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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Das Recht der juristischen Personen.
Frage ist, das muß aber dann eben aus anderen Merkmalen zu er-
kennen sein15. --

Für die Frage, ob ein Selbstverwaltungskörper vorliegt, ist des-
halb immer nur das Gesamtbild entscheidend: woran öffentliche Ver-
waltung erkannt wird, haben wir im bisherigen reichlich dargestellt;
wie es noch weiter an einer juristischen Person erkennbar wird, daß
sie dazu da ist, öffentliche Verwaltung zu führen, wird sich aus den
nun folgenden Ausführungen ergeben16.

§ 56.
Verschiedenheiten der Verfassungsgrundlagen.

Die untergeordneten juristischen Personen des öffentlichen Rechts,
die Selbstverwaltungskörper, wie wir sie nennen, haben, wie jede
juristische Person, den Zweck, Menschen zu dienen für ihre Inter-
essen. Die Bezeichnung dieses Zweckes durch ihre Verfassung giebt
ihnen ihre Individualität.

Diese Bezeichnung enthält in sachlicher Beziehung den
Gegenstand der Thätigkeit, wofür die juristische Person da ist,
und die räumlichen Grundlagen derselben, Sitz und Bezirk;
sie grenzt damit das Stück öffentlicher Verwaltung ab, auf welches
das subjektive öffentliche Recht des Selbstverwaltungskörpers sich er-
streckt (Bd. I § 9, IV), und den äußeren Umfang der Zuständig-
keiten seiner Vertreter und Diener.

Sie bestimmt in persönlicher Beziehung den Kreis der
Menschen,
für welchen der Selbstverwaltungskörper da ist, um

15 Die Pflicht des Selbstverwaltungskörpers, seinen Zweck zu erfüllen, ist
nach Rosin, Off. Gen. S. 19, nur das "principale" Element; dazu kommen erst die
"formalen" Rechte, welche dem Staate der Genossenschaft gegenüber zustehen,
um ihn zu befähigen, "die Erfüllung jener Pflicht in seinem Interesse zu überwachen
und zu erzwingen." Wenn nun solche formalen Rechte nicht bestimmt sind, wie
das z. B. in Elsaß-Lothringen bei Anerkennung eines Vereins als "öffentliche An-
stalt" geschehen kann, woran erkennt man dann jene Pflicht? Sie ist doch selbst
erst eine Folgerung aus der besonderen Zugehörigkeit zum Staat, die in anderer
Weise festgestellt ist.
16 Gierke, Gen.Theorie S. 167: "in allen solchen Besonderheiten sind nur
mehr oder minder bezeichnende Symptome, nicht dagegen wesentliche und für sich
allein ausschlaggebende Kennzeichen der öffentlichrechtlichen Qualifikation zu er-
blicken. Entscheidend ist vielmehr die Unterstellung des körperschaftlichen
Socialrechts unter gleichartige Gesichtspunkte und Normen, wie sie das staatliche
Gemeinwesen beherrschen". In diesem Sinne auch, wenigstens bezüglich der
Korporationen, Regelsberger, Pand. I S. 318.

Das Recht der juristischen Personen.
Frage ist, das muß aber dann eben aus anderen Merkmalen zu er-
kennen sein15. —

Für die Frage, ob ein Selbstverwaltungskörper vorliegt, ist des-
halb immer nur das Gesamtbild entscheidend: woran öffentliche Ver-
waltung erkannt wird, haben wir im bisherigen reichlich dargestellt;
wie es noch weiter an einer juristischen Person erkennbar wird, daß
sie dazu da ist, öffentliche Verwaltung zu führen, wird sich aus den
nun folgenden Ausführungen ergeben16.

§ 56.
Verschiedenheiten der Verfassungsgrundlagen.

Die untergeordneten juristischen Personen des öffentlichen Rechts,
die Selbstverwaltungskörper, wie wir sie nennen, haben, wie jede
juristische Person, den Zweck, Menschen zu dienen für ihre Inter-
essen. Die Bezeichnung dieses Zweckes durch ihre Verfassung giebt
ihnen ihre Individualität.

Diese Bezeichnung enthält in sachlicher Beziehung den
Gegenstand der Thätigkeit, wofür die juristische Person da ist,
und die räumlichen Grundlagen derselben, Sitz und Bezirk;
sie grenzt damit das Stück öffentlicher Verwaltung ab, auf welches
das subjektive öffentliche Recht des Selbstverwaltungskörpers sich er-
streckt (Bd. I § 9, IV), und den äußeren Umfang der Zuständig-
keiten seiner Vertreter und Diener.

Sie bestimmt in persönlicher Beziehung den Kreis der
Menschen,
für welchen der Selbstverwaltungskörper da ist, um

15 Die Pflicht des Selbstverwaltungskörpers, seinen Zweck zu erfüllen, ist
nach Rosin, Off. Gen. S. 19, nur das „principale“ Element; dazu kommen erst die
„formalen“ Rechte, welche dem Staate der Genossenschaft gegenüber zustehen,
um ihn zu befähigen, „die Erfüllung jener Pflicht in seinem Interesse zu überwachen
und zu erzwingen.“ Wenn nun solche formalen Rechte nicht bestimmt sind, wie
das z. B. in Elsaß-Lothringen bei Anerkennung eines Vereins als „öffentliche An-
stalt“ geschehen kann, woran erkennt man dann jene Pflicht? Sie ist doch selbst
erst eine Folgerung aus der besonderen Zugehörigkeit zum Staat, die in anderer
Weise festgestellt ist.
16 Gierke, Gen.Theorie S. 167: „in allen solchen Besonderheiten sind nur
mehr oder minder bezeichnende Symptome, nicht dagegen wesentliche und für sich
allein ausschlaggebende Kennzeichen der öffentlichrechtlichen Qualifikation zu er-
blicken. Entscheidend ist vielmehr die Unterstellung des körperschaftlichen
Socialrechts unter gleichartige Gesichtspunkte und Normen, wie sie das staatliche
Gemeinwesen beherrschen“. In diesem Sinne auch, wenigstens bezüglich der
Korporationen, Regelsberger, Pand. I S. 318.
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[376/0388] Das Recht der juristischen Personen. Frage ist, das muß aber dann eben aus anderen Merkmalen zu er- kennen sein 15. — Für die Frage, ob ein Selbstverwaltungskörper vorliegt, ist des- halb immer nur das Gesamtbild entscheidend: woran öffentliche Ver- waltung erkannt wird, haben wir im bisherigen reichlich dargestellt; wie es noch weiter an einer juristischen Person erkennbar wird, daß sie dazu da ist, öffentliche Verwaltung zu führen, wird sich aus den nun folgenden Ausführungen ergeben 16. § 56. Verschiedenheiten der Verfassungsgrundlagen. Die untergeordneten juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die Selbstverwaltungskörper, wie wir sie nennen, haben, wie jede juristische Person, den Zweck, Menschen zu dienen für ihre Inter- essen. Die Bezeichnung dieses Zweckes durch ihre Verfassung giebt ihnen ihre Individualität. Diese Bezeichnung enthält in sachlicher Beziehung den Gegenstand der Thätigkeit, wofür die juristische Person da ist, und die räumlichen Grundlagen derselben, Sitz und Bezirk; sie grenzt damit das Stück öffentlicher Verwaltung ab, auf welches das subjektive öffentliche Recht des Selbstverwaltungskörpers sich er- streckt (Bd. I § 9, IV), und den äußeren Umfang der Zuständig- keiten seiner Vertreter und Diener. Sie bestimmt in persönlicher Beziehung den Kreis der Menschen, für welchen der Selbstverwaltungskörper da ist, um 15 Die Pflicht des Selbstverwaltungskörpers, seinen Zweck zu erfüllen, ist nach Rosin, Off. Gen. S. 19, nur das „principale“ Element; dazu kommen erst die „formalen“ Rechte, welche dem Staate der Genossenschaft gegenüber zustehen, um ihn zu befähigen, „die Erfüllung jener Pflicht in seinem Interesse zu überwachen und zu erzwingen.“ Wenn nun solche formalen Rechte nicht bestimmt sind, wie das z. B. in Elsaß-Lothringen bei Anerkennung eines Vereins als „öffentliche An- stalt“ geschehen kann, woran erkennt man dann jene Pflicht? Sie ist doch selbst erst eine Folgerung aus der besonderen Zugehörigkeit zum Staat, die in anderer Weise festgestellt ist. 16 Gierke, Gen.Theorie S. 167: „in allen solchen Besonderheiten sind nur mehr oder minder bezeichnende Symptome, nicht dagegen wesentliche und für sich allein ausschlaggebende Kennzeichen der öffentlichrechtlichen Qualifikation zu er- blicken. Entscheidend ist vielmehr die Unterstellung des körperschaftlichen Socialrechts unter gleichartige Gesichtspunkte und Normen, wie sie das staatliche Gemeinwesen beherrschen“. In diesem Sinne auch, wenigstens bezüglich der Korporationen, Regelsberger, Pand. I S. 318.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/388>, abgerufen am 28.03.2024.