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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

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Da richtete er an der Meerenge, zum Anden-
ken seiner vollbrachten Thaten, und um das Ziel sei-
ner Reisen zu bezeichnen, auf den gegen einander
über liegenden Bergen Kalpe und Abyla zwei
Säulen
auf; zu deren Andenken die Nachwelt
jene beiden Berge selber die Säulen des Her-
kules
nannte.

Die Einbildungskraft konnte in dieser Dich-
tung sich nicht höher schwingen; denn erst da, wo
nach der Vorstellungsart der Alten, der Erdkreis
selbst sich endigt, und die Sonne ins Meer sinkt,
war das Ziel der mächtigen Heldenlaufbahn. --
Nur noch ein Zug wurde hinzugesetzt: Der, wel-
cher den Prometheus befreiete, half auch auf eine
Weile, dem Atlas den Himmel tragen, und
nahm die ewig drückende Last von Japets Sohn
auf seine Schultern, um jenem eine kleine Zeit Er-
leichterung zu verschaffen. -- So findet man auch
auf alten Denkmälern den Herkules abgebildet, den
Himmelsglobus auf den Schultern tragend.

Die Vermählungen des Herkules
und seine Vergehungen und
Schwächen
.

Dieß sind nun außer den zwölf Arbeiten des
Herkules seine vorzüglichsten Thaten. Die Dich-
tungen schreiben ihm noch viel mehrere zu, weil
alles, wozu Standhaftigkeit, Heldenmuth und

Da richtete er an der Meerenge, zum Anden-
ken ſeiner vollbrachten Thaten, und um das Ziel ſei-
ner Reiſen zu bezeichnen, auf den gegen einander
uͤber liegenden Bergen Kalpe und Abyla zwei
Saͤulen
auf; zu deren Andenken die Nachwelt
jene beiden Berge ſelber die Saͤulen des Her-
kules
nannte.

Die Einbildungskraft konnte in dieſer Dich-
tung ſich nicht hoͤher ſchwingen; denn erſt da, wo
nach der Vorſtellungsart der Alten, der Erdkreis
ſelbſt ſich endigt, und die Sonne ins Meer ſinkt,
war das Ziel der maͤchtigen Heldenlaufbahn. —
Nur noch ein Zug wurde hinzugeſetzt: Der, wel-
cher den Prometheus befreiete, half auch auf eine
Weile, dem Atlas den Himmel tragen, und
nahm die ewig druͤckende Laſt von Japets Sohn
auf ſeine Schultern, um jenem eine kleine Zeit Er-
leichterung zu verſchaffen. — So findet man auch
auf alten Denkmaͤlern den Herkules abgebildet, den
Himmelsglobus auf den Schultern tragend.

Die Vermaͤhlungen des Herkules
und ſeine Vergehungen und
Schwaͤchen
.

Dieß ſind nun außer den zwoͤlf Arbeiten des
Herkules ſeine vorzuͤglichſten Thaten. Die Dich-
tungen ſchreiben ihm noch viel mehrere zu, weil
alles, wozu Standhaftigkeit, Heldenmuth und

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[246/0296] Da richtete er an der Meerenge, zum Anden- ken ſeiner vollbrachten Thaten, und um das Ziel ſei- ner Reiſen zu bezeichnen, auf den gegen einander uͤber liegenden Bergen Kalpe und Abyla zwei Saͤulen auf; zu deren Andenken die Nachwelt jene beiden Berge ſelber die Saͤulen des Her- kules nannte. Die Einbildungskraft konnte in dieſer Dich- tung ſich nicht hoͤher ſchwingen; denn erſt da, wo nach der Vorſtellungsart der Alten, der Erdkreis ſelbſt ſich endigt, und die Sonne ins Meer ſinkt, war das Ziel der maͤchtigen Heldenlaufbahn. — Nur noch ein Zug wurde hinzugeſetzt: Der, wel- cher den Prometheus befreiete, half auch auf eine Weile, dem Atlas den Himmel tragen, und nahm die ewig druͤckende Laſt von Japets Sohn auf ſeine Schultern, um jenem eine kleine Zeit Er- leichterung zu verſchaffen. — So findet man auch auf alten Denkmaͤlern den Herkules abgebildet, den Himmelsglobus auf den Schultern tragend. Die Vermaͤhlungen des Herkules und ſeine Vergehungen und Schwaͤchen. Dieß ſind nun außer den zwoͤlf Arbeiten des Herkules ſeine vorzuͤglichſten Thaten. Die Dich- tungen ſchreiben ihm noch viel mehrere zu, weil alles, wozu Standhaftigkeit, Heldenmuth und

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/296>, abgerufen am 29.03.2024.