Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite
KAPITEL VII.


König Pyrrhos gegen Rom.

In der Zeit der unbestrittenen Weltherrschaft Roms pfleg-
ten die Griechen ihre römischen Herren damit zu ärgern, dass
sie als die Ursache der römischen Grösse das Fieber bezeich-
neten, an welchem Alexander von Makedonien den 11. Juni
431 in Babylon verschied. Da es nicht allzu tröstlich war
das Geschehene zu überdenken, verweilte man nicht ungern
mit den Gedanken bei dem, was hätte kommen mögen, wenn
der grosse König, wie es seine Absicht gewesen sein soll als
er starb, sich gegen Westen gewendet und mit seiner Flotte
den Karthagern das Meer, mit seinen Phalangen den Römern
die Erde streitig gemacht haben würde. An Schiffen und
Soldaten wenigstens fehlte es ihm nicht und der Autokrat, der
damit versehen ist, wird Gründe zur Kriegführung nicht ver-
missen. Es war des griechischen Königs würdig die Sikelioten
gegen Karthago, die Tarentiner gegen Rom zu schützen und
dem Piratenwesen auf beiden Meeren ein Ende zu machen;
die italischen Gesandtschaften, die in Babylon neben zahllosen
andern erschienen, der Brettier, Lucaner, Etrusker, ja der
Römer selbst boten Gelegenheit genug die Verhältnisse der
Halbinsel kennen zu lernen und Beziehungen dort anzu-
knüpfen. Karthago mit seinen vielfachen Verbindungen im
Orient musste den Blick des gewaltigen Mannes nothwendig
auf sich ziehen, und wohl lag es in Alexanders Sinn die no-
minelle Herrschaft des Perserkönigs über die tyrische Kolonie
in eine wirkliche umzuwandeln; was die Karthager besorgten,

KAPITEL VII.


König Pyrrhos gegen Rom.

In der Zeit der unbestrittenen Weltherrschaft Roms pfleg-
ten die Griechen ihre römischen Herren damit zu ärgern, daſs
sie als die Ursache der römischen Gröſse das Fieber bezeich-
neten, an welchem Alexander von Makedonien den 11. Juni
431 in Babylon verschied. Da es nicht allzu tröstlich war
das Geschehene zu überdenken, verweilte man nicht ungern
mit den Gedanken bei dem, was hätte kommen mögen, wenn
der groſse König, wie es seine Absicht gewesen sein soll als
er starb, sich gegen Westen gewendet und mit seiner Flotte
den Karthagern das Meer, mit seinen Phalangen den Römern
die Erde streitig gemacht haben würde. An Schiffen und
Soldaten wenigstens fehlte es ihm nicht und der Autokrat, der
damit versehen ist, wird Gründe zur Kriegführung nicht ver-
missen. Es war des griechischen Königs würdig die Sikelioten
gegen Karthago, die Tarentiner gegen Rom zu schützen und
dem Piratenwesen auf beiden Meeren ein Ende zu machen;
die italischen Gesandtschaften, die in Babylon neben zahllosen
andern erschienen, der Brettier, Lucaner, Etrusker, ja der
Römer selbst boten Gelegenheit genug die Verhältnisse der
Halbinsel kennen zu lernen und Beziehungen dort anzu-
knüpfen. Karthago mit seinen vielfachen Verbindungen im
Orient muſste den Blick des gewaltigen Mannes nothwendig
auf sich ziehen, und wohl lag es in Alexanders Sinn die no-
minelle Herrschaft des Perserkönigs über die tyrische Kolonie
in eine wirkliche umzuwandeln; was die Karthager besorgten,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0266" n="[252]"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">KAPITEL</hi> VII.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <argument>
            <p><hi rendition="#g">König Pyrrhos gegen Rom</hi>.</p>
          </argument><lb/>
          <p>In der Zeit der unbestrittenen Weltherrschaft Roms pfleg-<lb/>
ten die Griechen ihre römischen Herren damit zu ärgern, da&#x017F;s<lb/>
sie als die Ursache der römischen Grö&#x017F;se das Fieber bezeich-<lb/>
neten, an welchem Alexander von Makedonien den 11. Juni<lb/>
431 in Babylon verschied. Da es nicht allzu tröstlich war<lb/>
das Geschehene zu überdenken, verweilte man nicht ungern<lb/>
mit den Gedanken bei dem, was hätte kommen mögen, wenn<lb/>
der gro&#x017F;se König, wie es seine Absicht gewesen sein soll als<lb/>
er starb, sich gegen Westen gewendet und mit seiner Flotte<lb/>
den Karthagern das Meer, mit seinen Phalangen den Römern<lb/>
die Erde streitig gemacht haben würde. An Schiffen und<lb/>
Soldaten wenigstens fehlte es ihm nicht und der Autokrat, der<lb/>
damit versehen ist, wird Gründe zur Kriegführung nicht ver-<lb/>
missen. Es war des griechischen Königs würdig die Sikelioten<lb/>
gegen Karthago, die Tarentiner gegen Rom zu schützen und<lb/>
dem Piratenwesen auf beiden Meeren ein Ende zu machen;<lb/>
die italischen Gesandtschaften, die in Babylon neben zahllosen<lb/>
andern erschienen, der Brettier, Lucaner, Etrusker, ja der<lb/>
Römer selbst boten Gelegenheit genug die Verhältnisse der<lb/>
Halbinsel kennen zu lernen und Beziehungen dort anzu-<lb/>
knüpfen. Karthago mit seinen vielfachen Verbindungen im<lb/>
Orient mu&#x017F;ste den Blick des gewaltigen Mannes nothwendig<lb/>
auf sich ziehen, und wohl lag es in Alexanders Sinn die no-<lb/>
minelle Herrschaft des Perserkönigs über die tyrische Kolonie<lb/>
in eine wirkliche umzuwandeln; was die Karthager besorgten,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[252]/0266] KAPITEL VII. König Pyrrhos gegen Rom. In der Zeit der unbestrittenen Weltherrschaft Roms pfleg- ten die Griechen ihre römischen Herren damit zu ärgern, daſs sie als die Ursache der römischen Gröſse das Fieber bezeich- neten, an welchem Alexander von Makedonien den 11. Juni 431 in Babylon verschied. Da es nicht allzu tröstlich war das Geschehene zu überdenken, verweilte man nicht ungern mit den Gedanken bei dem, was hätte kommen mögen, wenn der groſse König, wie es seine Absicht gewesen sein soll als er starb, sich gegen Westen gewendet und mit seiner Flotte den Karthagern das Meer, mit seinen Phalangen den Römern die Erde streitig gemacht haben würde. An Schiffen und Soldaten wenigstens fehlte es ihm nicht und der Autokrat, der damit versehen ist, wird Gründe zur Kriegführung nicht ver- missen. Es war des griechischen Königs würdig die Sikelioten gegen Karthago, die Tarentiner gegen Rom zu schützen und dem Piratenwesen auf beiden Meeren ein Ende zu machen; die italischen Gesandtschaften, die in Babylon neben zahllosen andern erschienen, der Brettier, Lucaner, Etrusker, ja der Römer selbst boten Gelegenheit genug die Verhältnisse der Halbinsel kennen zu lernen und Beziehungen dort anzu- knüpfen. Karthago mit seinen vielfachen Verbindungen im Orient muſste den Blick des gewaltigen Mannes nothwendig auf sich ziehen, und wohl lag es in Alexanders Sinn die no- minelle Herrschaft des Perserkönigs über die tyrische Kolonie in eine wirkliche umzuwandeln; was die Karthager besorgten,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/266
Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. [252]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/266>, abgerufen am 19.04.2024.