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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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KAPITEL III.


Die Ausdehnung Italiens bis an seine natürlichen
Grenzen
.

Das Italien, über welches seit der Besiegung des Königs
Pyrrhos Rom die Herrschaft ohne Widerspruch im In- oder
im Ausland behauptete, bezeichnete zunächst die mehr oder
minder eng verwandten Stämme der Latiner, Sabeller, Etru-
sker und italischen Griechen als eine nationale Einheit, die
zuerst und vornämlich sich als solche zusammengefunden zu
haben scheint in der gemeinschaftlichen Abwehr der Kelten.
Deren Gebiet ist der eigentliche Gegensatz zu dem italischen
Lande und bis in sehr späte Zeit hinab galten selbst Sena
Gallica (Sinigaglia) und Ariminum (Rimini) als ausseritalische
Städte; die geographische Scheide zwischen beiden bildete der
Apennin, und Italien endete damals westlich am Macrafluss bei
Spezzia, östlich am Aesis oberhalb Ancona. Die Römer adop-
tirten diesen Begriff der italischen Nation und steigerten ihn,
indem sie den Anspruch erhoben und durchfochten unter den
italischen Gemeinden die führende zu sein, von dem der na-
tionalen zu dem der politischen Einheit*; und als solcher

* Wann es aufkam die geschlossene römische Eidgenossenschaft als die
der Italiker zu bezeichnen, lässt sich nicht genau bestimmen; aber sicher
nicht vor den Kriegen mit Pyrrhos und den Beziehungen zu den Mamerti-
nern, die hiefür wichtig werden mussten, und wahrscheinlich unter dem
Einfluss der Griechen, die den Namen Italia, ursprünglich den des heutigen
Calabriens, allmählich anfingen auf die nördlichen Gegenden zu übertragen.
Noch die griechischen Schriftsteller des fünften Jahrhunderts der Stadt, wie
zum Beispiel Aristoteles, kennen jenes weitere Italien nicht.
KAPITEL III.


Die Ausdehnung Italiens bis an seine natürlichen
Grenzen
.

Das Italien, über welches seit der Besiegung des Königs
Pyrrhos Rom die Herrschaft ohne Widerspruch im In- oder
im Ausland behauptete, bezeichnete zunächst die mehr oder
minder eng verwandten Stämme der Latiner, Sabeller, Etru-
sker und italischen Griechen als eine nationale Einheit, die
zuerst und vornämlich sich als solche zusammengefunden zu
haben scheint in der gemeinschaftlichen Abwehr der Kelten.
Deren Gebiet ist der eigentliche Gegensatz zu dem italischen
Lande und bis in sehr späte Zeit hinab galten selbst Sena
Gallica (Sinigaglia) und Ariminum (Rimini) als auſseritalische
Städte; die geographische Scheide zwischen beiden bildete der
Apennin, und Italien endete damals westlich am Macrafluſs bei
Spezzia, östlich am Aesis oberhalb Ancona. Die Römer adop-
tirten diesen Begriff der italischen Nation und steigerten ihn,
indem sie den Anspruch erhoben und durchfochten unter den
italischen Gemeinden die führende zu sein, von dem der na-
tionalen zu dem der politischen Einheit*; und als solcher

* Wann es aufkam die geschlossene römische Eidgenossenschaft als die
der Italiker zu bezeichnen, läſst sich nicht genau bestimmen; aber sicher
nicht vor den Kriegen mit Pyrrhos und den Beziehungen zu den Mamerti-
nern, die hiefür wichtig werden muſsten, und wahrscheinlich unter dem
Einfluſs der Griechen, die den Namen Italia, ursprünglich den des heutigen
Calabriens, allmählich anfingen auf die nördlichen Gegenden zu übertragen.
Noch die griechischen Schriftsteller des fünften Jahrhunderts der Stadt, wie
zum Beispiel Aristoteles, kennen jenes weitere Italien nicht.
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[[363]/0377] KAPITEL III. Die Ausdehnung Italiens bis an seine natürlichen Grenzen. Das Italien, über welches seit der Besiegung des Königs Pyrrhos Rom die Herrschaft ohne Widerspruch im In- oder im Ausland behauptete, bezeichnete zunächst die mehr oder minder eng verwandten Stämme der Latiner, Sabeller, Etru- sker und italischen Griechen als eine nationale Einheit, die zuerst und vornämlich sich als solche zusammengefunden zu haben scheint in der gemeinschaftlichen Abwehr der Kelten. Deren Gebiet ist der eigentliche Gegensatz zu dem italischen Lande und bis in sehr späte Zeit hinab galten selbst Sena Gallica (Sinigaglia) und Ariminum (Rimini) als auſseritalische Städte; die geographische Scheide zwischen beiden bildete der Apennin, und Italien endete damals westlich am Macrafluſs bei Spezzia, östlich am Aesis oberhalb Ancona. Die Römer adop- tirten diesen Begriff der italischen Nation und steigerten ihn, indem sie den Anspruch erhoben und durchfochten unter den italischen Gemeinden die führende zu sein, von dem der na- tionalen zu dem der politischen Einheit *; und als solcher * Wann es aufkam die geschlossene römische Eidgenossenschaft als die der Italiker zu bezeichnen, läſst sich nicht genau bestimmen; aber sicher nicht vor den Kriegen mit Pyrrhos und den Beziehungen zu den Mamerti- nern, die hiefür wichtig werden muſsten, und wahrscheinlich unter dem Einfluſs der Griechen, die den Namen Italia, ursprünglich den des heutigen Calabriens, allmählich anfingen auf die nördlichen Gegenden zu übertragen. Noch die griechischen Schriftsteller des fünften Jahrhunderts der Stadt, wie zum Beispiel Aristoteles, kennen jenes weitere Italien nicht.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. [363]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/377>, abgerufen am 29.03.2024.