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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 34. Wirkungen der Enteignung.
pflicht herbeizuführen, indem er freiwillig den Antrag auf Enteignung
des Ganzen stellt, auch gegen den Willen des Eigentümers36.

Das Recht der Inanspruchnahme des einzelnen Grundstückes kann
aber nicht bloß räumlich, sondern auch dem Inhalt nach begrenzt
sein. Es ist möglich, daß es für das Bedürfnis des Unternehmers
genügt, wenn das Eigentum nicht gänzlich entzogen, sondern nur be-
schränkt wird. Dann soll wieder grundsätzlich nicht weiter gegangen
werden.

Eine derartig beschränkte Enteignung ist in Wirklichkeit nicht
sehr gebräuchlich. Man kann allerdings im voraus meist gar nicht
berechnen, wie weit der verbleibende Rest des Eigentumsrechtes dem
sich entwickelnden Unternehmen störend werden kann.

Rechtlich möglich ist eine solche Beschränkung in verschiedener
Weise. Vorausgesetzt ist immer, daß es sich um eine Beschränkung
handelt, die das Privateigentum seiner Natur nach anzunehmen ge-
eignet ist. Wie weit das der Fall ist, entscheidet das Civilrecht.

Es kann eine Teilung des Eigentums bewirkt werden, sofern das
Civilrecht einen solchen Zustand für möglich erklärt: eine Teilung
nach oben und unten, so daß z. B. das Unternehmen nur den Unter-
grund der Liegenschaft in Anspruch nimmt37.

Es kann die Belastung mit einer Dienstbarkeit stattfinden, in dem
Maße wenigstens, in welchem nach dem bestehenden Civilrecht das
Grundeigentum überhaupt solche Belastungen annimmt38. Civilrecht-
lich unmögliche Grunddienstbarkeiten können auch im Wege der Ent-
eignung nicht begründet werden.

§ 34.
Fortsetzung; die Wirkungen der Enteignung.

Die Enteignung hat als Hauptwirkung die ihrem Wesen ent-
sprechende: die Entziehung des Eigentums.

Damit sind die im Verlaufe des Verfahrens dem Grundeigentum

36 Bad. Ges. v. 15. Juni 1835 § 32. Der Entwurf zum Preuß. Ges. v. 11. Juni
1874 enthält eine gleiche Bestimmung; sie wurde jedoch im Abgeordnetenhause
abgelehnt; Bähr u. Langerhans, Ges. über die Enteignung S. 41.
37 Darüber Grünhut, Ent.R. S. 74. Der Hauptfall wird wohl die Anlage
eines Tunnels unter den fremden Grundstücken sein.
38 Das Bayr. Enteignungsges. art. I giebt in diesem Fall dem Enteigneten
das Recht, die Ausdehnung der Enteignung auf das volle Eigentum zu verlangen.
Die Natur und Wirkung des Rechts ist die oben (Note 35) geschilderte; Seydel,
Bayr. St.R. III S. 631; Hartmann, Ges. über Zwangsenteignung S. 24.

§ 34. Wirkungen der Enteignung.
pflicht herbeizuführen, indem er freiwillig den Antrag auf Enteignung
des Ganzen stellt, auch gegen den Willen des Eigentümers36.

Das Recht der Inanspruchnahme des einzelnen Grundstückes kann
aber nicht bloß räumlich, sondern auch dem Inhalt nach begrenzt
sein. Es ist möglich, daß es für das Bedürfnis des Unternehmers
genügt, wenn das Eigentum nicht gänzlich entzogen, sondern nur be-
schränkt wird. Dann soll wieder grundsätzlich nicht weiter gegangen
werden.

Eine derartig beschränkte Enteignung ist in Wirklichkeit nicht
sehr gebräuchlich. Man kann allerdings im voraus meist gar nicht
berechnen, wie weit der verbleibende Rest des Eigentumsrechtes dem
sich entwickelnden Unternehmen störend werden kann.

Rechtlich möglich ist eine solche Beschränkung in verschiedener
Weise. Vorausgesetzt ist immer, daß es sich um eine Beschränkung
handelt, die das Privateigentum seiner Natur nach anzunehmen ge-
eignet ist. Wie weit das der Fall ist, entscheidet das Civilrecht.

Es kann eine Teilung des Eigentums bewirkt werden, sofern das
Civilrecht einen solchen Zustand für möglich erklärt: eine Teilung
nach oben und unten, so daß z. B. das Unternehmen nur den Unter-
grund der Liegenschaft in Anspruch nimmt37.

Es kann die Belastung mit einer Dienstbarkeit stattfinden, in dem
Maße wenigstens, in welchem nach dem bestehenden Civilrecht das
Grundeigentum überhaupt solche Belastungen annimmt38. Civilrecht-
lich unmögliche Grunddienstbarkeiten können auch im Wege der Ent-
eignung nicht begründet werden.

§ 34.
Fortsetzung; die Wirkungen der Enteignung.

Die Enteignung hat als Hauptwirkung die ihrem Wesen ent-
sprechende: die Entziehung des Eigentums.

Damit sind die im Verlaufe des Verfahrens dem Grundeigentum

36 Bad. Ges. v. 15. Juni 1835 § 32. Der Entwurf zum Preuß. Ges. v. 11. Juni
1874 enthält eine gleiche Bestimmung; sie wurde jedoch im Abgeordnetenhause
abgelehnt; Bähr u. Langerhans, Ges. über die Enteignung S. 41.
37 Darüber Grünhut, Ent.R. S. 74. Der Hauptfall wird wohl die Anlage
eines Tunnels unter den fremden Grundstücken sein.
38 Das Bayr. Enteignungsges. art. I giebt in diesem Fall dem Enteigneten
das Recht, die Ausdehnung der Enteignung auf das volle Eigentum zu verlangen.
Die Natur und Wirkung des Rechts ist die oben (Note 35) geschilderte; Seydel,
Bayr. St.R. III S. 631; Hartmann, Ges. über Zwangsenteignung S. 24.
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[29/0041] § 34. Wirkungen der Enteignung. pflicht herbeizuführen, indem er freiwillig den Antrag auf Enteignung des Ganzen stellt, auch gegen den Willen des Eigentümers 36. Das Recht der Inanspruchnahme des einzelnen Grundstückes kann aber nicht bloß räumlich, sondern auch dem Inhalt nach begrenzt sein. Es ist möglich, daß es für das Bedürfnis des Unternehmers genügt, wenn das Eigentum nicht gänzlich entzogen, sondern nur be- schränkt wird. Dann soll wieder grundsätzlich nicht weiter gegangen werden. Eine derartig beschränkte Enteignung ist in Wirklichkeit nicht sehr gebräuchlich. Man kann allerdings im voraus meist gar nicht berechnen, wie weit der verbleibende Rest des Eigentumsrechtes dem sich entwickelnden Unternehmen störend werden kann. Rechtlich möglich ist eine solche Beschränkung in verschiedener Weise. Vorausgesetzt ist immer, daß es sich um eine Beschränkung handelt, die das Privateigentum seiner Natur nach anzunehmen ge- eignet ist. Wie weit das der Fall ist, entscheidet das Civilrecht. Es kann eine Teilung des Eigentums bewirkt werden, sofern das Civilrecht einen solchen Zustand für möglich erklärt: eine Teilung nach oben und unten, so daß z. B. das Unternehmen nur den Unter- grund der Liegenschaft in Anspruch nimmt 37. Es kann die Belastung mit einer Dienstbarkeit stattfinden, in dem Maße wenigstens, in welchem nach dem bestehenden Civilrecht das Grundeigentum überhaupt solche Belastungen annimmt 38. Civilrecht- lich unmögliche Grunddienstbarkeiten können auch im Wege der Ent- eignung nicht begründet werden. § 34. Fortsetzung; die Wirkungen der Enteignung. Die Enteignung hat als Hauptwirkung die ihrem Wesen ent- sprechende: die Entziehung des Eigentums. Damit sind die im Verlaufe des Verfahrens dem Grundeigentum 36 Bad. Ges. v. 15. Juni 1835 § 32. Der Entwurf zum Preuß. Ges. v. 11. Juni 1874 enthält eine gleiche Bestimmung; sie wurde jedoch im Abgeordnetenhause abgelehnt; Bähr u. Langerhans, Ges. über die Enteignung S. 41. 37 Darüber Grünhut, Ent.R. S. 74. Der Hauptfall wird wohl die Anlage eines Tunnels unter den fremden Grundstücken sein. 38 Das Bayr. Enteignungsges. art. I giebt in diesem Fall dem Enteigneten das Recht, die Ausdehnung der Enteignung auf das volle Eigentum zu verlangen. Die Natur und Wirkung des Rechts ist die oben (Note 35) geschilderte; Seydel, Bayr. St.R. III S. 631; Hartmann, Ges. über Zwangsenteignung S. 24.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/41>, abgerufen am 28.03.2024.