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Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871.

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Ueber das jedem Zeitalter eigenthümliche Geld.

Das gebildeteste Volk des Alterthumes, die Griechen,
dessen Entwickelungsstufen uns die Geschichte in ziemlich deut-
lichen Umrissen erkennen lässt, zeigt uns denn auch selbst noch
zu den Zeiten Homers in Handel und Wandel keine Spur unseres
heutigen gemünzten Geldes. Jener war noch vorwiegend Tausch-
handel, Heerden bilden den Reichthum der Menschen, in Vieh
werden Zahlungen geleistet, die Preise der Waaren geschätzt
und Strafbussen entrichtet. Noch Drakon legt Viehbussen auf,
welche letztere erst Solon, offenbar nachdem sie sich bereits
überlebt hatten, nach dem Massstabe von einer Drachme
für das Schaf und von fünf Drachmen für das Rind in Metall-
geld umschreibt. Viel deutlicher noch, als bei den Griechen,
lassen sich die Spuren des Viehgeldes bei den Viehzucht trei-

Das gothische "faihu" das angelsächsische "feoh," das nordhumbrische "feh"
und die entsprechenden Ausdrücke in allen übrigen germanischen Mundarten
werden in der wechselnden Bedeutung von Vieh, Vermögen, Geld u. s. f. ge-
braucht (Wackernagel in Haupt's Zeitschrift, IX, p. 549, Note 101; Die-
fenbach
: Vergleichendes Wörterbuch der gothischen Sprache, I, 350 ff.
2, 757; siehe auch die interressante Note in Trench: A select glossary of
english words, p. 30). Jn der lex Fris. add. 11 heisst es: equam vel quamli-
bet pecuniam; im gl. Cassell. F. 12: pecunia fihu. Das altslavische: skotum
= "Vieh" bedeutet in seiner litauischen Diminutivform: skatikas vel skatiks
so viel, wie Groschen. (Nesselmann: Litauisches Wörterbuch). Auf die Her-
leitung des lateinischen pecunia, peculium etc. von pecus, das Vieh, ist be-
reits vielfach hingewiesen worden, desgleichen auf die von Pollux erwähnte
Sage, wornach das älteste Geld der Athener bous geheissen haben solle, eine
Bezeichnung, die sich in dem Sprichworte bous epi glottes erhalten hätte.
Bekannt sind auch die Ausdrücke: Dekaboion, Tesseraboion, Hekatomboion
als Bezeichnungen von Geldbeträgen. Die Ansicht, dass diese Ausdrücke
nicht auf ein ehemals bestandenes Viehgeld, sondern auf das älteste mit Thier-
zeichen versehene Metallgeld zurückzuführen sei, findet sich schon bei Pol-
lux
und Plutarch, neuerdings bei Beule und vielen Neuern. Richtiger
scheint mir indess die Ansicht zu sein, dass bei dem allmäligen Uebergange
von der gewohnten Viehwährung zur Metallwährung der Metallwerth eines
Viehstückes ursprünglich das Nominale der neuen Währung bildete und
daher Ausdrücke, welche Quantitäten von Viehhäuptern bezeichnen, auf
Metallmünzen und Beträge von solchen übertragen wurden. Dass auch im
Arabischen die Begriffe Vieh und Geld verwandt sind, dafür spricht das
Wort "mal," das in der Einzahl Besitzthum, Vieh, in der Mehrzahl (amwal)
Vermögen und Geld bedeutet (Freytag, Arab. Lexik. IV, 221, Maninski
p. 4225.)
Ueber das jedem Zeitalter eigenthümliche Geld.

Das gebildeteste Volk des Alterthumes, die Griechen,
dessen Entwickelungsstufen uns die Geschichte in ziemlich deut-
lichen Umrissen erkennen lässt, zeigt uns denn auch selbst noch
zu den Zeiten Homers in Handel und Wandel keine Spur unseres
heutigen gemünzten Geldes. Jener war noch vorwiegend Tausch-
handel, Heerden bilden den Reichthum der Menschen, in Vieh
werden Zahlungen geleistet, die Preise der Waaren geschätzt
und Strafbussen entrichtet. Noch Drakon legt Viehbussen auf,
welche letztere erst Solon, offenbar nachdem sie sich bereits
überlebt hatten, nach dem Massstabe von einer Drachme
für das Schaf und von fünf Drachmen für das Rind in Metall-
geld umschreibt. Viel deutlicher noch, als bei den Griechen,
lassen sich die Spuren des Viehgeldes bei den Viehzucht trei-

Das gothische „faihu“ das angelsächsische „féoh,“ das nordhumbrische „feh“
und die entsprechenden Ausdrücke in allen übrigen germanischen Mundarten
werden in der wechselnden Bedeutung von Vieh, Vermögen, Geld u. s. f. ge-
braucht (Wackernagel in Haupt’s Zeitschrift, IX, p. 549, Note 101; Die-
fenbach
: Vergleichendes Wörterbuch der gothischen Sprache, I, 350 ff.
2, 757; siehe auch die interressante Note in Trench: A select glossary of
english words, p. 30). Jn der lex Fris. add. 11 heisst es: equam vel quamli-
bet pecuniam; im gl. Cassell. F. 12: pecunia fihu. Das altslavische: skotum
= „Vieh“ bedeutet in seiner litauischen Diminutivform: skatikas vel skatiks
so viel, wie Groschen. (Nesselmann: Litauisches Wörterbuch). Auf die Her-
leitung des lateinischen pecunia, peculium etc. von pecus, das Vieh, ist be-
reits vielfach hingewiesen worden, desgleichen auf die von Pollux erwähnte
Sage, wornach das älteste Geld der Athener βοῦς geheissen haben solle, eine
Bezeichnung, die sich in dem Sprichworte βοῦς ἐπὶ γλώττης erhalten hätte.
Bekannt sind auch die Ausdrücke: Dekaboion, Tesseraboion, Hekatomboion
als Bezeichnungen von Geldbeträgen. Die Ansicht, dass diese Ausdrücke
nicht auf ein ehemals bestandenes Viehgeld, sondern auf das älteste mit Thier-
zeichen versehene Metallgeld zurückzuführen sei, findet sich schon bei Pol-
lux
und Plutarch, neuerdings bei Beulé und vielen Neuern. Richtiger
scheint mir indess die Ansicht zu sein, dass bei dem allmäligen Uebergange
von der gewohnten Viehwährung zur Metallwährung der Metallwerth eines
Viehstückes ursprünglich das Nominale der neuen Währung bildete und
daher Ausdrücke, welche Quantitäten von Viehhäuptern bezeichnen, auf
Metallmünzen und Beträge von solchen übertragen wurden. Dass auch im
Arabischen die Begriffe Vieh und Geld verwandt sind, dafür spricht das
Wort „mâl,“ das in der Einzahl Besitzthum, Vieh, in der Mehrzahl (amwâl)
Vermögen und Geld bedeutet (Freytag, Arab. Lexik. IV, 221, Maninski
p. 4225.)
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[262/0280] Ueber das jedem Zeitalter eigenthümliche Geld. Das gebildeteste Volk des Alterthumes, die Griechen, dessen Entwickelungsstufen uns die Geschichte in ziemlich deut- lichen Umrissen erkennen lässt, zeigt uns denn auch selbst noch zu den Zeiten Homers in Handel und Wandel keine Spur unseres heutigen gemünzten Geldes. Jener war noch vorwiegend Tausch- handel, Heerden bilden den Reichthum der Menschen, in Vieh werden Zahlungen geleistet, die Preise der Waaren geschätzt und Strafbussen entrichtet. Noch Drakon legt Viehbussen auf, welche letztere erst Solon, offenbar nachdem sie sich bereits überlebt hatten, nach dem Massstabe von einer Drachme für das Schaf und von fünf Drachmen für das Rind in Metall- geld umschreibt. Viel deutlicher noch, als bei den Griechen, lassen sich die Spuren des Viehgeldes bei den Viehzucht trei- *) *) Das gothische „faihu“ das angelsächsische „féoh,“ das nordhumbrische „feh“ und die entsprechenden Ausdrücke in allen übrigen germanischen Mundarten werden in der wechselnden Bedeutung von Vieh, Vermögen, Geld u. s. f. ge- braucht (Wackernagel in Haupt’s Zeitschrift, IX, p. 549, Note 101; Die- fenbach: Vergleichendes Wörterbuch der gothischen Sprache, I, 350 ff. 2, 757; siehe auch die interressante Note in Trench: A select glossary of english words, p. 30). Jn der lex Fris. add. 11 heisst es: equam vel quamli- bet pecuniam; im gl. Cassell. F. 12: pecunia fihu. Das altslavische: skotum = „Vieh“ bedeutet in seiner litauischen Diminutivform: skatikas vel skatiks so viel, wie Groschen. (Nesselmann: Litauisches Wörterbuch). Auf die Her- leitung des lateinischen pecunia, peculium etc. von pecus, das Vieh, ist be- reits vielfach hingewiesen worden, desgleichen auf die von Pollux erwähnte Sage, wornach das älteste Geld der Athener βοῦς geheissen haben solle, eine Bezeichnung, die sich in dem Sprichworte βοῦς ἐπὶ γλώττης erhalten hätte. Bekannt sind auch die Ausdrücke: Dekaboion, Tesseraboion, Hekatomboion als Bezeichnungen von Geldbeträgen. Die Ansicht, dass diese Ausdrücke nicht auf ein ehemals bestandenes Viehgeld, sondern auf das älteste mit Thier- zeichen versehene Metallgeld zurückzuführen sei, findet sich schon bei Pol- lux und Plutarch, neuerdings bei Beulé und vielen Neuern. Richtiger scheint mir indess die Ansicht zu sein, dass bei dem allmäligen Uebergange von der gewohnten Viehwährung zur Metallwährung der Metallwerth eines Viehstückes ursprünglich das Nominale der neuen Währung bildete und daher Ausdrücke, welche Quantitäten von Viehhäuptern bezeichnen, auf Metallmünzen und Beträge von solchen übertragen wurden. Dass auch im Arabischen die Begriffe Vieh und Geld verwandt sind, dafür spricht das Wort „mâl,“ das in der Einzahl Besitzthum, Vieh, in der Mehrzahl (amwâl) Vermögen und Geld bedeutet (Freytag, Arab. Lexik. IV, 221, Maninski p. 4225.)

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Zitationshilfe: Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/280>, abgerufen am 23.04.2024.