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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

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holung desselben beschränkten Thuns und die Koncentration der Aufmerk-
samkeit auf diess Beschränkte lehren erfahrungsmässig den bezweckten
Nutzeffekt mit geringstem Kraftaufwand erreichen. Da aber immer ver-
schiedne Arbeitergenerationen gleichzeitig zusammenleben und in densel-
ben Manufakturen zusammenwirken, befestigen, häufen und übertragen
sich bald die so gewonnenen technischen Kunstgriffe28). Die Manu-
faktur producirt in der That die Virtuosität des Detailarbeiters, indem sie
die naturwüchsige Sonderung der Gewerbe, die sie in der Gesellschaft vor-
fand, im Innern der Werkstatt reproducirt und systematisch zum Extrem
treibt. Andrerseits entspricht ihre Verwandlung der Theilarbeit in den
Lebensberuf eines Menschen dem Trieb früherer Gesellschaften, die Ge-
werbe erblich zu machen, sie in Kasten zu versteinern, oder, wo be-
stimmte historische Bedingungen dem Kastenwesen widersprechende Varia-
bilität des Individuums erzeugen, die Arbeitssonderung wenigstens in
Zünfte zu verknöchern. Die Entstehung dieser Kasten und Zünfte folgt
demselben Naturgesetz, das die Sonderung von Pflanzen und Thieren in Arten
und Unterarten regelt, nur dass auf einem gewissen Entwicklungsgrad die
Erblichkeit der Kasten oder die Ausschliesslichkeit der Zünfte als ge-
sellschaftliches Gesetz
dekretirt wird29). "Die Musline von
Dakka sind an Feinheit, die Kattune und andre Zeuge von Koromandel
an Pracht und Dauerhaftigkeit der Farben, niemals übertroffen worden.
Und dennoch werden sie producirt ohne Kapital, Maschinerie, Theilung
der Arbeit, oder irgend eins der andern Mittel, die der Fabrikation in

28) "Easy labour is transmitted skill." (Th. Hodgskin l. c. p. 125.)
29) "Auch die Künste sind ... in Aegypten zu dem gehörigen Grad von
Vollkommenheit gediehn. Denn in diesem Lande allein dürfen die Handwerker
durchaus nicht in die Geschäfte einer andern Bürgerklasse eingreifen, sondern
bloss den nach dem Gesetz ihrem Stamme erblich zugehörigen Beruf treiben ...
Bei andern Völkern findet man, dass die Gewerbsleute ihre Aufmerksamkeit auf
zu viele Gegenstände vertheilen ... Bald versuchen sie es mit dem Landbau, bald
lassen sie sich in Handelsgeschäfte ein, bald befassen sie sich mit zwei oder drei
Künsten zugleich. In Freistaaten laufen sie meist in die Volksversammlungen ...
In Aegypten dagegen verfällt jeder Handwerker in schwere Strafen, wenn er sich
in Staatsgeschäfte mischt, oder mehrere Künste zugleich treibt. So kann nichts
ihren Berußfleiss stören ... Zudem, wie sie von ihren Vorfahren viele Regeln
haben, sind sie eifrig darauf bedacht, noch neue Vortheile aufzufinden." (Dio-
dorus Siculus: Historische Bibliothek
l. I, c. 74.)

holung desselben beschränkten Thuns und die Koncentration der Aufmerk-
samkeit auf diess Beschränkte lehren erfahrungsmässig den bezweckten
Nutzeffekt mit geringstem Kraftaufwand erreichen. Da aber immer ver-
schiedne Arbeitergenerationen gleichzeitig zusammenleben und in densel-
ben Manufakturen zusammenwirken, befestigen, häufen und übertragen
sich bald die so gewonnenen technischen Kunstgriffe28). Die Manu-
faktur producirt in der That die Virtuosität des Detailarbeiters, indem sie
die naturwüchsige Sonderung der Gewerbe, die sie in der Gesellschaft vor-
fand, im Innern der Werkstatt reproducirt und systematisch zum Extrem
treibt. Andrerseits entspricht ihre Verwandlung der Theilarbeit in den
Lebensberuf eines Menschen dem Trieb früherer Gesellschaften, die Ge-
werbe erblich zu machen, sie in Kasten zu versteinern, oder, wo be-
stimmte historische Bedingungen dem Kastenwesen widersprechende Varia-
bilität des Individuums erzeugen, die Arbeitssonderung wenigstens in
Zünfte zu verknöchern. Die Entstehung dieser Kasten und Zünfte folgt
demselben Naturgesetz, das die Sonderung von Pflanzen und Thieren in Arten
und Unterarten regelt, nur dass auf einem gewissen Entwicklungsgrad die
Erblichkeit der Kasten oder die Ausschliesslichkeit der Zünfte als ge-
sellschaftliches Gesetz
dekretirt wird29). „Die Musline von
Dakka sind an Feinheit, die Kattune und andre Zeuge von Koromandel
an Pracht und Dauerhaftigkeit der Farben, niemals übertroffen worden.
Und dennoch werden sie producirt ohne Kapital, Maschinerie, Theilung
der Arbeit, oder irgend eins der andern Mittel, die der Fabrikation in

28) „Easy labour is transmitted skill.“ (Th. Hodgskin l. c. p. 125.)
29) „Auch die Künste sind … in Aegypten zu dem gehörigen Grad von
Vollkommenheit gediehn. Denn in diesem Lande allein dürfen die Handwerker
durchaus nicht in die Geschäfte einer andern Bürgerklasse eingreifen, sondern
bloss den nach dem Gesetz ihrem Stamme erblich zugehörigen Beruf treiben …
Bei andern Völkern findet man, dass die Gewerbsleute ihre Aufmerksamkeit auf
zu viele Gegenstände vertheilen … Bald versuchen sie es mit dem Landbau, bald
lassen sie sich in Handelsgeschäfte ein, bald befassen sie sich mit zwei oder drei
Künsten zugleich. In Freistaaten laufen sie meist in die Volksversammlungen …
In Aegypten dagegen verfällt jeder Handwerker in schwere Strafen, wenn er sich
in Staatsgeschäfte mischt, oder mehrere Künste zugleich treibt. So kann nichts
ihren Berußfleiss stören … Zudem, wie sie von ihren Vorfahren viele Regeln
haben, sind sie eifrig darauf bedacht, noch neue Vortheile aufzufinden.“ (Dio-
dorus Siculus: Historische Bibliothek
l. I, c. 74.)
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[322/0341] holung desselben beschränkten Thuns und die Koncentration der Aufmerk- samkeit auf diess Beschränkte lehren erfahrungsmässig den bezweckten Nutzeffekt mit geringstem Kraftaufwand erreichen. Da aber immer ver- schiedne Arbeitergenerationen gleichzeitig zusammenleben und in densel- ben Manufakturen zusammenwirken, befestigen, häufen und übertragen sich bald die so gewonnenen technischen Kunstgriffe 28). Die Manu- faktur producirt in der That die Virtuosität des Detailarbeiters, indem sie die naturwüchsige Sonderung der Gewerbe, die sie in der Gesellschaft vor- fand, im Innern der Werkstatt reproducirt und systematisch zum Extrem treibt. Andrerseits entspricht ihre Verwandlung der Theilarbeit in den Lebensberuf eines Menschen dem Trieb früherer Gesellschaften, die Ge- werbe erblich zu machen, sie in Kasten zu versteinern, oder, wo be- stimmte historische Bedingungen dem Kastenwesen widersprechende Varia- bilität des Individuums erzeugen, die Arbeitssonderung wenigstens in Zünfte zu verknöchern. Die Entstehung dieser Kasten und Zünfte folgt demselben Naturgesetz, das die Sonderung von Pflanzen und Thieren in Arten und Unterarten regelt, nur dass auf einem gewissen Entwicklungsgrad die Erblichkeit der Kasten oder die Ausschliesslichkeit der Zünfte als ge- sellschaftliches Gesetz dekretirt wird 29). „Die Musline von Dakka sind an Feinheit, die Kattune und andre Zeuge von Koromandel an Pracht und Dauerhaftigkeit der Farben, niemals übertroffen worden. Und dennoch werden sie producirt ohne Kapital, Maschinerie, Theilung der Arbeit, oder irgend eins der andern Mittel, die der Fabrikation in 28) „Easy labour is transmitted skill.“ (Th. Hodgskin l. c. p. 125.) 29) „Auch die Künste sind … in Aegypten zu dem gehörigen Grad von Vollkommenheit gediehn. Denn in diesem Lande allein dürfen die Handwerker durchaus nicht in die Geschäfte einer andern Bürgerklasse eingreifen, sondern bloss den nach dem Gesetz ihrem Stamme erblich zugehörigen Beruf treiben … Bei andern Völkern findet man, dass die Gewerbsleute ihre Aufmerksamkeit auf zu viele Gegenstände vertheilen … Bald versuchen sie es mit dem Landbau, bald lassen sie sich in Handelsgeschäfte ein, bald befassen sie sich mit zwei oder drei Künsten zugleich. In Freistaaten laufen sie meist in die Volksversammlungen … In Aegypten dagegen verfällt jeder Handwerker in schwere Strafen, wenn er sich in Staatsgeschäfte mischt, oder mehrere Künste zugleich treibt. So kann nichts ihren Berußfleiss stören … Zudem, wie sie von ihren Vorfahren viele Regeln haben, sind sie eifrig darauf bedacht, noch neue Vortheile aufzufinden.“ (Dio- dorus Siculus: Historische Bibliothek l. I, c. 74.)

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/341>, abgerufen am 25.04.2024.