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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

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Staatsgesetz erzwingen, ein übermächtiges gesellschaftliches Hin-
derniss
, das sie selbst verhindert, durch freiwilligen Kontrakt
mit dem Kapital
sich und ihre Generation in Tod und Sklaverei zu
verkaufen200). An die Stelle des prunkvollen Katalogs der "unver-
äusserlichen Menschenrechte" tritt die bescheidne Magna Charta eines
gesetzlich beschränkten Arbeitstags, die "endlich klar macht, wann die
Zeit, die der Arbeiter verkauft, endet
, und wann die ihm
selbst gehörige Zeit beginnt
"201). Quantum mutatus ab illo!

5) Rate und Masse des Mehrwerths.

Wie bisher, wird in diesem Paragraph der Werth der Arbeits-
kraft
, also der zur Reproduktion oder Erhaltung der Arbeitskraft noth-
wendige Theil des Arbeitstags
, als gegebne, constante
Grösse
unterstellt.

Diess also vorausgesetzt, ist mit der Rate zugleich die Masse des
Mehrwerths
gegeben, die der einzelne Arbeiter dem Kapitalisten in
bestimmter Zeitperiode liefert. Beträgt z. B. die nothwendige Arbeit täglich
6 Stunden, ausgedrückt in einem Goldquantum von 3 sh. = 1 Thaler, so
ist 1 Thaler der Tageswerth einer Arbeitskraft, oder der im Ankauf

200) Die Zehnstundenbill hat in den ihr unterworfenen Industriezweigen "die
Arbeiter vor gänzlicher Degeneration gerettet und ihren physischen
Zustand
beschützt." ("Reports etc. for 31. Oct. 1859", p. 47--52.) "Das
Kapital (in den Fabriken) kann niemals die Maschinerie in Bewegung halten über
eine begrenzte Zeitperiode ohne die beschäftigten Arbeiter an ihrer Gesundheit und
ihrer Moral zu beschädigen; und sie sind nicht in einer Lage, sich
selbst zu schützen
." l. c. p. 8.
201) "A still greater boon is, the distinetion at least made clear between
the worker's own time and his master'
s. The worker knows now when
that which he sells is ended, and when his own begins
, and, by
possessing a sure foreknowledge of this, is enabled to pre-arrange his own minutes
for his own purposes." (l. c. p. 52.) "By making them masters of their own time,
they (die Fabrikgesetze) have given them a moral energy which is directing them to
the eventual possession of political power." (l. c. p. 47.) Mit verhaltner Ironie, und
in sehr vorsichtigen Ausdrücken, deuten die Fabrikinspektoren an, dass das jetzige
Zehnstundengesetz auch den Kapitalisten einigermassen von seiner naturwüchsigen
Brutalität als blosser Verkörperung des Kapitals befreit und ihm Zeit zu einiger
"Bildung" gegeben habe. Vorher "the master had no time for anything but
money: the servant had no time for anything but labour." l. c. p. 48.

Staatsgesetz erzwingen, ein übermächtiges gesellschaftliches Hin-
derniss
, das sie selbst verhindert, durch freiwilligen Kontrakt
mit dem Kapital
sich und ihre Generation in Tod und Sklaverei zu
verkaufen200). An die Stelle des prunkvollen Katalogs der „unver-
äusserlichen Menschenrechte“ tritt die bescheidne Magna Charta eines
gesetzlich beschränkten Arbeitstags, die „endlich klar macht, wann die
Zeit, die der Arbeiter verkauft, endet
, und wann die ihm
selbst gehörige Zeit beginnt
201). Quantum mutatus ab illo!

5) Rate und Masse des Mehrwerths.

Wie bisher, wird in diesem Paragraph der Werth der Arbeits-
kraft
, also der zur Reproduktion oder Erhaltung der Arbeitskraft noth-
wendige Theil des Arbeitstags
, als gegebne, constante
Grösse
unterstellt.

Diess also vorausgesetzt, ist mit der Rate zugleich die Masse des
Mehrwerths
gegeben, die der einzelne Arbeiter dem Kapitalisten in
bestimmter Zeitperiode liefert. Beträgt z. B. die nothwendige Arbeit täglich
6 Stunden, ausgedrückt in einem Goldquantum von 3 sh. = 1 Thaler, so
ist 1 Thaler der Tageswerth einer Arbeitskraft, oder der im Ankauf

200) Die Zehnstundenbill hat in den ihr unterworfenen Industriezweigen „die
Arbeiter vor gänzlicher Degeneration gerettet und ihren physischen
Zustand
beschützt.“ („Reports etc. for 31. Oct. 1859“, p. 47—52.) „Das
Kapital (in den Fabriken) kann niemals die Maschinerie in Bewegung halten über
eine begrenzte Zeitperiode ohne die beschäftigten Arbeiter an ihrer Gesundheit und
ihrer Moral zu beschädigen; und sie sind nicht in einer Lage, sich
selbst zu schützen
.“ l. c. p. 8.
201) „A still greater boon is, the distinetion at least made clear between
the worker’s own time and his master’
s. The worker knows now when
that which he sells is ended, and when his own begins
, and, by
possessing a sure foreknowledge of this, is enabled to pre-arrange his own minutes
for his own purposes.“ (l. c. p. 52.) „By making them masters of their own time,
they (die Fabrikgesetze) have given them a moral energy which is directing them to
the eventual possession of political power.“ (l. c. p. 47.) Mit verhaltner Ironie, und
in sehr vorsichtigen Ausdrücken, deuten die Fabrikinspektoren an, dass das jetzige
Zehnstundengesetz auch den Kapitalisten einigermassen von seiner naturwüchsigen
Brutalität als blosser Verkörperung des Kapitals befreit und ihm Zeit zu einiger
„Bildung“ gegeben habe. Vorher „the master had no time for anything but
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[281/0300] Staatsgesetz erzwingen, ein übermächtiges gesellschaftliches Hin- derniss, das sie selbst verhindert, durch freiwilligen Kontrakt mit dem Kapital sich und ihre Generation in Tod und Sklaverei zu verkaufen 200). An die Stelle des prunkvollen Katalogs der „unver- äusserlichen Menschenrechte“ tritt die bescheidne Magna Charta eines gesetzlich beschränkten Arbeitstags, die „endlich klar macht, wann die Zeit, die der Arbeiter verkauft, endet, und wann die ihm selbst gehörige Zeit beginnt“ 201). Quantum mutatus ab illo! 5) Rate und Masse des Mehrwerths. Wie bisher, wird in diesem Paragraph der Werth der Arbeits- kraft, also der zur Reproduktion oder Erhaltung der Arbeitskraft noth- wendige Theil des Arbeitstags, als gegebne, constante Grösse unterstellt. Diess also vorausgesetzt, ist mit der Rate zugleich die Masse des Mehrwerths gegeben, die der einzelne Arbeiter dem Kapitalisten in bestimmter Zeitperiode liefert. Beträgt z. B. die nothwendige Arbeit täglich 6 Stunden, ausgedrückt in einem Goldquantum von 3 sh. = 1 Thaler, so ist 1 Thaler der Tageswerth einer Arbeitskraft, oder der im Ankauf 200) Die Zehnstundenbill hat in den ihr unterworfenen Industriezweigen „die Arbeiter vor gänzlicher Degeneration gerettet und ihren physischen Zustand beschützt.“ („Reports etc. for 31. Oct. 1859“, p. 47—52.) „Das Kapital (in den Fabriken) kann niemals die Maschinerie in Bewegung halten über eine begrenzte Zeitperiode ohne die beschäftigten Arbeiter an ihrer Gesundheit und ihrer Moral zu beschädigen; und sie sind nicht in einer Lage, sich selbst zu schützen.“ l. c. p. 8. 201) „A still greater boon is, the distinetion at least made clear between the worker’s own time and his master’s. The worker knows now when that which he sells is ended, and when his own begins, and, by possessing a sure foreknowledge of this, is enabled to pre-arrange his own minutes for his own purposes.“ (l. c. p. 52.) „By making them masters of their own time, they (die Fabrikgesetze) have given them a moral energy which is directing them to the eventual possession of political power.“ (l. c. p. 47.) Mit verhaltner Ironie, und in sehr vorsichtigen Ausdrücken, deuten die Fabrikinspektoren an, dass das jetzige Zehnstundengesetz auch den Kapitalisten einigermassen von seiner naturwüchsigen Brutalität als blosser Verkörperung des Kapitals befreit und ihm Zeit zu einiger „Bildung“ gegeben habe. Vorher „the master had no time for anything but money: the servant had no time for anything but labour.“ l. c. p. 48.

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/300>, abgerufen am 20.04.2024.