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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789.

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eine Kinderseele starken Eindruck machen müssen, und bei ihm besonders, da sie ihm nicht alltäglich und zur Gewohnheit wurden, die den allzustarken Eindruck hätte vermindern können, sondern er erst nach Verlauf von ungefähr acht Jahren, also zu einer Zeit, wo die jugendliche Einbildungskraft am stärksten und feurigsten ist, die besonders er noch jetzt in einem hohen Grade besitzt, wieder zu dem Genuß eines Vergnügens gelangte, das ihn schon in der Kindheit so hingerissen hatte. --

Dazu kommt noch, daß er noch in sehr jungen Jahren auf das Gymnasium zu S... kam, und da man hier die Privatstudien größtentheils eines jedem eigenem Fleiße überläßt, mein Freund hingegen noch von Schulen her daran gewöhnt war, alle Zeit, wo ihm nicht ausdrücklich etwas zu lernen oder zu thun aufgegeben war, zu seinem Vergnügen anzuwenden, so wußte er sich hier außer den Lektionsstunden nicht gehörig selbst zu beschäftigen, und, da die Seele natürlich doch Beschäftigung haben wollte, so war es daher leicht möglich, daß er bei den so zusammen treffenden Umständen, da gerade um diese Zeit eine Schauspielergesellschaft nach S... kam, auf die erzählten Abwege gerieth, und sich in diesen Vergnügungen gleichsam ersäufte. --

Allein glücklich für ihn, wenn er sich nur früher darin ersäuft und durch Uebermaaß im Genuß zuletzt Eckel daran gefaßt hätte. Jch habe schon oft den Kunstgriff der Zuckerbäcker bewundert, die ihre Lehr-


eine Kinderseele starken Eindruck machen muͤssen, und bei ihm besonders, da sie ihm nicht alltaͤglich und zur Gewohnheit wurden, die den allzustarken Eindruck haͤtte vermindern koͤnnen, sondern er erst nach Verlauf von ungefaͤhr acht Jahren, also zu einer Zeit, wo die jugendliche Einbildungskraft am staͤrksten und feurigsten ist, die besonders er noch jetzt in einem hohen Grade besitzt, wieder zu dem Genuß eines Vergnuͤgens gelangte, das ihn schon in der Kindheit so hingerissen hatte. —

Dazu kommt noch, daß er noch in sehr jungen Jahren auf das Gymnasium zu S... kam, und da man hier die Privatstudien groͤßtentheils eines jedem eigenem Fleiße uͤberlaͤßt, mein Freund hingegen noch von Schulen her daran gewoͤhnt war, alle Zeit, wo ihm nicht ausdruͤcklich etwas zu lernen oder zu thun aufgegeben war, zu seinem Vergnuͤgen anzuwenden, so wußte er sich hier außer den Lektionsstunden nicht gehoͤrig selbst zu beschaͤftigen, und, da die Seele natuͤrlich doch Beschaͤftigung haben wollte, so war es daher leicht moͤglich, daß er bei den so zusammen treffenden Umstaͤnden, da gerade um diese Zeit eine Schauspielergesellschaft nach S... kam, auf die erzaͤhlten Abwege gerieth, und sich in diesen Vergnuͤgungen gleichsam ersaͤufte. —

Allein gluͤcklich fuͤr ihn, wenn er sich nur fruͤher darin ersaͤuft und durch Uebermaaß im Genuß zuletzt Eckel daran gefaßt haͤtte. Jch habe schon oft den Kunstgriff der Zuckerbaͤcker bewundert, die ihre Lehr-

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[114/0114] eine Kinderseele starken Eindruck machen muͤssen, und bei ihm besonders, da sie ihm nicht alltaͤglich und zur Gewohnheit wurden, die den allzustarken Eindruck haͤtte vermindern koͤnnen, sondern er erst nach Verlauf von ungefaͤhr acht Jahren, also zu einer Zeit, wo die jugendliche Einbildungskraft am staͤrksten und feurigsten ist, die besonders er noch jetzt in einem hohen Grade besitzt, wieder zu dem Genuß eines Vergnuͤgens gelangte, das ihn schon in der Kindheit so hingerissen hatte. — Dazu kommt noch, daß er noch in sehr jungen Jahren auf das Gymnasium zu S... kam, und da man hier die Privatstudien groͤßtentheils eines jedem eigenem Fleiße uͤberlaͤßt, mein Freund hingegen noch von Schulen her daran gewoͤhnt war, alle Zeit, wo ihm nicht ausdruͤcklich etwas zu lernen oder zu thun aufgegeben war, zu seinem Vergnuͤgen anzuwenden, so wußte er sich hier außer den Lektionsstunden nicht gehoͤrig selbst zu beschaͤftigen, und, da die Seele natuͤrlich doch Beschaͤftigung haben wollte, so war es daher leicht moͤglich, daß er bei den so zusammen treffenden Umstaͤnden, da gerade um diese Zeit eine Schauspielergesellschaft nach S... kam, auf die erzaͤhlten Abwege gerieth, und sich in diesen Vergnuͤgungen gleichsam ersaͤufte. — Allein gluͤcklich fuͤr ihn, wenn er sich nur fruͤher darin ersaͤuft und durch Uebermaaß im Genuß zuletzt Eckel daran gefaßt haͤtte. Jch habe schon oft den Kunstgriff der Zuckerbaͤcker bewundert, die ihre Lehr-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0703_1789/114>, abgerufen am 25.04.2024.