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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786.

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Auf die Weise brachte er zwölf schreckliche Wo¬
chen seines Lebens zu, bis ihn endlich der Pa¬
stor M. . . durch die dritte Hand selbst wissen
ließ, daß er sich seiner wieder annehmen wolle,
sobald er sich zur ernstlichen Abbitte und Reue
über sein Betragen bequemte.

Diß erweichte endlich sein Herz, da er über¬
dem seines hartnäckigen Trotzes und des darauf
folgenden langwierigen Elendes müde war. Er
setzte sich hin, und schrieb einen langen Brief an
den Pastor M. . ., worin er sich selbst mit der
größten Erbitterung gegen sich herabsetzte --
sich als den unwürdigsten Menschen schilderte,
den je die Sonne beschienen habe -- -- und sich
kein besser Schicksal prophezeite, als daß er der¬
einst vor Armuth und Dürftigkeit unter freiem
Himmel das Ende seines Lebens finden wür¬
de -- --

Kurz, dieser Brief war in den überspannte¬
sten Ausdrücken der Selbstverachtung und
Selbstherabwürdigung, die man sich nur denken

3r Theil. A

Auf die Weiſe brachte er zwoͤlf ſchreckliche Wo¬
chen ſeines Lebens zu, bis ihn endlich der Pa¬
ſtor M. . . durch die dritte Hand ſelbſt wiſſen
ließ, daß er ſich ſeiner wieder annehmen wolle,
ſobald er ſich zur ernſtlichen Abbitte und Reue
uͤber ſein Betragen bequemte.

Diß erweichte endlich ſein Herz, da er uͤber¬
dem ſeines hartnaͤckigen Trotzes und des darauf
folgenden langwierigen Elendes muͤde war. Er
ſetzte ſich hin, und ſchrieb einen langen Brief an
den Paſtor M. . ., worin er ſich ſelbſt mit der
groͤßten Erbitterung gegen ſich herabſetzte —
ſich als den unwuͤrdigſten Menſchen ſchilderte,
den je die Sonne beſchienen habe — — und ſich
kein beſſer Schickſal prophezeite, als daß er der¬
einſt vor Armuth und Duͤrftigkeit unter freiem
Himmel das Ende ſeines Lebens finden wuͤr¬
de — —

Kurz, dieſer Brief war in den uͤberſpannte¬
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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/11>, abgerufen am 28.03.2024.