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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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ihn dafür belohnen! Jch hab ein paar Blätter Pa-
pier! Morgen, wenn er mich holt, will ichs ihm
zustecken. Geb er sie, sobald als möglich, meinem
jüngern Bruder. -- Aber, ich bitt ihn um Got-
teswillen, laß ers sonst keinen Menschen sehen!
Jch würde unglücklich! -- Jch schwörs Jhnen bey
allen Heiligen! -- Nun gieng er wieder. --

Jn Gottes Namen will ich den Brief meinem
Bruder überliefern. Jch hoff, er stellt dir ihn zu.
So weist du doch etwas von mir. Wo nicht, so
ist nicht viel verdorben. Denn was ich geschrieben
habe, wissen sie alle schon vorher.

Und so soll ich denn aus einer Welt, wo du bist,
mein Geliebtester? Gott! wer hätte das je gedacht!
Er, der bisher mich unterstützt hat, daß es nicht
gar aus mit mir ist, unterstütz auch dich, du
Theurer, dem ich bis ans Ende meines Lebens treu
bleibe. Du siehst, daß ich nicht anders handeln
konnte; denn dem Hofrath meine Hand geben, wä-
re mehr, als Tod und Trennung. Wer weiß,
wann wir uns wiedersehen? Jn der Ewigkeit ge-
wiß. Diese sey dein Augenpunkt in allen Leiden,
so wie er meiner auch ist! Hoffe nichts auf dieser Welt,
und alles in der Ewigkeit! Es kommt ein Tag,
an dem wir nicht mehr weinen werden. Denk



ihn dafuͤr belohnen! Jch hab ein paar Blaͤtter Pa-
pier! Morgen, wenn er mich holt, will ichs ihm
zuſtecken. Geb er ſie, ſobald als moͤglich, meinem
juͤngern Bruder. — Aber, ich bitt ihn um Got-
teswillen, laß ers ſonſt keinen Menſchen ſehen!
Jch wuͤrde ungluͤcklich! — Jch ſchwoͤrs Jhnen bey
allen Heiligen! — Nun gieng er wieder. —

Jn Gottes Namen will ich den Brief meinem
Bruder uͤberliefern. Jch hoff, er ſtellt dir ihn zu.
So weiſt du doch etwas von mir. Wo nicht, ſo
iſt nicht viel verdorben. Denn was ich geſchrieben
habe, wiſſen ſie alle ſchon vorher.

Und ſo ſoll ich denn aus einer Welt, wo du biſt,
mein Geliebteſter? Gott! wer haͤtte das je gedacht!
Er, der bisher mich unterſtuͤtzt hat, daß es nicht
gar aus mit mir iſt, unterſtuͤtz auch dich, du
Theurer, dem ich bis ans Ende meines Lebens treu
bleibe. Du ſiehſt, daß ich nicht anders handeln
konnte; denn dem Hofrath meine Hand geben, waͤ-
re mehr, als Tod und Trennung. Wer weiß,
wann wir uns wiederſehen? Jn der Ewigkeit ge-
wiß. Dieſe ſey dein Augenpunkt in allen Leiden,
ſo wie er meiner auch iſt! Hoffe nichts auf dieſer Welt,
und alles in der Ewigkeit! Es kommt ein Tag,
an dem wir nicht mehr weinen werden. Denk

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[912/0492] ihn dafuͤr belohnen! Jch hab ein paar Blaͤtter Pa- pier! Morgen, wenn er mich holt, will ichs ihm zuſtecken. Geb er ſie, ſobald als moͤglich, meinem juͤngern Bruder. — Aber, ich bitt ihn um Got- teswillen, laß ers ſonſt keinen Menſchen ſehen! Jch wuͤrde ungluͤcklich! — Jch ſchwoͤrs Jhnen bey allen Heiligen! — Nun gieng er wieder. — Jn Gottes Namen will ich den Brief meinem Bruder uͤberliefern. Jch hoff, er ſtellt dir ihn zu. So weiſt du doch etwas von mir. Wo nicht, ſo iſt nicht viel verdorben. Denn was ich geſchrieben habe, wiſſen ſie alle ſchon vorher. Und ſo ſoll ich denn aus einer Welt, wo du biſt, mein Geliebteſter? Gott! wer haͤtte das je gedacht! Er, der bisher mich unterſtuͤtzt hat, daß es nicht gar aus mit mir iſt, unterſtuͤtz auch dich, du Theurer, dem ich bis ans Ende meines Lebens treu bleibe. Du ſiehſt, daß ich nicht anders handeln konnte; denn dem Hofrath meine Hand geben, waͤ- re mehr, als Tod und Trennung. Wer weiß, wann wir uns wiederſehen? Jn der Ewigkeit ge- wiß. Dieſe ſey dein Augenpunkt in allen Leiden, ſo wie er meiner auch iſt! Hoffe nichts auf dieſer Welt, und alles in der Ewigkeit! Es kommt ein Tag, an dem wir nicht mehr weinen werden. Denk

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 912. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/492>, abgerufen am 19.04.2024.