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[N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692.

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Nutz/ er thut ihm selber viel Leids/ er giebt
andern nichts/ und doch nimt er ihm alles
was er kan/ und macht sich zum Unglückse-
ligsten unter allen Menschen. In Sum-
ma/ er geräht in eine solche Extremität/ baß
er keine Wolthat erweisen kan/ als wann
er stirbt/ und alsdann spotten die Erben
seiner/ und stellen sich als weineten sie/ und
bedecken eine warhafftige Freude mit einer
scheinenden Traurigkeit.

LII.

Es mangelt einem Geitzigen nimmer-
mehr an Ursachen/ wann er etwas versagen
will/ aber ein rechter freygebiger Mann
hat allezeit Ursachen/ wann er geben will/
auch wann man schon nichts von ihm be-
gehret. Der erste geniest seines Reich-
thums nichts/ der andere verlieret sein Gut
nicht/ auch wann er sich dessen/ seinen
Freunden zum Dienst/ schon beraubet. Je-
ner ist ein Sclav dessen/ so er besitzet/ der
aber ist noch ein Herr über dasjenige/ so er
gegeben hat.

LIII.

Es muß entweder der Mann über das
Geld/ oder das Geld über den Mann her-
schen/ und es ist kein Mittel-Ding zwischen

die-

Nutz/ er thut ihm ſelber viel Leids/ er giebt
andern nichts/ und doch nimt er ihm alles
was er kan/ und macht ſich zum Ungluͤckſe-
ligſten unter allen Menſchen. In Sum-
ma/ er geraͤht in eine ſolche Extremitaͤt/ baß
er keine Wolthat erweiſen kan/ als wann
er ſtirbt/ und alsdann ſpotten die Erben
ſeiner/ und ſtellen ſich als weineten ſie/ und
bedecken eine warhafftige Freude mit einer
ſcheinenden Traurigkeit.

LII.

Es mangelt einem Geitzigen nimmer-
mehr an Urſachen/ wann er etwas verſagen
will/ aber ein rechter freygebiger Mann
hat allezeit Urſachen/ wann er geben will/
auch wann man ſchon nichts von ihm be-
gehret. Der erſte genieſt ſeines Reich-
thums nichts/ der andere verlieret ſein Gut
nicht/ auch wann er ſich deſſen/ ſeinen
Freunden zum Dienſt/ ſchon beraubet. Je-
ner iſt ein Sclav deſſen/ ſo er beſitzet/ der
aber iſt noch ein Herr uͤber dasjenige/ ſo er
gegeben hat.

LIII.

Es muß entweder der Mann uͤber das
Geld/ oder das Geld uͤber den Mann her-
ſchen/ und es iſt kein Mittel-Ding zwiſchen

die-
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[80[70]/0081] Nutz/ er thut ihm ſelber viel Leids/ er giebt andern nichts/ und doch nimt er ihm alles was er kan/ und macht ſich zum Ungluͤckſe- ligſten unter allen Menſchen. In Sum- ma/ er geraͤht in eine ſolche Extremitaͤt/ baß er keine Wolthat erweiſen kan/ als wann er ſtirbt/ und alsdann ſpotten die Erben ſeiner/ und ſtellen ſich als weineten ſie/ und bedecken eine warhafftige Freude mit einer ſcheinenden Traurigkeit. LII. Es mangelt einem Geitzigen nimmer- mehr an Urſachen/ wann er etwas verſagen will/ aber ein rechter freygebiger Mann hat allezeit Urſachen/ wann er geben will/ auch wann man ſchon nichts von ihm be- gehret. Der erſte genieſt ſeines Reich- thums nichts/ der andere verlieret ſein Gut nicht/ auch wann er ſich deſſen/ ſeinen Freunden zum Dienſt/ ſchon beraubet. Je- ner iſt ein Sclav deſſen/ ſo er beſitzet/ der aber iſt noch ein Herr uͤber dasjenige/ ſo er gegeben hat. LIII. Es muß entweder der Mann uͤber das Geld/ oder das Geld uͤber den Mann her- ſchen/ und es iſt kein Mittel-Ding zwiſchen die-

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Zitationshilfe: [N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692, S. 80[70]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martzi_klugen_1692/81>, abgerufen am 29.03.2024.