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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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Die Bekehrung im Alter.
er seine Zeit nicht verliert, und sie nicht in vergänglichen
Lustbarkeiten verschwendet. Allein wenn er geitzig wer-
den soll, so muß er erst reich werden; es muß sich äußern
wenn er die große Erbschaft an seinen Bruder thut.

Die Prophezeyung ist eingetroffen, Petron hat die
Erbschaft von seinen Bruder gethan, und ist auf einmal
so geitzig geworden, als er in seiner Jugend verschwen-
drisch gewesen ist. Wäre seine Frömmigkeit rechtschaffen
gewesen, so müßte sie alle Proben ausgehalten haben.
So aber hat sie nicht einmal dem allerschwächsten Angrif
widerstehen können; denn wenn ein verschwendrisches
Naturell nicht einmal den Leckereyen des Reichthums in
seinem Alter begegnen kann, so muß die Ohnmacht ganz
erstaunend seyn; ist aber die Ohnmacht so groß, so ist es
gewiß keine Kraft, sondern eine Faulheit gewesen, die
ihn bekehret hat.


L.
Eine kurze Nachricht von den Westphäli-
schen Freygerichten.

Die Freygrafen und Freyschöpfen in Westphalen, wel-
che sich zu Anfange des funfzehnten Jahrhunderts
so berühmt und fürchterlich machten, daß es wenig fehlte,
oder man hätte gegen sie wie gegen die Tempelherrn ver-
fahren müssen, sind zwar in der Geschichte noch unver-
gessen, aber doch vielleicht manchem unter uns nicht so
bekannt, wie es eine solche Nationalsache verdient. Jch
will also denen zu gefallen, die sich lieber aus einem Ta-
schencalender, als aus großen gelehrten Werken unter-
richten, eine kurze Nachricht von ihnen geben.

Jhren
Mösers patr. Phantas. IV. Th. N

Die Bekehrung im Alter.
er ſeine Zeit nicht verliert, und ſie nicht in vergaͤnglichen
Luſtbarkeiten verſchwendet. Allein wenn er geitzig wer-
den ſoll, ſo muß er erſt reich werden; es muß ſich aͤußern
wenn er die große Erbſchaft an ſeinen Bruder thut.

Die Prophezeyung iſt eingetroffen, Petron hat die
Erbſchaft von ſeinen Bruder gethan, und iſt auf einmal
ſo geitzig geworden, als er in ſeiner Jugend verſchwen-
driſch geweſen iſt. Waͤre ſeine Froͤmmigkeit rechtſchaffen
geweſen, ſo muͤßte ſie alle Proben ausgehalten haben.
So aber hat ſie nicht einmal dem allerſchwaͤchſten Angrif
widerſtehen koͤnnen; denn wenn ein verſchwendriſches
Naturell nicht einmal den Leckereyen des Reichthums in
ſeinem Alter begegnen kann, ſo muß die Ohnmacht ganz
erſtaunend ſeyn; iſt aber die Ohnmacht ſo groß, ſo iſt es
gewiß keine Kraft, ſondern eine Faulheit geweſen, die
ihn bekehret hat.


L.
Eine kurze Nachricht von den Weſtphaͤli-
ſchen Freygerichten.

Die Freygrafen und Freyſchoͤpfen in Weſtphalen, wel-
che ſich zu Anfange des funfzehnten Jahrhunderts
ſo beruͤhmt und fuͤrchterlich machten, daß es wenig fehlte,
oder man haͤtte gegen ſie wie gegen die Tempelherrn ver-
fahren muͤſſen, ſind zwar in der Geſchichte noch unver-
geſſen, aber doch vielleicht manchem unter uns nicht ſo
bekannt, wie es eine ſolche Nationalſache verdient. Jch
will alſo denen zu gefallen, die ſich lieber aus einem Ta-
ſchencalender, als aus großen gelehrten Werken unter-
richten, eine kurze Nachricht von ihnen geben.

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[193/0205] Die Bekehrung im Alter. er ſeine Zeit nicht verliert, und ſie nicht in vergaͤnglichen Luſtbarkeiten verſchwendet. Allein wenn er geitzig wer- den ſoll, ſo muß er erſt reich werden; es muß ſich aͤußern wenn er die große Erbſchaft an ſeinen Bruder thut. Die Prophezeyung iſt eingetroffen, Petron hat die Erbſchaft von ſeinen Bruder gethan, und iſt auf einmal ſo geitzig geworden, als er in ſeiner Jugend verſchwen- driſch geweſen iſt. Waͤre ſeine Froͤmmigkeit rechtſchaffen geweſen, ſo muͤßte ſie alle Proben ausgehalten haben. So aber hat ſie nicht einmal dem allerſchwaͤchſten Angrif widerſtehen koͤnnen; denn wenn ein verſchwendriſches Naturell nicht einmal den Leckereyen des Reichthums in ſeinem Alter begegnen kann, ſo muß die Ohnmacht ganz erſtaunend ſeyn; iſt aber die Ohnmacht ſo groß, ſo iſt es gewiß keine Kraft, ſondern eine Faulheit geweſen, die ihn bekehret hat. L. Eine kurze Nachricht von den Weſtphaͤli- ſchen Freygerichten. Die Freygrafen und Freyſchoͤpfen in Weſtphalen, wel- che ſich zu Anfange des funfzehnten Jahrhunderts ſo beruͤhmt und fuͤrchterlich machten, daß es wenig fehlte, oder man haͤtte gegen ſie wie gegen die Tempelherrn ver- fahren muͤſſen, ſind zwar in der Geſchichte noch unver- geſſen, aber doch vielleicht manchem unter uns nicht ſo bekannt, wie es eine ſolche Nationalſache verdient. Jch will alſo denen zu gefallen, die ſich lieber aus einem Ta- ſchencalender, als aus großen gelehrten Werken unter- richten, eine kurze Nachricht von ihnen geben. Jhren Moͤſers patr. Phantaſ. IV. Th. N

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/205>, abgerufen am 18.04.2024.