Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

die Hirtenflöte erfand, welche nach dem Nahmen
der verwandelten Nymphe Syrinx hieß.

Nach einigen Dichtungen ist Pan ein Sohn
Merkurs, und so wie dieser, auch in Arkadien
gebohren, wo sein vorzüglichster Aufenthalt auf
dem Berge Lycäus war. -- Andre Sagen lassen
ihn unter den ältesten Gottheiten schon mit auf-
treten, wo er auf eine geheimnißvolle Weise, das
Ganze, und die Natur der Dinge bezeich-
net. -- Auch den gekrümmten Hirtenstab ließ man
nicht ohne Bedeutung seyn, sondern auf die Wie-
derkehr der Jahreszeiten, und den Kreislauf der
Dinge durch seine Gestalt hinweisen. --

Man dachte sich unter dem Pan ein Wesen,
halb wohlthätig und halb furchtbar; -- und eben
weil dieser Begriff so schwankend war, schuf sich
die Einbildungskraft unter demselben allerlei
Schreckbilder. -- Irgend ein Getöse oder furcht-
bare Stimmen, die man in nächtlicher Stille,
oder vom einsamen Ufer her zu vernehmen glaubte,
schrieb man dem Pan zu; -- weswegen man
nachher auch ein jedes Entsetzen, wovon man selbst
die Ursache nicht wußte, oder wovon der Grund
bloß in der Einbildung lag, ein panisches Schre-
cken nannte.

Die Hirten, welche vorzüglich den Pan ver-
ehrten, fürchteten dennoch seinen Anblick; sie
flehten ihn aber um den Schutz ihrer Heerden an,

die Hirtenfloͤte erfand, welche nach dem Nahmen
der verwandelten Nymphe Syrinx hieß.

Nach einigen Dichtungen iſt Pan ein Sohn
Merkurs, und ſo wie dieſer, auch in Arkadien
gebohren, wo ſein vorzuͤglichſter Aufenthalt auf
dem Berge Lycaͤus war. — Andre Sagen laſſen
ihn unter den aͤlteſten Gottheiten ſchon mit auf-
treten, wo er auf eine geheimnißvolle Weiſe, das
Ganze, und die Natur der Dinge bezeich-
net. — Auch den gekruͤmmten Hirtenſtab ließ man
nicht ohne Bedeutung ſeyn, ſondern auf die Wie-
derkehr der Jahreszeiten, und den Kreislauf der
Dinge durch ſeine Geſtalt hinweiſen. —

Man dachte ſich unter dem Pan ein Weſen,
halb wohlthaͤtig und halb furchtbar; — und eben
weil dieſer Begriff ſo ſchwankend war, ſchuf ſich
die Einbildungskraft unter demſelben allerlei
Schreckbilder. — Irgend ein Getoͤſe oder furcht-
bare Stimmen, die man in naͤchtlicher Stille,
oder vom einſamen Ufer her zu vernehmen glaubte,
ſchrieb man dem Pan zu; — weswegen man
nachher auch ein jedes Entſetzen, wovon man ſelbſt
die Urſache nicht wußte, oder wovon der Grund
bloß in der Einbildung lag, ein paniſches Schre-
cken nannte.

Die Hirten, welche vorzuͤglich den Pan ver-
ehrten, fuͤrchteten dennoch ſeinen Anblick; ſie
flehten ihn aber um den Schutz ihrer Heerden an,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0382" n="320"/>
die Hirtenflo&#x0364;te erfand, welche nach dem Nahmen<lb/>
der verwandelten Nymphe <hi rendition="#fr">Syrinx</hi> hieß.</p><lb/>
          <p>Nach einigen Dichtungen i&#x017F;t Pan ein Sohn<lb/><hi rendition="#fr">Merkurs,</hi> und &#x017F;o wie die&#x017F;er, auch in <hi rendition="#fr">Arkadien</hi><lb/>
gebohren, wo &#x017F;ein vorzu&#x0364;glich&#x017F;ter Aufenthalt auf<lb/>
dem Berge <hi rendition="#fr">Lyca&#x0364;us</hi> war. &#x2014; Andre Sagen la&#x017F;&#x017F;en<lb/>
ihn unter den <hi rendition="#fr">a&#x0364;lte&#x017F;ten</hi> Gottheiten &#x017F;chon mit auf-<lb/>
treten, wo er auf eine geheimnißvolle Wei&#x017F;e, das<lb/><hi rendition="#fr">Ganze,</hi> und die <hi rendition="#fr">Natur der Dinge</hi> bezeich-<lb/>
net. &#x2014; Auch den gekru&#x0364;mmten Hirten&#x017F;tab ließ man<lb/>
nicht ohne Bedeutung &#x017F;eyn, &#x017F;ondern auf die Wie-<lb/>
derkehr der Jahreszeiten, und den Kreislauf der<lb/>
Dinge durch &#x017F;eine Ge&#x017F;talt hinwei&#x017F;en. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Man dachte &#x017F;ich unter dem Pan ein We&#x017F;en,<lb/>
halb wohltha&#x0364;tig und halb furchtbar; &#x2014; und eben<lb/>
weil die&#x017F;er Begriff &#x017F;o &#x017F;chwankend war, &#x017F;chuf &#x017F;ich<lb/>
die Einbildungskraft unter dem&#x017F;elben allerlei<lb/>
Schreckbilder. &#x2014; Irgend ein Geto&#x0364;&#x017F;e oder furcht-<lb/>
bare Stimmen, die man in na&#x0364;chtlicher Stille,<lb/>
oder vom ein&#x017F;amen Ufer her zu vernehmen glaubte,<lb/>
&#x017F;chrieb man dem Pan zu; &#x2014; weswegen man<lb/>
nachher auch ein jedes Ent&#x017F;etzen, wovon man &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
die Ur&#x017F;ache nicht wußte, oder wovon der Grund<lb/>
bloß in der Einbildung lag, ein <hi rendition="#fr">pani&#x017F;ches</hi> Schre-<lb/>
cken nannte.</p><lb/>
          <p>Die Hirten, welche vorzu&#x0364;glich den Pan ver-<lb/>
ehrten, fu&#x0364;rchteten dennoch &#x017F;einen Anblick; &#x017F;ie<lb/>
flehten ihn aber um den Schutz ihrer Heerden an,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[320/0382] die Hirtenfloͤte erfand, welche nach dem Nahmen der verwandelten Nymphe Syrinx hieß. Nach einigen Dichtungen iſt Pan ein Sohn Merkurs, und ſo wie dieſer, auch in Arkadien gebohren, wo ſein vorzuͤglichſter Aufenthalt auf dem Berge Lycaͤus war. — Andre Sagen laſſen ihn unter den aͤlteſten Gottheiten ſchon mit auf- treten, wo er auf eine geheimnißvolle Weiſe, das Ganze, und die Natur der Dinge bezeich- net. — Auch den gekruͤmmten Hirtenſtab ließ man nicht ohne Bedeutung ſeyn, ſondern auf die Wie- derkehr der Jahreszeiten, und den Kreislauf der Dinge durch ſeine Geſtalt hinweiſen. — Man dachte ſich unter dem Pan ein Weſen, halb wohlthaͤtig und halb furchtbar; — und eben weil dieſer Begriff ſo ſchwankend war, ſchuf ſich die Einbildungskraft unter demſelben allerlei Schreckbilder. — Irgend ein Getoͤſe oder furcht- bare Stimmen, die man in naͤchtlicher Stille, oder vom einſamen Ufer her zu vernehmen glaubte, ſchrieb man dem Pan zu; — weswegen man nachher auch ein jedes Entſetzen, wovon man ſelbſt die Urſache nicht wußte, oder wovon der Grund bloß in der Einbildung lag, ein paniſches Schre- cken nannte. Die Hirten, welche vorzuͤglich den Pan ver- ehrten, fuͤrchteten dennoch ſeinen Anblick; ſie flehten ihn aber um den Schutz ihrer Heerden an,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/382
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/382>, abgerufen am 23.04.2024.