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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 2. Berlin, 1791.

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Wochenschrift aufhörte, so war er genöthigt, wieder von Korrekturen sein Daseyn zu erhalten. Und da er selber dramatische Ausarbeitungen von vielem Werth in seinem Pulte liegen hatte, die er nicht wagte zum Vorschein zu bringen, mußte er für einen vornehmen Herrn in Erfurt, mit aller Sorgfalt und Korrektheit eines Kopisten, ein Trauerspiel für Geld abschreiben, um mit dem Abschreiberlohne wiederum einige Tage lang sein Leben zu fristen.

Als Arzt verdiente er nichts; denn er fühlte einen besondern Hang in sich, gerade den Leuten zu helfen, die der Hülfe am meisten bedürfen, und denen sie am wenigsten geleistet wird. Und weil dies nun gerade diejenigen sind, welche die Hülfe nicht zu bezahlen vermögen, so gerieth der Arzt selber in große Gefahr zu verhungern, wenn er nicht Wochenschriften herausgegeben, Korrekturen besorgt, und Trauerspiele abgeschrieben hätte.

Kurz, er ließ sich für seine Kuren nichts bezahlen, und brachte auch dazu den armen Leuten die Arzenei ins Haus, die er selbst verfertigte, und das wenige was ihm übrig oder nicht übrig blieb noch darauf verwandte. Weil er sich nun dadurch gleichsam weggeworfen hatte, so hatten die Leute aus der großen und vornehmen Welt kein Zutrauen zu ihm; niemand zog ihn zu Rathe, und unter den meisten war sogar sein Name nicht einmal bekannt,


Wochenschrift aufhoͤrte, so war er genoͤthigt, wieder von Korrekturen sein Daseyn zu erhalten. Und da er selber dramatische Ausarbeitungen von vielem Werth in seinem Pulte liegen hatte, die er nicht wagte zum Vorschein zu bringen, mußte er fuͤr einen vornehmen Herrn in Erfurt, mit aller Sorgfalt und Korrektheit eines Kopisten, ein Trauerspiel fuͤr Geld abschreiben, um mit dem Abschreiberlohne wiederum einige Tage lang sein Leben zu fristen.

Als Arzt verdiente er nichts; denn er fuͤhlte einen besondern Hang in sich, gerade den Leuten zu helfen, die der Huͤlfe am meisten beduͤrfen, und denen sie am wenigsten geleistet wird. Und weil dies nun gerade diejenigen sind, welche die Huͤlfe nicht zu bezahlen vermoͤgen, so gerieth der Arzt selber in große Gefahr zu verhungern, wenn er nicht Wochenschriften herausgegeben, Korrekturen besorgt, und Trauerspiele abgeschrieben haͤtte.

Kurz, er ließ sich fuͤr seine Kuren nichts bezahlen, und brachte auch dazu den armen Leuten die Arzenei ins Haus, die er selbst verfertigte, und das wenige was ihm uͤbrig oder nicht uͤbrig blieb noch darauf verwandte. Weil er sich nun dadurch gleichsam weggeworfen hatte, so hatten die Leute aus der großen und vornehmen Welt kein Zutrauen zu ihm; niemand zog ihn zu Rathe, und unter den meisten war sogar sein Name nicht einmal bekannt,

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[11/0011] Wochenschrift aufhoͤrte, so war er genoͤthigt, wieder von Korrekturen sein Daseyn zu erhalten. Und da er selber dramatische Ausarbeitungen von vielem Werth in seinem Pulte liegen hatte, die er nicht wagte zum Vorschein zu bringen, mußte er fuͤr einen vornehmen Herrn in Erfurt, mit aller Sorgfalt und Korrektheit eines Kopisten, ein Trauerspiel fuͤr Geld abschreiben, um mit dem Abschreiberlohne wiederum einige Tage lang sein Leben zu fristen. Als Arzt verdiente er nichts; denn er fuͤhlte einen besondern Hang in sich, gerade den Leuten zu helfen, die der Huͤlfe am meisten beduͤrfen, und denen sie am wenigsten geleistet wird. Und weil dies nun gerade diejenigen sind, welche die Huͤlfe nicht zu bezahlen vermoͤgen, so gerieth der Arzt selber in große Gefahr zu verhungern, wenn er nicht Wochenschriften herausgegeben, Korrekturen besorgt, und Trauerspiele abgeschrieben haͤtte. Kurz, er ließ sich fuͤr seine Kuren nichts bezahlen, und brachte auch dazu den armen Leuten die Arzenei ins Haus, die er selbst verfertigte, und das wenige was ihm uͤbrig oder nicht uͤbrig blieb noch darauf verwandte. Weil er sich nun dadurch gleichsam weggeworfen hatte, so hatten die Leute aus der großen und vornehmen Welt kein Zutrauen zu ihm; niemand zog ihn zu Rathe, und unter den meisten war sogar sein Name nicht einmal bekannt,

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 2. Berlin, 1791, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0802_1791/11>, abgerufen am 29.03.2024.