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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

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Körperbau des Menschen, die Festigkeit des Eichen-
stammes sich mit der Biegsamkeit des zarten Halms
verknüpft; so verband sein schöpferischer Genius
auch mit der Stärke des tobenden Elements, und
mit der Majestät des rollenden Donners, die
Züge der redenden Menschenlippe, die winken-
den Augenbraunen, und das sprechende Auge. --

Jupiter.

Die Bildung, welcher die schaffende Phan-
tasie den Donner in die Hand gab, mußte über
jede Menschenbildung erhaben, und doch mit ihr
harmonisch seyn; weil eine denkende Macht be-
zeichnet werden sollte, die nur durch Züge des re-
denden Antlitzes ausgedrückt werden kann; und
bis zu dem Gipfel hub die bildende Kunst der Grie-
chen, durch ihren Gegenstand selbst geheiligt, sich
empor; daß sie menschenähnliche, und doch über
die Menschenbildung erhabene Göttergestalten
schuf, in welchen alles Zufällige ausgeschlossen,
und alle wesentlichen Züge von Macht und Hoheit
vereinigt sind.

So wie nun aber der Begriff der Macht in
der Vorstellungsart der Alten von ihren Göttern
und Helden fast immer der herrschende ist; so ist
auch in ihren erhabensten Götterbildungen der
Ausdruck der Macht das Ueberwiegende.

G 2

Koͤrperbau des Menſchen, die Feſtigkeit des Eichen-
ſtammes ſich mit der Biegſamkeit des zarten Halms
verknuͤpft; ſo verband ſein ſchoͤpferiſcher Genius
auch mit der Staͤrke des tobenden Elements, und
mit der Majeſtaͤt des rollenden Donners, die
Zuͤge der redenden Menſchenlippe, die winken-
den Augenbraunen, und das ſprechende Auge. —

Jupiter.

Die Bildung, welcher die ſchaffende Phan-
taſie den Donner in die Hand gab, mußte uͤber
jede Menſchenbildung erhaben, und doch mit ihr
harmoniſch ſeyn; weil eine denkende Macht be-
zeichnet werden ſollte, die nur durch Zuͤge des re-
denden Antlitzes ausgedruͤckt werden kann; und
bis zu dem Gipfel hub die bildende Kunſt der Grie-
chen, durch ihren Gegenſtand ſelbſt geheiligt, ſich
empor; daß ſie menſchenaͤhnliche, und doch uͤber
die Menſchenbildung erhabene Goͤttergeſtalten
ſchuf, in welchen alles Zufaͤllige ausgeſchloſſen,
und alle weſentlichen Zuͤge von Macht und Hoheit
vereinigt ſind.

So wie nun aber der Begriff der Macht in
der Vorſtellungsart der Alten von ihren Goͤttern
und Helden faſt immer der herrſchende iſt; ſo iſt
auch in ihren erhabenſten Goͤtterbildungen der
Ausdruck der Macht das Ueberwiegende.

G 2
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[99/0125] Koͤrperbau des Menſchen, die Feſtigkeit des Eichen- ſtammes ſich mit der Biegſamkeit des zarten Halms verknuͤpft; ſo verband ſein ſchoͤpferiſcher Genius auch mit der Staͤrke des tobenden Elements, und mit der Majeſtaͤt des rollenden Donners, die Zuͤge der redenden Menſchenlippe, die winken- den Augenbraunen, und das ſprechende Auge. — Jupiter. Die Bildung, welcher die ſchaffende Phan- taſie den Donner in die Hand gab, mußte uͤber jede Menſchenbildung erhaben, und doch mit ihr harmoniſch ſeyn; weil eine denkende Macht be- zeichnet werden ſollte, die nur durch Zuͤge des re- denden Antlitzes ausgedruͤckt werden kann; und bis zu dem Gipfel hub die bildende Kunſt der Grie- chen, durch ihren Gegenſtand ſelbſt geheiligt, ſich empor; daß ſie menſchenaͤhnliche, und doch uͤber die Menſchenbildung erhabene Goͤttergeſtalten ſchuf, in welchen alles Zufaͤllige ausgeſchloſſen, und alle weſentlichen Zuͤge von Macht und Hoheit vereinigt ſind. So wie nun aber der Begriff der Macht in der Vorſtellungsart der Alten von ihren Goͤttern und Helden faſt immer der herrſchende iſt; ſo iſt auch in ihren erhabenſten Goͤtterbildungen der Ausdruck der Macht das Ueberwiegende. G 2

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/125>, abgerufen am 23.04.2024.