahr waͤre/ ſich aus der Gefahr loß machen wollen. Die Bekuͤmmerniß eines frommen Mannes iſt ein Ubel/ wel- ches mit dem Gluͤck vergeſellet iſt. Was vor eine Gunſt man von der Fortun em- pfaͤngt/

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Zitationshilfe: [N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martzi_klugen_1692/50>, abgerufen am 24.04.2024.