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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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seyn, doch das sind Sie selbst. O, der heutige Tag ist
doch gar zu herrlich! Nicht wahr, Sie sind auch
vergnügt, mein lieber Siegwart? Ein feuriger Kuß
auf ihre Lippen gab ihr die Antwort. -- Wenn
wir doch immer beysammen seyn könnten! fuhr
sie fort; das Tanzen ist mir heut ganz verdrüßlich.
Kaum hatte sie ausgesprochen, so ward sie wieder
aufgezogen. Siegwart ging zu seinem Kronhelm,
der in einer Ecke des Saals wehmüthig und nach-
denklich da saß. -- Wenn nur du auch glücklich
wärest! sagte Siegwart; ich wollt' Alles geben! --
Lieber Schwager! -- sagte Kronhelm, und küßte
ihn. Da hab ich einen Gedanken, den ich, glaub
ich, Morgen oder Uebermorgen ausführe. Jch will
nach München zu meinem Onkel; du must auch
mit! -- Und was da machen? -- Um Theresen
anhalten. Er kann und wird sich meiner anneh-
men! Von ihm kann ichs ganz allein erwarten.
So halt ichs nicht länger aus. Dein Glück hat
alle meine Empfindungen wieder aufgeweckt; ich
fühle meinen Verlust wieder stärker, und mein Zu-
stand wird mir unerträglich. Nicht wahr, Bru-
der, du gehst mit mir? Du must bitten helfen.
Er wird deine Schwester auch um deinetwillen

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ſeyn, doch das ſind Sie ſelbſt. O, der heutige Tag iſt
doch gar zu herrlich! Nicht wahr, Sie ſind auch
vergnuͤgt, mein lieber Siegwart? Ein feuriger Kuß
auf ihre Lippen gab ihr die Antwort. — Wenn
wir doch immer beyſammen ſeyn koͤnnten! fuhr
ſie fort; das Tanzen iſt mir heut ganz verdruͤßlich.
Kaum hatte ſie ausgeſprochen, ſo ward ſie wieder
aufgezogen. Siegwart ging zu ſeinem Kronhelm,
der in einer Ecke des Saals wehmuͤthig und nach-
denklich da ſaß. — Wenn nur du auch gluͤcklich
waͤreſt! ſagte Siegwart; ich wollt’ Alles geben! —
Lieber Schwager! — ſagte Kronhelm, und kuͤßte
ihn. Da hab ich einen Gedanken, den ich, glaub
ich, Morgen oder Uebermorgen ausfuͤhre. Jch will
nach Muͤnchen zu meinem Onkel; du muſt auch
mit! — Und was da machen? — Um Thereſen
anhalten. Er kann und wird ſich meiner anneh-
men! Von ihm kann ichs ganz allein erwarten.
So halt ichs nicht laͤnger aus. Dein Gluͤck hat
alle meine Empfindungen wieder aufgeweckt; ich
fuͤhle meinen Verluſt wieder ſtaͤrker, und mein Zu-
ſtand wird mir unertraͤglich. Nicht wahr, Bru-
der, du gehſt mit mir? Du muſt bitten helfen.
Er wird deine Schweſter auch um deinetwillen

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[697/0277] ſeyn, doch das ſind Sie ſelbſt. O, der heutige Tag iſt doch gar zu herrlich! Nicht wahr, Sie ſind auch vergnuͤgt, mein lieber Siegwart? Ein feuriger Kuß auf ihre Lippen gab ihr die Antwort. — Wenn wir doch immer beyſammen ſeyn koͤnnten! fuhr ſie fort; das Tanzen iſt mir heut ganz verdruͤßlich. Kaum hatte ſie ausgeſprochen, ſo ward ſie wieder aufgezogen. Siegwart ging zu ſeinem Kronhelm, der in einer Ecke des Saals wehmuͤthig und nach- denklich da ſaß. — Wenn nur du auch gluͤcklich waͤreſt! ſagte Siegwart; ich wollt’ Alles geben! — Lieber Schwager! — ſagte Kronhelm, und kuͤßte ihn. Da hab ich einen Gedanken, den ich, glaub ich, Morgen oder Uebermorgen ausfuͤhre. Jch will nach Muͤnchen zu meinem Onkel; du muſt auch mit! — Und was da machen? — Um Thereſen anhalten. Er kann und wird ſich meiner anneh- men! Von ihm kann ichs ganz allein erwarten. So halt ichs nicht laͤnger aus. Dein Gluͤck hat alle meine Empfindungen wieder aufgeweckt; ich fuͤhle meinen Verluſt wieder ſtaͤrker, und mein Zu- ſtand wird mir unertraͤglich. Nicht wahr, Bru- der, du gehſt mit mir? Du muſt bitten helfen. Er wird deine Schweſter auch um deinetwillen Y y

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 697. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/277>, abgerufen am 28.03.2024.