Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

Ueber das Wesen und den Ursprung des Geldes.
"leisten, zahlen," wornach denn das Geld in unserer Sprache
schlechthin das Zahlungsobject bedeutet*).

Von welcher hohen Bedeutung gerade die Gewohnheit**)
für die Entstehung des Geldes ist, ergiebt sich unmittelbar aus
der Betrachtung des eben dargelegten Processes, durch welchen

*) Im Althochdeutschen vertritt der Regel nach das Wort "scaz" die
Stelle unseres "Geld," im Gothischen "skatts," doch übersetzt Ulfilas das
Wort argurion (Marcus 14. 11, wo es Geld im Allgemeinen bedeutet) mit
"faihu" (Vieh, Geld). Das althochdeutsche "gelt" kommt für "Vergeltung, Ab-
gabe, Lösung," in einem Bibelglossar des 10. Jahrhundertes = dem lat. aes
vor. Im Altnordischen ist dagegen "giald" bereits im Sinne unseres heutigen
"Geld" gebräuchlich. Im Mittelhochdeutschen heisst "gelt" sehr gewöhnlich
"Zahlung" (Act und Object der Zahlung) "Vermögen," "Einkünfte," wird
jedoch auch bereits vielfach in der heutigen Bedeutung von "Geld" gebraucht.
Z. B. in Martina von Hugo von Langenstein (Basl. Handschrift, 215) "ze
gelde keren" (in Geld anschlagen), bei Peter Suchewirts, edit. Premisser, 31.
104 u. s. f. (vide Graff: Althochdeutscher Sprachschatz, IV, 191; Müller-
Benecke
: Mittelhochd. Wörterb. I, 522; Diefenbach: Vergleichendes
Wörterbuch d. goth. Sprache, II, 403, 1851.) Nicht ohne Interesse ist die
Art und Weise, wie andere Völker das Geld bezeichnen. Die Griechen,
Hebräer
und in einer Ausdrucksweise auch die Römer nannten das Geld:
"Silber" (argurion, keseph, argentum), sowie heut noch die Franzosen
(argent); die Engländer, Spanier, Portugiesen, sowie auch in einer
andern Ausdrucksweise die Hebräer, Griechen und Franzosen: "Münze"
(money, moneda, moeda, maoth, nomisma, monnaie). Die Italiener und
Russen sprechen von Geldstücken (Denaren), wenn sie Geld im All-
gemeinen bezeichnen wollen (danaro, dengi), dessgleichen in einer andern
Ausdrucksweise die Spanier und Portugiesen. Die Polen, Böhmen
und Slovenen nennen das Geld Pfennige (= Geldstücke): pienadze, penize,
penize), desgleichen die Croaten, Dalmatiner und Bosnier. Auch die
Dänen, Schweden und Magyaren sprechen von Geldstücken (Pfennigen)
wenn sie "Geld" bezeichnen wollen (penge, penningar, penz). Der Araber
thut dasselbe, denn sein Ausdruck für Geld "fulus" bedeutet "Münzen." In
der Sprache der Bari, die am obern Nil wohnen, heisst naglia, die Glas-
perle
, zugleich "Geld" (Fr. Müller in den Wien. Acad.-Schriften, phil. hist.
Sect. B. 45, S. 117) und die Nubier nennen das Metallgeld: schongir =
"Muschel des Schriftzeichens" (mit einem Schriftzeichen (Prägung!) versehenes
Kauri).
**) Die Gewohnheit als Moment der Entstehung des Geldes wird betont
von Condillac (Le commerce et le gouvernement, 1776, Part. I, Ch. 14);
Le Trosne (de l'interet social, 1777, Ch. III, 1).

Ueber das Wesen und den Ursprung des Geldes.
„leisten, zahlen,“ wornach denn das Geld in unserer Sprache
schlechthin das Zahlungsobject bedeutet*).

Von welcher hohen Bedeutung gerade die Gewohnheit**)
für die Entstehung des Geldes ist, ergiebt sich unmittelbar aus
der Betrachtung des eben dargelegten Processes, durch welchen

*) Im Althochdeutschen vertritt der Regel nach das Wort „scaz“ die
Stelle unseres „Geld,“ im Gothischen „skatts,“ doch übersetzt Ulfilas das
Wort ἀργύριον (Marcus 14. 11, wo es Geld im Allgemeinen bedeutet) mit
„faihu“ (Vieh, Geld). Das althochdeutsche „gelt“ kommt für „Vergeltung, Ab-
gabe, Lösung,“ in einem Bibelglossar des 10. Jahrhundertes = dem lat. aes
vor. Im Altnordischen ist dagegen „giald“ bereits im Sinne unseres heutigen
„Geld“ gebräuchlich. Im Mittelhochdeutschen heisst „gelt“ sehr gewöhnlich
„Zahlung“ (Act und Object der Zahlung) „Vermögen,“ „Einkünfte,“ wird
jedoch auch bereits vielfach in der heutigen Bedeutung von „Geld“ gebraucht.
Z. B. in Martina von Hugo von Langenstein (Basl. Handschrift, 215) „ze
gelde keren“ (in Geld anschlagen), bei Peter Suchewirts, edit. Premisser, 31.
104 u. s. f. (vide Graff: Althochdeutscher Sprachschatz, IV, 191; Müller-
Benecke
: Mittelhochd. Wörterb. I, 522; Diefenbach: Vergleichendes
Wörterbuch d. goth. Sprache, II, 403, 1851.) Nicht ohne Interesse ist die
Art und Weise, wie andere Völker das Geld bezeichnen. Die Griechen,
Hebräer
und in einer Ausdrucksweise auch die Römer nannten das Geld:
Silber“ (ἀργύριον, keseph, argentum), sowie heut noch die Franzosen
(argent); die Engländer, Spanier, Portugiesen, sowie auch in einer
andern Ausdrucksweise die Hebräer, Griechen und Franzosen: „Münze
(money, monéda, moeda, maoth, νόμισμα, monnaie). Die Italiener und
Russen sprechen von Geldstücken (Denaren), wenn sie Geld im All-
gemeinen bezeichnen wollen (danaro, dengi), dessgleichen in einer andern
Ausdrucksweise die Spanier und Portugiesen. Die Polen, Böhmen
und Slovenen nennen das Geld Pfennige (= Geldstücke): pienadze, penize,
penize), desgleichen die Croaten, Dalmatiner und Bosnier. Auch die
Dänen, Schweden und Magyaren sprechen von Geldstücken (Pfennigen)
wenn sie „Geld“ bezeichnen wollen (penge, penningar, penz). Der Araber
thut dasselbe, denn sein Ausdruck für Geld „fulus“ bedeutet „Münzen.“ In
der Sprache der Bari, die am obern Nil wohnen, heisst naglia, die Glas-
perle
, zugleich „Geld“ (Fr. Müller in den Wien. Acad.-Schriften, phil. hist.
Sect. B. 45, S. 117) und die Nubier nennen das Metallgeld: schongir =
Muschel des Schriftzeichens“ (mit einem Schriftzeichen (Prägung!) versehenes
Kauri).
**) Die Gewohnheit als Moment der Entstehung des Geldes wird betont
von Condillac (Le commerce et le gouvernement, 1776, Part. I, Ch. 14);
Le Trosne (de l’intérêt social, 1777, Ch. III, 1).
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0272" n="254"/><fw place="top" type="header">Ueber das Wesen und den Ursprung des Geldes.</fw><lb/>
&#x201E;leisten, zahlen,&#x201C; wornach denn das Geld in unserer Sprache<lb/>
schlechthin das Zahlungsobject bedeutet<note place="foot" n="*)">Im Althochdeutschen vertritt der Regel nach das Wort &#x201E;scaz&#x201C; die<lb/>
Stelle unseres &#x201E;Geld,&#x201C; im Gothischen &#x201E;skatts,&#x201C; doch übersetzt Ulfilas das<lb/>
Wort &#x1F00;&#x03C1;&#x03B3;&#x03CD;&#x03C1;&#x03B9;&#x03BF;&#x03BD; (Marcus 14. 11, wo es Geld im Allgemeinen bedeutet) mit<lb/>
&#x201E;faihu&#x201C; (Vieh, Geld). Das althochdeutsche &#x201E;gelt&#x201C; kommt für &#x201E;Vergeltung, Ab-<lb/>
gabe, Lösung,&#x201C; in einem Bibelglossar des 10. Jahrhundertes = dem lat. aes<lb/>
vor. Im Altnordischen ist dagegen &#x201E;giald&#x201C; bereits im Sinne unseres heutigen<lb/>
&#x201E;Geld&#x201C; gebräuchlich. Im Mittelhochdeutschen heisst &#x201E;gelt&#x201C; sehr gewöhnlich<lb/>
&#x201E;Zahlung&#x201C; (Act und Object der Zahlung) &#x201E;Vermögen,&#x201C; &#x201E;Einkünfte,&#x201C; wird<lb/>
jedoch auch bereits vielfach in der heutigen Bedeutung von &#x201E;Geld&#x201C; gebraucht.<lb/>
Z. B. in Martina von Hugo von Langenstein (Basl. Handschrift, 215) &#x201E;ze<lb/>
gelde keren&#x201C; (in Geld anschlagen), bei Peter Suchewirts, edit. Premisser, 31.<lb/>
104 u. s. f. (vide <hi rendition="#g">Graff</hi>: Althochdeutscher Sprachschatz, IV, 191; <hi rendition="#g">Müller-<lb/>
Benecke</hi>: Mittelhochd. Wörterb. I, 522; <hi rendition="#g">Diefenbach</hi>: Vergleichendes<lb/>
Wörterbuch d. goth. Sprache, II, 403, 1851.) Nicht ohne Interesse ist die<lb/>
Art und Weise, wie andere Völker das Geld bezeichnen. Die <hi rendition="#g">Griechen,<lb/>
Hebräer</hi> und in einer Ausdrucksweise auch die <hi rendition="#g">Römer</hi> nannten das Geld:<lb/>
&#x201E;<hi rendition="#g">Silber</hi>&#x201C; (&#x1F00;&#x03C1;&#x03B3;&#x03CD;&#x03C1;&#x03B9;&#x03BF;&#x03BD;, keseph, argentum), sowie heut noch die <hi rendition="#g">Franzosen</hi><lb/>
(argent); die <hi rendition="#g">Engländer, Spanier, Portugiesen</hi>, sowie auch in einer<lb/>
andern Ausdrucksweise die <hi rendition="#g">Hebräer, Griechen</hi> und <hi rendition="#g">Franzosen</hi>: &#x201E;<hi rendition="#g">Münze</hi>&#x201C;<lb/>
(money, monéda, moeda, maoth, &#x03BD;&#x03CC;&#x03BC;&#x03B9;&#x03C3;&#x03BC;&#x03B1;, monnaie). Die <hi rendition="#g">Italiener</hi> und<lb/><hi rendition="#g">Russen</hi> sprechen von <hi rendition="#g">Geldstücken</hi> (Denaren), wenn sie Geld im All-<lb/>
gemeinen bezeichnen wollen (danaro, dengi), dessgleichen in einer andern<lb/>
Ausdrucksweise die <hi rendition="#g">Spanier</hi> und <hi rendition="#g">Portugiesen</hi>. Die <hi rendition="#g">Polen, Böhmen</hi><lb/>
und <hi rendition="#g">Slovenen</hi> nennen das Geld Pfennige (= Geldstücke): pienadze, penize,<lb/>
penize), desgleichen die <hi rendition="#g">Croaten, Dalmatiner</hi> und <hi rendition="#g">Bosnier</hi>. Auch die<lb/><hi rendition="#g">Dänen, Schweden</hi> und <hi rendition="#g">Magyaren</hi> sprechen von Geldstücken (Pfennigen)<lb/>
wenn sie &#x201E;Geld&#x201C; bezeichnen wollen (penge, penningar, penz). Der <hi rendition="#g">Araber</hi><lb/>
thut dasselbe, denn sein Ausdruck für Geld &#x201E;fulus&#x201C; bedeutet &#x201E;Münzen.&#x201C; In<lb/>
der Sprache der <hi rendition="#g">Bari</hi>, die am obern Nil wohnen, heisst naglia, die <hi rendition="#g">Glas-<lb/>
perle</hi>, zugleich &#x201E;Geld&#x201C; (Fr. Müller in den Wien. Acad.-Schriften, phil. hist.<lb/>
Sect. B. 45, S. 117) und die <hi rendition="#g">Nubier</hi> nennen das Metallgeld: schongir =<lb/>
&#x201E;<hi rendition="#g">Muschel</hi> des Schriftzeichens&#x201C; (mit einem Schriftzeichen (Prägung!) versehenes<lb/>
Kauri).</note>.</p><lb/>
          <p>Von welcher hohen Bedeutung gerade die <hi rendition="#g">Gewohnheit</hi><note place="foot" n="**)">Die Gewohnheit als Moment der Entstehung des Geldes wird betont<lb/>
von <hi rendition="#g">Condillac</hi> (Le commerce et le gouvernement, 1776, Part. I, Ch. 14);<lb/><hi rendition="#g">Le Trosne</hi> (de l&#x2019;intérêt social, 1777, Ch. III, 1).</note><lb/>
für die Entstehung des Geldes ist, ergiebt sich unmittelbar aus<lb/>
der Betrachtung des eben dargelegten Processes, durch welchen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[254/0272] Ueber das Wesen und den Ursprung des Geldes. „leisten, zahlen,“ wornach denn das Geld in unserer Sprache schlechthin das Zahlungsobject bedeutet *). Von welcher hohen Bedeutung gerade die Gewohnheit **) für die Entstehung des Geldes ist, ergiebt sich unmittelbar aus der Betrachtung des eben dargelegten Processes, durch welchen *) Im Althochdeutschen vertritt der Regel nach das Wort „scaz“ die Stelle unseres „Geld,“ im Gothischen „skatts,“ doch übersetzt Ulfilas das Wort ἀργύριον (Marcus 14. 11, wo es Geld im Allgemeinen bedeutet) mit „faihu“ (Vieh, Geld). Das althochdeutsche „gelt“ kommt für „Vergeltung, Ab- gabe, Lösung,“ in einem Bibelglossar des 10. Jahrhundertes = dem lat. aes vor. Im Altnordischen ist dagegen „giald“ bereits im Sinne unseres heutigen „Geld“ gebräuchlich. Im Mittelhochdeutschen heisst „gelt“ sehr gewöhnlich „Zahlung“ (Act und Object der Zahlung) „Vermögen,“ „Einkünfte,“ wird jedoch auch bereits vielfach in der heutigen Bedeutung von „Geld“ gebraucht. Z. B. in Martina von Hugo von Langenstein (Basl. Handschrift, 215) „ze gelde keren“ (in Geld anschlagen), bei Peter Suchewirts, edit. Premisser, 31. 104 u. s. f. (vide Graff: Althochdeutscher Sprachschatz, IV, 191; Müller- Benecke: Mittelhochd. Wörterb. I, 522; Diefenbach: Vergleichendes Wörterbuch d. goth. Sprache, II, 403, 1851.) Nicht ohne Interesse ist die Art und Weise, wie andere Völker das Geld bezeichnen. Die Griechen, Hebräer und in einer Ausdrucksweise auch die Römer nannten das Geld: „Silber“ (ἀργύριον, keseph, argentum), sowie heut noch die Franzosen (argent); die Engländer, Spanier, Portugiesen, sowie auch in einer andern Ausdrucksweise die Hebräer, Griechen und Franzosen: „Münze“ (money, monéda, moeda, maoth, νόμισμα, monnaie). Die Italiener und Russen sprechen von Geldstücken (Denaren), wenn sie Geld im All- gemeinen bezeichnen wollen (danaro, dengi), dessgleichen in einer andern Ausdrucksweise die Spanier und Portugiesen. Die Polen, Böhmen und Slovenen nennen das Geld Pfennige (= Geldstücke): pienadze, penize, penize), desgleichen die Croaten, Dalmatiner und Bosnier. Auch die Dänen, Schweden und Magyaren sprechen von Geldstücken (Pfennigen) wenn sie „Geld“ bezeichnen wollen (penge, penningar, penz). Der Araber thut dasselbe, denn sein Ausdruck für Geld „fulus“ bedeutet „Münzen.“ In der Sprache der Bari, die am obern Nil wohnen, heisst naglia, die Glas- perle, zugleich „Geld“ (Fr. Müller in den Wien. Acad.-Schriften, phil. hist. Sect. B. 45, S. 117) und die Nubier nennen das Metallgeld: schongir = „Muschel des Schriftzeichens“ (mit einem Schriftzeichen (Prägung!) versehenes Kauri). **) Die Gewohnheit als Moment der Entstehung des Geldes wird betont von Condillac (Le commerce et le gouvernement, 1776, Part. I, Ch. 14); Le Trosne (de l’intérêt social, 1777, Ch. III, 1).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/272
Zitationshilfe: Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/272>, abgerufen am 28.03.2024.