Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 2. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

Ohngeachtet der auffallenden Sonderbarkeit dieser Rolle, konnte Reiser dennoch seinem Hange, das Theater auf irgend eine Weise zu betreten, nicht widerstehen, um so weniger, da sich ihm die Gelegenheit dazu so ganz ungesucht und von selbst darbot.

Die Vorbereitungen zu der Komödie wurden nun gemacht; Reiser lernte die Rolle der Klelie auswendig, und nun wurden häufige Proben gehalten, wodurch Reiser mit dem größten Theile der Studenten in Erfurt bekannt wurde, die sich alle gegen ihn ganz höflich betrugen, und alle eine vortheilhafte Meinung von ihm hegten, wodurch er sich in eine Welt versetzt fand, die von derjenigen ganz verschieden war, worin er von Kindheit auf gelebt hatte.

Zwischen diesen Komödienproben versäumte nun Reiser nicht, des Doktor Frorieps Predigerkollegium fleißig zu besuchen. Dieses bestand aus einer Anzahl Studenten, die sich in der Kaufmannskirche, in Gegenwart des Doktor Froriep und der übrigen Studenten, bei verschlossenen Thüren, im Predigen übten.

Hier wünschte nun Reiser ebenfalls auftreten zu können, um seine Deklamation hier hören zu lassen, und es war ihm immer eine der reizendsten Aussichten, wenn der Doktor Froriep ihm einmal verstatten würde, hier die Kanzel zu besteigen. Auch hatte er sich schon ein Thema ausgedacht, worin er die Schönheiten der Natur, den Wechsel der Jah-


Ohngeachtet der auffallenden Sonderbarkeit dieser Rolle, konnte Reiser dennoch seinem Hange, das Theater auf irgend eine Weise zu betreten, nicht widerstehen, um so weniger, da sich ihm die Gelegenheit dazu so ganz ungesucht und von selbst darbot.

Die Vorbereitungen zu der Komoͤdie wurden nun gemacht; Reiser lernte die Rolle der Klelie auswendig, und nun wurden haͤufige Proben gehalten, wodurch Reiser mit dem groͤßten Theile der Studenten in Erfurt bekannt wurde, die sich alle gegen ihn ganz hoͤflich betrugen, und alle eine vortheilhafte Meinung von ihm hegten, wodurch er sich in eine Welt versetzt fand, die von derjenigen ganz verschieden war, worin er von Kindheit auf gelebt hatte.

Zwischen diesen Komoͤdienproben versaͤumte nun Reiser nicht, des Doktor Frorieps Predigerkollegium fleißig zu besuchen. Dieses bestand aus einer Anzahl Studenten, die sich in der Kaufmannskirche, in Gegenwart des Doktor Froriep und der uͤbrigen Studenten, bei verschlossenen Thuͤren, im Predigen uͤbten.

Hier wuͤnschte nun Reiser ebenfalls auftreten zu koͤnnen, um seine Deklamation hier hoͤren zu lassen, und es war ihm immer eine der reizendsten Aussichten, wenn der Doktor Froriep ihm einmal verstatten wuͤrde, hier die Kanzel zu besteigen. Auch hatte er sich schon ein Thema ausgedacht, worin er die Schoͤnheiten der Natur, den Wechsel der Jah-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0008" n="8"/><lb/>
            <p>Ohngeachtet der auffallenden Sonderbarkeit dieser Rolle, konnte Reiser                         dennoch seinem Hange, das Theater auf irgend eine Weise zu betreten, nicht                         widerstehen, um so weniger, da sich ihm die Gelegenheit dazu so ganz                         ungesucht und von selbst darbot. </p>
            <p>Die Vorbereitungen zu der Komo&#x0364;die wurden nun gemacht; Reiser lernte die Rolle                         der Klelie auswendig, und nun wurden ha&#x0364;ufige Proben gehalten, wodurch Reiser                         mit dem gro&#x0364;ßten Theile der Studenten in Erfurt bekannt wurde, die sich alle                         gegen ihn ganz ho&#x0364;flich betrugen, und alle eine vortheilhafte Meinung von ihm                         hegten, wodurch er sich in eine Welt versetzt fand, die von derjenigen ganz                         verschieden war, worin er von Kindheit auf gelebt hatte. </p>
            <p>Zwischen diesen Komo&#x0364;dienproben versa&#x0364;umte nun Reiser nicht, des Doktor <hi rendition="#b">Frorieps</hi> Predigerkollegium fleißig zu besuchen.                         Dieses bestand aus einer Anzahl Studenten, die sich in der Kaufmannskirche,                         in Gegenwart des Doktor <hi rendition="#b">Froriep</hi> und der u&#x0364;brigen                         Studenten, bei verschlossenen Thu&#x0364;ren, im Predigen u&#x0364;bten.</p>
            <p>Hier wu&#x0364;nschte nun Reiser ebenfalls auftreten zu ko&#x0364;nnen, um seine Deklamation                         hier ho&#x0364;ren zu lassen, und es war ihm immer eine der reizendsten Aussichten,                         wenn der Doktor <hi rendition="#b">Froriep</hi> ihm einmal verstatten                         wu&#x0364;rde, hier die Kanzel zu besteigen. Auch hatte er sich schon ein Thema                         ausgedacht, worin er die Scho&#x0364;nheiten der Natur, den Wechsel der Jah-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0008] Ohngeachtet der auffallenden Sonderbarkeit dieser Rolle, konnte Reiser dennoch seinem Hange, das Theater auf irgend eine Weise zu betreten, nicht widerstehen, um so weniger, da sich ihm die Gelegenheit dazu so ganz ungesucht und von selbst darbot. Die Vorbereitungen zu der Komoͤdie wurden nun gemacht; Reiser lernte die Rolle der Klelie auswendig, und nun wurden haͤufige Proben gehalten, wodurch Reiser mit dem groͤßten Theile der Studenten in Erfurt bekannt wurde, die sich alle gegen ihn ganz hoͤflich betrugen, und alle eine vortheilhafte Meinung von ihm hegten, wodurch er sich in eine Welt versetzt fand, die von derjenigen ganz verschieden war, worin er von Kindheit auf gelebt hatte. Zwischen diesen Komoͤdienproben versaͤumte nun Reiser nicht, des Doktor Frorieps Predigerkollegium fleißig zu besuchen. Dieses bestand aus einer Anzahl Studenten, die sich in der Kaufmannskirche, in Gegenwart des Doktor Froriep und der uͤbrigen Studenten, bei verschlossenen Thuͤren, im Predigen uͤbten. Hier wuͤnschte nun Reiser ebenfalls auftreten zu koͤnnen, um seine Deklamation hier hoͤren zu lassen, und es war ihm immer eine der reizendsten Aussichten, wenn der Doktor Froriep ihm einmal verstatten wuͤrde, hier die Kanzel zu besteigen. Auch hatte er sich schon ein Thema ausgedacht, worin er die Schoͤnheiten der Natur, den Wechsel der Jah-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0802_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0802_1791/8
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 2. Berlin, 1791, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0802_1791/8>, abgerufen am 28.03.2024.