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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786.

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Kein Donnerschlag hätte Reisern mehr zu Bo¬
den schlagen können, als diese Nachricht -- alle
seine glänzenden Aussichten, womit er sich wäh¬
rend der Verfertigung seiner Rede geschmeichelt
hatte, waren auf einmal wieder verschwunden,
und er fiel wieder in sein voriges Nichts zurück.
-- Der Direktor suchte ihn hierüber zu trösten --
aber er ging mit schwerem Herzen und melan¬
cholischen Gedanken, daß er zur ewigen Dunkel¬
heit bestimmt sey, von dem Direktor weg, und
nun fielen ihm die Verse ein, die er für Philipp
Reisern gemacht hatte, und die sich jetzt auf sei¬
nen Zustand paßten:

Oft will ich mich erheben
Und sinke schwer zurück
Und fühle dann mit Beben
Mein trauriges Geschick. --
Und als an einem andern Tage im Chore unter
andern in einer Arie die Worte gesungen
wurden:
Du strebst, um glücklicher zu werden,
Und siehst, daß du vergebens strebst --
so deutete er dieß ebenfalls auf sich, und kam
sich auf einmal wieder so verlassen, so verächt¬

Kein Donnerſchlag haͤtte Reiſern mehr zu Bo¬
den ſchlagen koͤnnen, als dieſe Nachricht — alle
ſeine glaͤnzenden Auſſichten, womit er ſich waͤh¬
rend der Verfertigung ſeiner Rede geſchmeichelt
hatte, waren auf einmal wieder verſchwunden,
und er fiel wieder in ſein voriges Nichts zuruͤck.
— Der Direktor ſuchte ihn hieruͤber zu troͤſten —
aber er ging mit ſchwerem Herzen und melan¬
choliſchen Gedanken, daß er zur ewigen Dunkel¬
heit beſtimmt ſey, von dem Direktor weg, und
nun fielen ihm die Verſe ein, die er fuͤr Philipp
Reiſern gemacht hatte, und die ſich jetzt auf ſei¬
nen Zuſtand paßten:

Oft will ich mich erheben
Und ſinke ſchwer zuruͤck
Und fuͤhle dann mit Beben
Mein trauriges Geſchick. —
Und als an einem andern Tage im Chore unter
andern in einer Arie die Worte geſungen
wurden:
Du ſtrebſt, um gluͤcklicher zu werden,
Und ſiehſt, daß du vergebens ſtrebſt —
ſo deutete er dieß ebenfalls auf ſich, und kam
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[134/0144] Kein Donnerſchlag haͤtte Reiſern mehr zu Bo¬ den ſchlagen koͤnnen, als dieſe Nachricht — alle ſeine glaͤnzenden Auſſichten, womit er ſich waͤh¬ rend der Verfertigung ſeiner Rede geſchmeichelt hatte, waren auf einmal wieder verſchwunden, und er fiel wieder in ſein voriges Nichts zuruͤck. — Der Direktor ſuchte ihn hieruͤber zu troͤſten — aber er ging mit ſchwerem Herzen und melan¬ choliſchen Gedanken, daß er zur ewigen Dunkel¬ heit beſtimmt ſey, von dem Direktor weg, und nun fielen ihm die Verſe ein, die er fuͤr Philipp Reiſern gemacht hatte, und die ſich jetzt auf ſei¬ nen Zuſtand paßten: Oft will ich mich erheben Und ſinke ſchwer zuruͤck Und fuͤhle dann mit Beben Mein trauriges Geſchick. — Und als an einem andern Tage im Chore unter andern in einer Arie die Worte geſungen wurden: Du ſtrebſt, um gluͤcklicher zu werden, Und ſiehſt, daß du vergebens ſtrebſt — ſo deutete er dieß ebenfalls auf ſich, und kam ſich auf einmal wieder ſo verlaſſen, ſo veraͤcht¬

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/144>, abgerufen am 28.03.2024.