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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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sämmtlichen übrigen Schriftsteller der bewußten Meinung gewesen seien,
Lehren aufzustellen, welche gleichmäßige Anwendung in verschiedenen Gat-
tungen von Staaten erleiden können; vielmehr sind sie häufig wohl davon
ausgegangen, daß überhaupt nur ein einziger Begriff vom Staate sich ver-
theidigen lasse, und also auch nur dieser eine wissenschaftliche Politik be-
dürfe und verdiene. Obgleich sie also, formell, ganz allgemein vom Staate
reden, haben sie doch in der That nur eine bestimmte Art desselben im
Auge. Der für die Anwendung im Leben sich ergebende Nachtheil ist freilich
derselbe, ob die ungebührliche Verallgemeinerung politischer Lehren auf
einem Irrthume über das Wesen des Staates oder aus Gedankenlosigkeit
hinsichtlich des Verhältnisses von Mittel und Zweck entspringt.
§ 87.
4. Literatur der Politik.

Die Zahl der über Gegenstände der Staatskunst geschrie-
benen Werke ist außerordentlich groß, weniger jedoch an ganzen
Systemen, als an Bearbeitungen einzelner Abtheilungen und
Fragen. An ausführlichen literargeschichtlichen und bibliogra-
phischen Hülfsmitteln gebricht es 1).

Die nachstehenden Mittheilungen haben den Zweck, die
vorzüglichsten Arbeiten hervorzuheben, jedoch nur solche, welche
das gesammte Gebiet der Politik zum Gegenstande haben. Be-
arbeitungen einzelner Abtheilungen der Staatskunst werden bei
diesen selbst angeführt.

I. Systeme.

1. Auf den Grundlage der antiken Staats-
ansicht
.

Zwar sind lange nicht alle von Griechen und Römern
verfaßte Schriften über Staatskunst auf uns gekommen; den-
noch vermögen wir uns durch die Schriften Platon's und
Aristoteles' einen genügenden Begriff von der antiken Be-
handlungsart der Wissenschaft zu machen, und ist namentlich
in der Politik des Aristoteles ein für alle Zeiten gültiges
Meisterwerk erhalten. Sowohl das Bezeichnende dieser Arbeiten

ſämmtlichen übrigen Schriftſteller der bewußten Meinung geweſen ſeien,
Lehren aufzuſtellen, welche gleichmäßige Anwendung in verſchiedenen Gat-
tungen von Staaten erleiden können; vielmehr ſind ſie häufig wohl davon
ausgegangen, daß überhaupt nur ein einziger Begriff vom Staate ſich ver-
theidigen laſſe, und alſo auch nur dieſer eine wiſſenſchaftliche Politik be-
dürfe und verdiene. Obgleich ſie alſo, formell, ganz allgemein vom Staate
reden, haben ſie doch in der That nur eine beſtimmte Art deſſelben im
Auge. Der für die Anwendung im Leben ſich ergebende Nachtheil iſt freilich
derſelbe, ob die ungebührliche Verallgemeinerung politiſcher Lehren auf
einem Irrthume über das Weſen des Staates oder aus Gedankenloſigkeit
hinſichtlich des Verhältniſſes von Mittel und Zweck entſpringt.
§ 87.
4. Literatur der Politik.

Die Zahl der über Gegenſtände der Staatskunſt geſchrie-
benen Werke iſt außerordentlich groß, weniger jedoch an ganzen
Syſtemen, als an Bearbeitungen einzelner Abtheilungen und
Fragen. An ausführlichen literargeſchichtlichen und bibliogra-
phiſchen Hülfsmitteln gebricht es 1).

Die nachſtehenden Mittheilungen haben den Zweck, die
vorzüglichſten Arbeiten hervorzuheben, jedoch nur ſolche, welche
das geſammte Gebiet der Politik zum Gegenſtande haben. Be-
arbeitungen einzelner Abtheilungen der Staatskunſt werden bei
dieſen ſelbſt angeführt.

I. Syſteme.

1. Auf den Grundlage der antiken Staats-
anſicht
.

Zwar ſind lange nicht alle von Griechen und Römern
verfaßte Schriften über Staatskunſt auf uns gekommen; den-
noch vermögen wir uns durch die Schriften Platon’s und
Ariſtoteles’ einen genügenden Begriff von der antiken Be-
handlungsart der Wiſſenſchaft zu machen, und iſt namentlich
in der Politik des Ariſtoteles ein für alle Zeiten gültiges
Meiſterwerk erhalten. Sowohl das Bezeichnende dieſer Arbeiten

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[555/0569] ¹⁾ ſämmtlichen übrigen Schriftſteller der bewußten Meinung geweſen ſeien, Lehren aufzuſtellen, welche gleichmäßige Anwendung in verſchiedenen Gat- tungen von Staaten erleiden können; vielmehr ſind ſie häufig wohl davon ausgegangen, daß überhaupt nur ein einziger Begriff vom Staate ſich ver- theidigen laſſe, und alſo auch nur dieſer eine wiſſenſchaftliche Politik be- dürfe und verdiene. Obgleich ſie alſo, formell, ganz allgemein vom Staate reden, haben ſie doch in der That nur eine beſtimmte Art deſſelben im Auge. Der für die Anwendung im Leben ſich ergebende Nachtheil iſt freilich derſelbe, ob die ungebührliche Verallgemeinerung politiſcher Lehren auf einem Irrthume über das Weſen des Staates oder aus Gedankenloſigkeit hinſichtlich des Verhältniſſes von Mittel und Zweck entſpringt. § 87. 4. Literatur der Politik. Die Zahl der über Gegenſtände der Staatskunſt geſchrie- benen Werke iſt außerordentlich groß, weniger jedoch an ganzen Syſtemen, als an Bearbeitungen einzelner Abtheilungen und Fragen. An ausführlichen literargeſchichtlichen und bibliogra- phiſchen Hülfsmitteln gebricht es 1). Die nachſtehenden Mittheilungen haben den Zweck, die vorzüglichſten Arbeiten hervorzuheben, jedoch nur ſolche, welche das geſammte Gebiet der Politik zum Gegenſtande haben. Be- arbeitungen einzelner Abtheilungen der Staatskunſt werden bei dieſen ſelbſt angeführt. I. Syſteme. 1. Auf den Grundlage der antiken Staats- anſicht. Zwar ſind lange nicht alle von Griechen und Römern verfaßte Schriften über Staatskunſt auf uns gekommen; den- noch vermögen wir uns durch die Schriften Platon’s und Ariſtoteles’ einen genügenden Begriff von der antiken Be- handlungsart der Wiſſenſchaft zu machen, und iſt namentlich in der Politik des Ariſtoteles ein für alle Zeiten gültiges Meiſterwerk erhalten. Sowohl das Bezeichnende dieſer Arbeiten

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 555. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/569>, abgerufen am 23.04.2024.