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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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sammlung Ordnung und Durchsichtigkeit in den Staatshaushalt, was ebenfalls
ein großer Vortheil ist; und es soll auch nicht geläugnet werden, daß sie
wahnsinnige und gewissenlose Verschwendung, wie solche zuweilen in unbe-
schränkten Fürstenthümern gesehen wird, nicht aufkommen läßt: allein beides
ist wohl vereinbar mit einem beständigen Steigen der regelmäßigen und
nothwendigen Staatseinnahmen. Absolut wohlfeil mag eine Patriarchie,
ein Patrimonialstaat, selbst eine Despotie sein; allein in demselben Ver-
hältnisse leisten sie auch wenig.
II. Innere Politik.
1. Verfassungspolitik.
§ 91.
a. Berücksichtigung der geistigen und sachlichen Bedingungen der concreten
Staatsart.

Auch abgesehen davon, daß die rechtliche Begründung
einer Verfassung überhaupt bedingt ist durch das Vorhandensein
einer bestimmten Gesittigung und des daraus entspringenden
Lebenszweckes des Volkes, setzt das Bestehen und Gedeihen
einer Staatseinrichtung noch manche weitere geistige und
sachliche Zustände voraus. Die Wahl der Verfassung ist also
auch in dieser Beziehung keineswegs eine unbedingt freie; und
ein Mißgriff rächt sich zum Mindesten durch ein schwächliches
Leben der nicht indicirten Ordnung, leicht aber selbst durch
förmliches Mißlingen und vielfaches Unglück 1).

Falls die geistigen Bedingungen einer bestimmten Ver-
fassung nicht vorhanden sind, wird entweder die Lösung einer
Aufgabe unternommen, für welche keine ausreichenden Kräfte
bestehen, was nur zu Mißvergnügen und Schaden führen
kann; oder aber wird ein Zustand aufgedrungen, welcher der
Neigung und Richtung des Volkes zuwider ist, wodurch eben-
falls wieder bleibende Unzufriedenheit, bei kräftigen und unab-

ſammlung Ordnung und Durchſichtigkeit in den Staatshaushalt, was ebenfalls
ein großer Vortheil iſt; und es ſoll auch nicht geläugnet werden, daß ſie
wahnſinnige und gewiſſenloſe Verſchwendung, wie ſolche zuweilen in unbe-
ſchränkten Fürſtenthümern geſehen wird, nicht aufkommen läßt: allein beides
iſt wohl vereinbar mit einem beſtändigen Steigen der regelmäßigen und
nothwendigen Staatseinnahmen. Abſolut wohlfeil mag eine Patriarchie,
ein Patrimonialſtaat, ſelbſt eine Despotie ſein; allein in demſelben Ver-
hältniſſe leiſten ſie auch wenig.
II. Innere Politik.
1. Verfaſſungspolitik.
§ 91.
a. Berückſichtigung der geiſtigen und ſachlichen Bedingungen der concreten
Staatsart.

Auch abgeſehen davon, daß die rechtliche Begründung
einer Verfaſſung überhaupt bedingt iſt durch das Vorhandenſein
einer beſtimmten Geſittigung und des daraus entſpringenden
Lebenszweckes des Volkes, ſetzt das Beſtehen und Gedeihen
einer Staatseinrichtung noch manche weitere geiſtige und
ſachliche Zuſtände voraus. Die Wahl der Verfaſſung iſt alſo
auch in dieſer Beziehung keineswegs eine unbedingt freie; und
ein Mißgriff rächt ſich zum Mindeſten durch ein ſchwächliches
Leben der nicht indicirten Ordnung, leicht aber ſelbſt durch
förmliches Mißlingen und vielfaches Unglück 1).

Falls die geiſtigen Bedingungen einer beſtimmten Ver-
faſſung nicht vorhanden ſind, wird entweder die Löſung einer
Aufgabe unternommen, für welche keine ausreichenden Kräfte
beſtehen, was nur zu Mißvergnügen und Schaden führen
kann; oder aber wird ein Zuſtand aufgedrungen, welcher der
Neigung und Richtung des Volkes zuwider iſt, wodurch eben-
falls wieder bleibende Unzufriedenheit, bei kräftigen und unab-

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[597/0611] ⁹⁾ ſammlung Ordnung und Durchſichtigkeit in den Staatshaushalt, was ebenfalls ein großer Vortheil iſt; und es ſoll auch nicht geläugnet werden, daß ſie wahnſinnige und gewiſſenloſe Verſchwendung, wie ſolche zuweilen in unbe- ſchränkten Fürſtenthümern geſehen wird, nicht aufkommen läßt: allein beides iſt wohl vereinbar mit einem beſtändigen Steigen der regelmäßigen und nothwendigen Staatseinnahmen. Abſolut wohlfeil mag eine Patriarchie, ein Patrimonialſtaat, ſelbſt eine Despotie ſein; allein in demſelben Ver- hältniſſe leiſten ſie auch wenig. II. Innere Politik. 1. Verfaſſungspolitik. § 91. a. Berückſichtigung der geiſtigen und ſachlichen Bedingungen der concreten Staatsart. Auch abgeſehen davon, daß die rechtliche Begründung einer Verfaſſung überhaupt bedingt iſt durch das Vorhandenſein einer beſtimmten Geſittigung und des daraus entſpringenden Lebenszweckes des Volkes, ſetzt das Beſtehen und Gedeihen einer Staatseinrichtung noch manche weitere geiſtige und ſachliche Zuſtände voraus. Die Wahl der Verfaſſung iſt alſo auch in dieſer Beziehung keineswegs eine unbedingt freie; und ein Mißgriff rächt ſich zum Mindeſten durch ein ſchwächliches Leben der nicht indicirten Ordnung, leicht aber ſelbſt durch förmliches Mißlingen und vielfaches Unglück 1). Falls die geiſtigen Bedingungen einer beſtimmten Ver- faſſung nicht vorhanden ſind, wird entweder die Löſung einer Aufgabe unternommen, für welche keine ausreichenden Kräfte beſtehen, was nur zu Mißvergnügen und Schaden führen kann; oder aber wird ein Zuſtand aufgedrungen, welcher der Neigung und Richtung des Volkes zuwider iſt, wodurch eben- falls wieder bleibende Unzufriedenheit, bei kräftigen und unab-

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 597. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/611>, abgerufen am 28.03.2024.