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Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871.

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Der menschliche Bedarf.
Wer eine Vermehrung seiner Familie, oder eine höhere gesell-
schaftliche Stellung zu erwarten hat, wird bei dem Baue und
der Einrichtung von Wohngebäuden, bei der Anschaffung von
Wagen u. dgl. Gütern von grösserer Dauerhaftigkeit mehr auf
die Steigerung seiner Bedürfnisse in kommenden Zeiträumen ge-
bührende Rücksicht nehmen und der Regel nach, so weit seine
Mittel reichen, nicht nur in einer einzelnen Beziehung, sondern
in Bezug auf seinen Güterbesitz überhaupt, den höheren An-
sprüchen der Zukunft Rechnung zu tragen suchen. Eine analoge
Erscheinung können wir im communalen Leben beobachten. Wir
sehen die Stadtgemeinden: Wasserleitungen, öffentliche Gebäude
(Schulen, Spitäler etc.), Gartenanlagen, Strassen u. dgl. m. nicht
nur mit Rücksicht auf die Bedürfnisse der Gegenwart, sondern
auch mit gebührender Rücksichtsnahme auf die gesteigerten Be-
dürfnisse der Zukunft anlegen, eine Tendenz, welche in der auf die
Befriedigung der staatlichen Bedürfnisse gerichteten Thätigkeit
der Menschen naturgemäss noch deutlicher zu Tage tritt.

Fassen wir das Gesagte zusammen, so ergiebt sich, dass
der Bedarf des Menschen an Genussmitteln eine Grösse ist, deren
quantitativer Bestimmung, mit Rücksicht auf kommende Zeit-
räume, keine principiellen Schwierigkeiten entgegenstehen, eine
Grösse, über welche die Menschen bei der auf die Befriedigung
ihrer Bedürfnisse gerichteten Thätigkeit denn auch thatsächlich
innerhalb der Grenzen der Möglichkeit, und soweit eine practische
Nöthigung hiezu vorliegt, also einerseits mit der Beschränkung
auf jene Zeiträume, auf welche sich ihre Vorsorge jeweilig
erstreckt, andererseits mit der Beschränkung auf jenen Grad
von Genauigkeit, welcher für den practischen Erfolg ihrer Thä-
tigkeit ausreichend ist, zur Klarheit zu gelangen bemüht sind.

b) Der Bedarf an Gütern höherer Ordnung (an Productionsmitteln).

Ist mit Rücksicht auf einen kommenden Zeitraum unser
Bedarf an Gütern erster Ordnung bereits unmittelbar durch
Quantitäten dieser letzteren gedeckt, so kann von einer weitern
Deckung des obigen Bedarfes durch Güter höherer Ordnung
nicht die Rede sein. Ist aber dieser Bedarf durch Güter erster
Ordnung, das ist in unmittelbarer Weise, nicht, oder doch nicht
vollständig gedeckt, so entsteht allerdings für den in Rede

Der menschliche Bedarf.
Wer eine Vermehrung seiner Familie, oder eine höhere gesell-
schaftliche Stellung zu erwarten hat, wird bei dem Baue und
der Einrichtung von Wohngebäuden, bei der Anschaffung von
Wagen u. dgl. Gütern von grösserer Dauerhaftigkeit mehr auf
die Steigerung seiner Bedürfnisse in kommenden Zeiträumen ge-
bührende Rücksicht nehmen und der Regel nach, so weit seine
Mittel reichen, nicht nur in einer einzelnen Beziehung, sondern
in Bezug auf seinen Güterbesitz überhaupt, den höheren An-
sprüchen der Zukunft Rechnung zu tragen suchen. Eine analoge
Erscheinung können wir im communalen Leben beobachten. Wir
sehen die Stadtgemeinden: Wasserleitungen, öffentliche Gebäude
(Schulen, Spitäler etc.), Gartenanlagen, Strassen u. dgl. m. nicht
nur mit Rücksicht auf die Bedürfnisse der Gegenwart, sondern
auch mit gebührender Rücksichtsnahme auf die gesteigerten Be-
dürfnisse der Zukunft anlegen, eine Tendenz, welche in der auf die
Befriedigung der staatlichen Bedürfnisse gerichteten Thätigkeit
der Menschen naturgemäss noch deutlicher zu Tage tritt.

Fassen wir das Gesagte zusammen, so ergiebt sich, dass
der Bedarf des Menschen an Genussmitteln eine Grösse ist, deren
quantitativer Bestimmung, mit Rücksicht auf kommende Zeit-
räume, keine principiellen Schwierigkeiten entgegenstehen, eine
Grösse, über welche die Menschen bei der auf die Befriedigung
ihrer Bedürfnisse gerichteten Thätigkeit denn auch thatsächlich
innerhalb der Grenzen der Möglichkeit, und soweit eine practische
Nöthigung hiezu vorliegt, also einerseits mit der Beschränkung
auf jene Zeiträume, auf welche sich ihre Vorsorge jeweilig
erstreckt, andererseits mit der Beschränkung auf jenen Grad
von Genauigkeit, welcher für den practischen Erfolg ihrer Thä-
tigkeit ausreichend ist, zur Klarheit zu gelangen bemüht sind.

b) Der Bedarf an Gütern höherer Ordnung (an Productionsmitteln).

Ist mit Rücksicht auf einen kommenden Zeitraum unser
Bedarf an Gütern erster Ordnung bereits unmittelbar durch
Quantitäten dieser letzteren gedeckt, so kann von einer weitern
Deckung des obigen Bedarfes durch Güter höherer Ordnung
nicht die Rede sein. Ist aber dieser Bedarf durch Güter erster
Ordnung, das ist in unmittelbarer Weise, nicht, oder doch nicht
vollständig gedeckt, so entsteht allerdings für den in Rede

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[39/0057] Der menschliche Bedarf. Wer eine Vermehrung seiner Familie, oder eine höhere gesell- schaftliche Stellung zu erwarten hat, wird bei dem Baue und der Einrichtung von Wohngebäuden, bei der Anschaffung von Wagen u. dgl. Gütern von grösserer Dauerhaftigkeit mehr auf die Steigerung seiner Bedürfnisse in kommenden Zeiträumen ge- bührende Rücksicht nehmen und der Regel nach, so weit seine Mittel reichen, nicht nur in einer einzelnen Beziehung, sondern in Bezug auf seinen Güterbesitz überhaupt, den höheren An- sprüchen der Zukunft Rechnung zu tragen suchen. Eine analoge Erscheinung können wir im communalen Leben beobachten. Wir sehen die Stadtgemeinden: Wasserleitungen, öffentliche Gebäude (Schulen, Spitäler etc.), Gartenanlagen, Strassen u. dgl. m. nicht nur mit Rücksicht auf die Bedürfnisse der Gegenwart, sondern auch mit gebührender Rücksichtsnahme auf die gesteigerten Be- dürfnisse der Zukunft anlegen, eine Tendenz, welche in der auf die Befriedigung der staatlichen Bedürfnisse gerichteten Thätigkeit der Menschen naturgemäss noch deutlicher zu Tage tritt. Fassen wir das Gesagte zusammen, so ergiebt sich, dass der Bedarf des Menschen an Genussmitteln eine Grösse ist, deren quantitativer Bestimmung, mit Rücksicht auf kommende Zeit- räume, keine principiellen Schwierigkeiten entgegenstehen, eine Grösse, über welche die Menschen bei der auf die Befriedigung ihrer Bedürfnisse gerichteten Thätigkeit denn auch thatsächlich innerhalb der Grenzen der Möglichkeit, und soweit eine practische Nöthigung hiezu vorliegt, also einerseits mit der Beschränkung auf jene Zeiträume, auf welche sich ihre Vorsorge jeweilig erstreckt, andererseits mit der Beschränkung auf jenen Grad von Genauigkeit, welcher für den practischen Erfolg ihrer Thä- tigkeit ausreichend ist, zur Klarheit zu gelangen bemüht sind. b) Der Bedarf an Gütern höherer Ordnung (an Productionsmitteln). Ist mit Rücksicht auf einen kommenden Zeitraum unser Bedarf an Gütern erster Ordnung bereits unmittelbar durch Quantitäten dieser letzteren gedeckt, so kann von einer weitern Deckung des obigen Bedarfes durch Güter höherer Ordnung nicht die Rede sein. Ist aber dieser Bedarf durch Güter erster Ordnung, das ist in unmittelbarer Weise, nicht, oder doch nicht vollständig gedeckt, so entsteht allerdings für den in Rede

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Zitationshilfe: Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/57>, abgerufen am 29.03.2024.