Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite
b. Positives Staatsrecht.
§ 50.
1. Begriff, Zweck und Arten des positiven Staatsrechtes.

Nicht blos die aus dem Wesen des Staates und aus den
verschiedenen möglichen Auffassungen des Grundgedankens mittelst
logischer Schlußfolgerungen abzuleitenden Rechtssätze lassen eine
wissenschaftliche Behandlung zu und erfordern eine solche; sondern
es ist dies auch der Fall hinsichtlich derjenigen Normen, welche
in einem bestimmten einzelnen Staate zur Regelung
desselben von einer zuständigen Auctorität ausge-
sprochen sind. Für die Ordnung des wirklichen Lebens genügen
die Sätze des philosophischen Staatsrechtes nicht. Theils sind
sie nicht immer zweifellos; theils steigen sie nicht in alle Ein-
zelheiten der täglichen Vorfälle herab; theils und hauptsächlich
aber haben sie nur eine logische Wahrheit, aber keine zwingende
äußere Gewalt. Es bedarf also eines bestimmt ausgesprochenen,
ausführlichen und äußerlich gültigen Rechtes. Auch dieses kann
und muß denn aber wissenschaftlich bearbeitet werden, d. h. es
sind dessen oberste Grundsätze und leitende Regeln aufzufinden,
die Folgesätze aus denselben zu ziehen, und ist das Ganze in
eine systematische Ordnung zu bringen. Eine solche Behandlung
ergibt denn aber eine eigene Abtheilung der Staatswissenschaften,
das positive Staatsrecht, welches folglich ist: die syste-
matische Darstellung sämmtlicher das innere Leben eines, einiger
oder aller in der Wirklichkeit bestehenden Staaten ordnen-
den, von einer zuständigen Auctorität ausgehenden Rechtssätze.

b. Poſitives Staatsrecht.
§ 50.
1. Begriff, Zweck und Arten des poſitiven Staatsrechtes.

Nicht blos die aus dem Weſen des Staates und aus den
verſchiedenen möglichen Auffaſſungen des Grundgedankens mittelſt
logiſcher Schlußfolgerungen abzuleitenden Rechtsſätze laſſen eine
wiſſenſchaftliche Behandlung zu und erfordern eine ſolche; ſondern
es iſt dies auch der Fall hinſichtlich derjenigen Normen, welche
in einem beſtimmten einzelnen Staate zur Regelung
deſſelben von einer zuſtändigen Auctorität ausge-
ſprochen ſind. Für die Ordnung des wirklichen Lebens genügen
die Sätze des philoſophiſchen Staatsrechtes nicht. Theils ſind
ſie nicht immer zweifellos; theils ſteigen ſie nicht in alle Ein-
zelheiten der täglichen Vorfälle herab; theils und hauptſächlich
aber haben ſie nur eine logiſche Wahrheit, aber keine zwingende
äußere Gewalt. Es bedarf alſo eines beſtimmt ausgeſprochenen,
ausführlichen und äußerlich gültigen Rechtes. Auch dieſes kann
und muß denn aber wiſſenſchaftlich bearbeitet werden, d. h. es
ſind deſſen oberſte Grundſätze und leitende Regeln aufzufinden,
die Folgeſätze aus denſelben zu ziehen, und iſt das Ganze in
eine ſyſtematiſche Ordnung zu bringen. Eine ſolche Behandlung
ergibt denn aber eine eigene Abtheilung der Staatswiſſenſchaften,
das poſitive Staatsrecht, welches folglich iſt: die ſyſte-
matiſche Darſtellung ſämmtlicher das innere Leben eines, einiger
oder aller in der Wirklichkeit beſtehenden Staaten ordnen-
den, von einer zuſtändigen Auctorität ausgehenden Rechtsſätze.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0391" n="[377]"/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">b.</hi><hi rendition="#g">Po&#x017F;itives Staatsrecht</hi>.</hi> </head><lb/>
              <div n="5">
                <head>§ 50.<lb/><hi rendition="#b">1. Begriff, Zweck und Arten des po&#x017F;itiven Staatsrechtes.</hi></head><lb/>
                <p>Nicht blos die aus dem We&#x017F;en des Staates und aus den<lb/>
ver&#x017F;chiedenen möglichen Auffa&#x017F;&#x017F;ungen des Grundgedankens mittel&#x017F;t<lb/>
logi&#x017F;cher Schlußfolgerungen abzuleitenden Rechts&#x017F;ätze la&#x017F;&#x017F;en eine<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftliche Behandlung zu und erfordern eine &#x017F;olche; &#x017F;ondern<lb/>
es i&#x017F;t dies auch der Fall hin&#x017F;ichtlich derjenigen Normen, welche<lb/>
in einem <hi rendition="#g">be&#x017F;timmten einzelnen Staate</hi> zur Regelung<lb/>
de&#x017F;&#x017F;elben <hi rendition="#g">von einer zu&#x017F;tändigen Auctorität</hi> ausge-<lb/>
&#x017F;prochen &#x017F;ind. Für die Ordnung des wirklichen Lebens genügen<lb/>
die Sätze des philo&#x017F;ophi&#x017F;chen Staatsrechtes nicht. Theils &#x017F;ind<lb/>
&#x017F;ie nicht immer zweifellos; theils &#x017F;teigen &#x017F;ie nicht in alle Ein-<lb/>
zelheiten der täglichen Vorfälle herab; theils und haupt&#x017F;ächlich<lb/>
aber haben &#x017F;ie nur eine logi&#x017F;che Wahrheit, aber keine zwingende<lb/>
äußere Gewalt. Es bedarf al&#x017F;o eines be&#x017F;timmt ausge&#x017F;prochenen,<lb/>
ausführlichen und äußerlich gültigen Rechtes. Auch die&#x017F;es kann<lb/>
und muß denn aber wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlich bearbeitet werden, d. h. es<lb/>
&#x017F;ind de&#x017F;&#x017F;en ober&#x017F;te Grund&#x017F;ätze und leitende Regeln aufzufinden,<lb/>
die Folge&#x017F;ätze aus den&#x017F;elben zu ziehen, und i&#x017F;t das Ganze in<lb/>
eine &#x017F;y&#x017F;temati&#x017F;che Ordnung zu bringen. Eine &#x017F;olche Behandlung<lb/>
ergibt denn aber eine eigene Abtheilung der Staatswi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften,<lb/>
das <hi rendition="#g">po&#x017F;itive Staatsrecht</hi>, welches folglich i&#x017F;t: die &#x017F;y&#x017F;te-<lb/>
mati&#x017F;che Dar&#x017F;tellung &#x017F;ämmtlicher das innere Leben eines, einiger<lb/>
oder aller in der Wirklichkeit be&#x017F;tehenden Staaten ordnen-<lb/>
den, von einer zu&#x017F;tändigen Auctorität ausgehenden Rechts&#x017F;ätze.</p><lb/>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[377]/0391] b. Poſitives Staatsrecht. § 50. 1. Begriff, Zweck und Arten des poſitiven Staatsrechtes. Nicht blos die aus dem Weſen des Staates und aus den verſchiedenen möglichen Auffaſſungen des Grundgedankens mittelſt logiſcher Schlußfolgerungen abzuleitenden Rechtsſätze laſſen eine wiſſenſchaftliche Behandlung zu und erfordern eine ſolche; ſondern es iſt dies auch der Fall hinſichtlich derjenigen Normen, welche in einem beſtimmten einzelnen Staate zur Regelung deſſelben von einer zuſtändigen Auctorität ausge- ſprochen ſind. Für die Ordnung des wirklichen Lebens genügen die Sätze des philoſophiſchen Staatsrechtes nicht. Theils ſind ſie nicht immer zweifellos; theils ſteigen ſie nicht in alle Ein- zelheiten der täglichen Vorfälle herab; theils und hauptſächlich aber haben ſie nur eine logiſche Wahrheit, aber keine zwingende äußere Gewalt. Es bedarf alſo eines beſtimmt ausgeſprochenen, ausführlichen und äußerlich gültigen Rechtes. Auch dieſes kann und muß denn aber wiſſenſchaftlich bearbeitet werden, d. h. es ſind deſſen oberſte Grundſätze und leitende Regeln aufzufinden, die Folgeſätze aus denſelben zu ziehen, und iſt das Ganze in eine ſyſtematiſche Ordnung zu bringen. Eine ſolche Behandlung ergibt denn aber eine eigene Abtheilung der Staatswiſſenſchaften, das poſitive Staatsrecht, welches folglich iſt: die ſyſte- matiſche Darſtellung ſämmtlicher das innere Leben eines, einiger oder aller in der Wirklichkeit beſtehenden Staaten ordnen- den, von einer zuſtändigen Auctorität ausgehenden Rechtsſätze.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/391
Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. [377]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/391>, abgerufen am 28.03.2024.