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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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Der Wirth muß vorauf.

Jch werde mich wenigstens an diese Mode nicht keh-
ren, und noch weniger meine Eigenliebe aus Eigenliebe
zu verbergen suchen. Vernunft gehört freylich mit da-
zu, aber wem diese fehlt, der thut am besten ganz zu
schweigen. etc.


XXVI.
Der Wirth muß vorauf.


Von einer Landwirthinn.

Sie wundern sich, daß meine Leute noch keinen Coffee
trinken und überhaupt so ordentlich sind? O! mein
liebes Kind, ich kann was ich will, und der Henker sollte
mir den Dienstboten holen, der mir ein einziges Mal über
die Schnur hiebe. Ordnung im Haushalt ist keine Hexe-
rey, und ich habe ein so sicheres Mittel meine Leute vom
Coffee abzuhalten, daß ich alles in der Welt darauf wet-
ten will, sie trinken ihn nicht. Das schnackigtste aber
ist, daß ich dieses Mittel von meiner Viehmagd gelernt
habe. Diese wollte, wie ich meinen Mann geheyrathet
hatte, und wir unsre Pachtung antraten, nicht früh ge-
nug aufstehen, und wie ich sie darüber zur Rede stellete,
gab sie mir zur Antwort: By Us moet der Werth vorup.
Dies schallere mir durch die Ohren, und auf einmal er-
leuchtet fühlte ich die ganze Wahrheit, daß alles in der
Haushaltung durch einen guten Vorgang gezwungen
werden müsse, und daß es eine Thorheit sey, sich um
acht Uhr aus dem Bette zum Coffee wecken zu lassen, und
von dem Gesinde zu fordern, daß es um drey Uhr an der

Arbeit
G 4
Der Wirth muß vorauf.

Jch werde mich wenigſtens an dieſe Mode nicht keh-
ren, und noch weniger meine Eigenliebe aus Eigenliebe
zu verbergen ſuchen. Vernunft gehoͤrt freylich mit da-
zu, aber wem dieſe fehlt, der thut am beſten ganz zu
ſchweigen. ꝛc.


XXVI.
Der Wirth muß vorauf.


Von einer Landwirthinn.

Sie wundern ſich, daß meine Leute noch keinen Coffee
trinken und uͤberhaupt ſo ordentlich ſind? O! mein
liebes Kind, ich kann was ich will, und der Henker ſollte
mir den Dienſtboten holen, der mir ein einziges Mal uͤber
die Schnur hiebe. Ordnung im Haushalt iſt keine Hexe-
rey, und ich habe ein ſo ſicheres Mittel meine Leute vom
Coffee abzuhalten, daß ich alles in der Welt darauf wet-
ten will, ſie trinken ihn nicht. Das ſchnackigtſte aber
iſt, daß ich dieſes Mittel von meiner Viehmagd gelernt
habe. Dieſe wollte, wie ich meinen Mann geheyrathet
hatte, und wir unſre Pachtung antraten, nicht fruͤh ge-
nug aufſtehen, und wie ich ſie daruͤber zur Rede ſtellete,
gab ſie mir zur Antwort: By Us moet der Werth vorup.
Dies ſchallere mir durch die Ohren, und auf einmal er-
leuchtet fuͤhlte ich die ganze Wahrheit, daß alles in der
Haushaltung durch einen guten Vorgang gezwungen
werden muͤſſe, und daß es eine Thorheit ſey, ſich um
acht Uhr aus dem Bette zum Coffee wecken zu laſſen, und
von dem Geſinde zu fordern, daß es um drey Uhr an der

Arbeit
G 4
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[103/0115] Der Wirth muß vorauf. Jch werde mich wenigſtens an dieſe Mode nicht keh- ren, und noch weniger meine Eigenliebe aus Eigenliebe zu verbergen ſuchen. Vernunft gehoͤrt freylich mit da- zu, aber wem dieſe fehlt, der thut am beſten ganz zu ſchweigen. ꝛc. XXVI. Der Wirth muß vorauf. Von einer Landwirthinn. Sie wundern ſich, daß meine Leute noch keinen Coffee trinken und uͤberhaupt ſo ordentlich ſind? O! mein liebes Kind, ich kann was ich will, und der Henker ſollte mir den Dienſtboten holen, der mir ein einziges Mal uͤber die Schnur hiebe. Ordnung im Haushalt iſt keine Hexe- rey, und ich habe ein ſo ſicheres Mittel meine Leute vom Coffee abzuhalten, daß ich alles in der Welt darauf wet- ten will, ſie trinken ihn nicht. Das ſchnackigtſte aber iſt, daß ich dieſes Mittel von meiner Viehmagd gelernt habe. Dieſe wollte, wie ich meinen Mann geheyrathet hatte, und wir unſre Pachtung antraten, nicht fruͤh ge- nug aufſtehen, und wie ich ſie daruͤber zur Rede ſtellete, gab ſie mir zur Antwort: By Us moet der Werth vorup. Dies ſchallere mir durch die Ohren, und auf einmal er- leuchtet fuͤhlte ich die ganze Wahrheit, daß alles in der Haushaltung durch einen guten Vorgang gezwungen werden muͤſſe, und daß es eine Thorheit ſey, ſich um acht Uhr aus dem Bette zum Coffee wecken zu laſſen, und von dem Geſinde zu fordern, daß es um drey Uhr an der Arbeit G 4

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/115>, abgerufen am 28.03.2024.