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[N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692.

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man die Tugend sucht; Derowegen siehe
auf deiner Wacht/ damit du nicht betro-
gen werdest. Es ist auch noch in acht zu
nehmen/ daß es Leute in einem Gemählde/
und hergegen warhafftige und rechte Leute
gibt/ das ist klärer und ohne Rätzel zu sa-
gen/ man findet rechte Tugenden/ und auch
andere/ so nur in dem Schein bestehen. Die
vermummte Tugend ist ein seltzames Wun-
der Thier. Du solt wissen/ daß eine
Action, die von ihr selbst gut ist/ und ohne
Bedacht/ oder aus bösem Vorhaben ge-
schicht/ nur den Schein und die äusserste
Rinde der Tugend/ aber in der That die
rechte Abscheulichkeit des Lasters an sich
hat.

XV.

Unter den warhafftigen Tugenden wer-
den etliche genennet einfältige/ andere aber
wichtige. Die ersten sind/ die Warheit
zu sagen/ sehr schwach/ und währen nicht
lang/ die andern sind starck/ und widerste-
hen allem. Ich gestehe/ daß ein kleiner
Löw eben so wohl ein Löw ist/ als ein grosser/
iedoch ist ein grosser Unterscheid zwischen
ihnen beyden. Eine helden- und tapffere
Tugend ist allezeit begleitet von vielen an-

dern
C 2

man die Tugend ſucht; Derowegen ſiehe
auf deiner Wacht/ damit du nicht betro-
gen werdeſt. Es iſt auch noch in acht zu
nehmen/ daß es Leute in einem Gemaͤhlde/
und hergegen warhafftige und rechte Leute
gibt/ das iſt klaͤrer und ohne Raͤtzel zu ſa-
gen/ man findet rechte Tugenden/ und auch
andere/ ſo nur in dem Schein beſtehen. Die
vermum̃te Tugend iſt ein ſeltzames Wun-
der Thier. Du ſolt wiſſen/ daß eine
Action, die von ihr ſelbſt gut iſt/ und ohne
Bedacht/ oder aus boͤſem Vorhaben ge-
ſchicht/ nur den Schein und die aͤuſſerſte
Rinde der Tugend/ aber in der That die
rechte Abſcheulichkeit des Laſters an ſich
hat.

XV.

Unter den warhafftigen Tugenden wer-
den etliche genennet einfaͤltige/ andere aber
wichtige. Die erſten ſind/ die Warheit
zu ſagen/ ſehr ſchwach/ und waͤhren nicht
lang/ die andern ſind ſtarck/ und widerſte-
hen allem. Ich geſtehe/ daß ein kleiner
Loͤw eben ſo wohl ein Loͤw iſt/ als ein groſſer/
iedoch iſt ein groſſer Unterſcheid zwiſchen
ihnen beyden. Eine helden- und tapffere
Tugend iſt allezeit begleitet von vielen an-

dern
C 2
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[61[51]/0062] man die Tugend ſucht; Derowegen ſiehe auf deiner Wacht/ damit du nicht betro- gen werdeſt. Es iſt auch noch in acht zu nehmen/ daß es Leute in einem Gemaͤhlde/ und hergegen warhafftige und rechte Leute gibt/ das iſt klaͤrer und ohne Raͤtzel zu ſa- gen/ man findet rechte Tugenden/ und auch andere/ ſo nur in dem Schein beſtehen. Die vermum̃te Tugend iſt ein ſeltzames Wun- der Thier. Du ſolt wiſſen/ daß eine Action, die von ihr ſelbſt gut iſt/ und ohne Bedacht/ oder aus boͤſem Vorhaben ge- ſchicht/ nur den Schein und die aͤuſſerſte Rinde der Tugend/ aber in der That die rechte Abſcheulichkeit des Laſters an ſich hat. XV. Unter den warhafftigen Tugenden wer- den etliche genennet einfaͤltige/ andere aber wichtige. Die erſten ſind/ die Warheit zu ſagen/ ſehr ſchwach/ und waͤhren nicht lang/ die andern ſind ſtarck/ und widerſte- hen allem. Ich geſtehe/ daß ein kleiner Loͤw eben ſo wohl ein Loͤw iſt/ als ein groſſer/ iedoch iſt ein groſſer Unterſcheid zwiſchen ihnen beyden. Eine helden- und tapffere Tugend iſt allezeit begleitet von vielen an- dern C 2

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Zitationshilfe: [N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692, S. 61[51]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martzi_klugen_1692/62>, abgerufen am 23.04.2024.