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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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1.
Allgemeine Staatslehre.
§ 11.
1. Begriff und Zweck des Staates.

Aus der Entwickelung der verschiedenen menschlichen Le-
benskreise (s. oben, § 1--7) hat sich die Bedeutung und der
Zweck des Staates im Allgemeinen ergeben. Eine genaue Be-
griffsbestimmung ist denn nun aber folgende:

Der Staat ist ein dauernder einheitlicher Organismus
derjenigen Einrichtungen, welche, geleitet durch einen Gesammt-
willen sowie aufrecht erhalten und durchgeführt durch eine Ge-
sammtkraft, die Aufgabe haben, die erlaubten Lebenszwecke
eines bestimmten und räumlich abgeschlossenen Volkes, und
zwar vom Einzelnen bis zur Gesellschaft, zu fördern 1).

Erläuterung und Rechtfertigung dieser Auffassung des
Staates ergiebt sich aus nachstehenden Bemerkungen.

Der Staat muß eine dauernde Einrichtung sein,
weil Lebenszwecke bestehen und Schutz und Hülfe zur Er-
reichung derselben nothwendig ist, so lange überhaupt Men-
schen vorhanden sind. Das Bedürfniß einer staatlichen Ein-
richtung ist also niemals ganz befriedigt, vielmehr erneuert sich
dasselbe in jedem Augenblicke. Bloß vorübergehende Anstalten
wären also durchaus ungenügend; und wenn je ein Staat auf-
hört, so muß alsbald ein neuer an dessen Stelle treten, wenn

v. Mohl, Encyclopädie. 5
1.
Allgemeine Staatslehre.
§ 11.
1. Begriff und Zweck des Staates.

Aus der Entwickelung der verſchiedenen menſchlichen Le-
benskreiſe (ſ. oben, § 1—7) hat ſich die Bedeutung und der
Zweck des Staates im Allgemeinen ergeben. Eine genaue Be-
griffsbeſtimmung iſt denn nun aber folgende:

Der Staat iſt ein dauernder einheitlicher Organismus
derjenigen Einrichtungen, welche, geleitet durch einen Geſammt-
willen ſowie aufrecht erhalten und durchgeführt durch eine Ge-
ſammtkraft, die Aufgabe haben, die erlaubten Lebenszwecke
eines beſtimmten und räumlich abgeſchloſſenen Volkes, und
zwar vom Einzelnen bis zur Geſellſchaft, zu fördern 1).

Erläuterung und Rechtfertigung dieſer Auffaſſung des
Staates ergiebt ſich aus nachſtehenden Bemerkungen.

Der Staat muß eine dauernde Einrichtung ſein,
weil Lebenszwecke beſtehen und Schutz und Hülfe zur Er-
reichung derſelben nothwendig iſt, ſo lange überhaupt Men-
ſchen vorhanden ſind. Das Bedürfniß einer ſtaatlichen Ein-
richtung iſt alſo niemals ganz befriedigt, vielmehr erneuert ſich
dasſelbe in jedem Augenblicke. Bloß vorübergehende Anſtalten
wären alſo durchaus ungenügend; und wenn je ein Staat auf-
hört, ſo muß alsbald ein neuer an deſſen Stelle treten, wenn

v. Mohl, Encyclopädie. 5
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[[65]/0079] 1. Allgemeine Staatslehre. § 11. 1. Begriff und Zweck des Staates. Aus der Entwickelung der verſchiedenen menſchlichen Le- benskreiſe (ſ. oben, § 1—7) hat ſich die Bedeutung und der Zweck des Staates im Allgemeinen ergeben. Eine genaue Be- griffsbeſtimmung iſt denn nun aber folgende: Der Staat iſt ein dauernder einheitlicher Organismus derjenigen Einrichtungen, welche, geleitet durch einen Geſammt- willen ſowie aufrecht erhalten und durchgeführt durch eine Ge- ſammtkraft, die Aufgabe haben, die erlaubten Lebenszwecke eines beſtimmten und räumlich abgeſchloſſenen Volkes, und zwar vom Einzelnen bis zur Geſellſchaft, zu fördern 1). Erläuterung und Rechtfertigung dieſer Auffaſſung des Staates ergiebt ſich aus nachſtehenden Bemerkungen. Der Staat muß eine dauernde Einrichtung ſein, weil Lebenszwecke beſtehen und Schutz und Hülfe zur Er- reichung derſelben nothwendig iſt, ſo lange überhaupt Men- ſchen vorhanden ſind. Das Bedürfniß einer ſtaatlichen Ein- richtung iſt alſo niemals ganz befriedigt, vielmehr erneuert ſich dasſelbe in jedem Augenblicke. Bloß vorübergehende Anſtalten wären alſo durchaus ungenügend; und wenn je ein Staat auf- hört, ſo muß alsbald ein neuer an deſſen Stelle treten, wenn v. Mohl, Encyclopädie. 5

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. [65]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/79>, abgerufen am 25.04.2024.