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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

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dadurch sich ähnlich zu bilden, und ihren eigenen
erhabenen Ursprung in ihnen wieder zu finden.

Sie lassen daher den Amor selbst ehe er das
Chaos befruchtet, aus einem Ei hervorgehen.
Die schwarzgeflügelte Nacht, heißt es, brachte
das erste Ei in dem weiten Schooße des Erebus
hervor, aus dem nach einiger Zeit der reitzende
Amor, mit goldenen Flügeln versehen, hervor-
kam, und indem er sich mit dem geflügelten
Chaos vermählte, zuerst das Geschlecht der Vögel
erzeugte.

Man sieht also, daß diese Dichtungen, von
den komischen Dichtern eben sowohl scherzhaft, als
von den tragischen Dichtern tragisch genommen
wurden; weil man sie einmal als eine Sprache
der Phantasie betrachtete, worin sich Gedanken
jeder Art hüllen ließen, und selbst die gewöhnlich-
sten Dinge einen neuen Glanz und eine blühende
Farbe erhielten.

Die Dichtung vom Amor bleibt auch selber
noch in der scherzhaften Einkleidung des komischen
Dichters schön. -- Dieser älteste Amor ist vorzüg-
lich der erhabene Begriff von der alles erregenden
und befruchtenden Liebe selber. -- Unter den
neuen Göttern wird Amor von der Venus ge-
bohren, und Mars ist sein Erzeuger. -- Es ist
der geflügelte Knabe mit Pfeil und Bogen. --
Die Wirkung von seinem Geschoß sind die schmer-

dadurch ſich aͤhnlich zu bilden, und ihren eigenen
erhabenen Urſprung in ihnen wieder zu finden.

Sie laſſen daher den Amor ſelbſt ehe er das
Chaos befruchtet, aus einem Ei hervorgehen.
Die ſchwarzgefluͤgelte Nacht, heißt es, brachte
das erſte Ei in dem weiten Schooße des Erebus
hervor, aus dem nach einiger Zeit der reitzende
Amor, mit goldenen Fluͤgeln verſehen, hervor-
kam, und indem er ſich mit dem gefluͤgelten
Chaos vermaͤhlte, zuerſt das Geſchlecht der Voͤgel
erzeugte.

Man ſieht alſo, daß dieſe Dichtungen, von
den komiſchen Dichtern eben ſowohl ſcherzhaft, als
von den tragiſchen Dichtern tragiſch genommen
wurden; weil man ſie einmal als eine Sprache
der Phantaſie betrachtete, worin ſich Gedanken
jeder Art huͤllen ließen, und ſelbſt die gewoͤhnlich-
ſten Dinge einen neuen Glanz und eine bluͤhende
Farbe erhielten.

Die Dichtung vom Amor bleibt auch ſelber
noch in der ſcherzhaften Einkleidung des komiſchen
Dichters ſchoͤn. — Dieſer aͤlteſte Amor iſt vorzuͤg-
lich der erhabene Begriff von der alles erregenden
und befruchtenden Liebe ſelber. — Unter den
neuen Goͤttern wird Amor von der Venus ge-
bohren, und Mars iſt ſein Erzeuger. — Es iſt
der gefluͤgelte Knabe mit Pfeil und Bogen. —
Die Wirkung von ſeinem Geſchoß ſind die ſchmer-

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[55/0081] dadurch ſich aͤhnlich zu bilden, und ihren eigenen erhabenen Urſprung in ihnen wieder zu finden. Sie laſſen daher den Amor ſelbſt ehe er das Chaos befruchtet, aus einem Ei hervorgehen. Die ſchwarzgefluͤgelte Nacht, heißt es, brachte das erſte Ei in dem weiten Schooße des Erebus hervor, aus dem nach einiger Zeit der reitzende Amor, mit goldenen Fluͤgeln verſehen, hervor- kam, und indem er ſich mit dem gefluͤgelten Chaos vermaͤhlte, zuerſt das Geſchlecht der Voͤgel erzeugte. Man ſieht alſo, daß dieſe Dichtungen, von den komiſchen Dichtern eben ſowohl ſcherzhaft, als von den tragiſchen Dichtern tragiſch genommen wurden; weil man ſie einmal als eine Sprache der Phantaſie betrachtete, worin ſich Gedanken jeder Art huͤllen ließen, und ſelbſt die gewoͤhnlich- ſten Dinge einen neuen Glanz und eine bluͤhende Farbe erhielten. Die Dichtung vom Amor bleibt auch ſelber noch in der ſcherzhaften Einkleidung des komiſchen Dichters ſchoͤn. — Dieſer aͤlteſte Amor iſt vorzuͤg- lich der erhabene Begriff von der alles erregenden und befruchtenden Liebe ſelber. — Unter den neuen Goͤttern wird Amor von der Venus ge- bohren, und Mars iſt ſein Erzeuger. — Es iſt der gefluͤgelte Knabe mit Pfeil und Bogen. — Die Wirkung von ſeinem Geſchoß ſind die ſchmer-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/81>, abgerufen am 28.03.2024.