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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786.

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tische gegeben hatten, bewetteiferten sich nun,
ihm ihre Freude und Theilnehmung zu bezeigen.
-- Seine Eltern, die lange nichts von ihm ge¬
hört und ihre Hoffnung auf ihn schon längst auf¬
gegeben hatten, waren ganz erfreut, da sie diese
plötzliche günstige Wendung seines Schicksals ver¬
nahmen, und den lateinischen Anschlagbogen er¬
hielten, worauf der Nahme ihres Sohnes mit
großen Buchstaben gedruckt stand. --

Bei allen diesem äußern Glanze blieb nun
Reiser immer noch in seiner alten Wohnung, wo
sein Wirth der Fleischer, dessen Frau und Magd,
und ein paar Soldaten, die dort im Quartier
lagen, seine Stubengesellschaft ausmachten. --

Wenn ihn nun, ohngeachtet dieser schlechten
Wohnung, einer von seinen reichen und angese¬
henen Mitschülern besuchte, so machte ihm dieß
ein geheimes Vergnügen -- daß er auch, ohne
ein einladendes Logis oder sonst äußere Vorzüge
zu haben, bloß um sein selbst willen gesucht wür¬
de. -- Dieß machte, daß er zuweilen auf seine
schlechte Wohnung ordentlich stolz war. --

Endlich kam nun der Tag seines Triumphes
heran, wo er auf die auffallendste Art, die nur

tiſche gegeben hatten, bewetteiferten ſich nun,
ihm ihre Freude und Theilnehmung zu bezeigen.
— Seine Eltern, die lange nichts von ihm ge¬
hoͤrt und ihre Hoffnung auf ihn ſchon laͤngſt auf¬
gegeben hatten, waren ganz erfreut, da ſie dieſe
ploͤtzliche guͤnſtige Wendung ſeines Schickſals ver¬
nahmen, und den lateiniſchen Anſchlagbogen er¬
hielten, worauf der Nahme ihres Sohnes mit
großen Buchſtaben gedruckt ſtand. —

Bei allen dieſem aͤußern Glanze blieb nun
Reiſer immer noch in ſeiner alten Wohnung, wo
ſein Wirth der Fleiſcher, deſſen Frau und Magd,
und ein paar Soldaten, die dort im Quartier
lagen, ſeine Stubengeſellſchaft ausmachten. —

Wenn ihn nun, ohngeachtet dieſer ſchlechten
Wohnung, einer von ſeinen reichen und angeſe¬
henen Mitſchuͤlern beſuchte, ſo machte ihm dieß
ein geheimes Vergnuͤgen — daß er auch, ohne
ein einladendes Logis oder ſonſt aͤußere Vorzuͤge
zu haben, bloß um ſein ſelbſt willen geſucht wuͤr¬
de. — Dieß machte, daß er zuweilen auf ſeine
ſchlechte Wohnung ordentlich ſtolz war. —

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[143/0153] tiſche gegeben hatten, bewetteiferten ſich nun, ihm ihre Freude und Theilnehmung zu bezeigen. — Seine Eltern, die lange nichts von ihm ge¬ hoͤrt und ihre Hoffnung auf ihn ſchon laͤngſt auf¬ gegeben hatten, waren ganz erfreut, da ſie dieſe ploͤtzliche guͤnſtige Wendung ſeines Schickſals ver¬ nahmen, und den lateiniſchen Anſchlagbogen er¬ hielten, worauf der Nahme ihres Sohnes mit großen Buchſtaben gedruckt ſtand. — Bei allen dieſem aͤußern Glanze blieb nun Reiſer immer noch in ſeiner alten Wohnung, wo ſein Wirth der Fleiſcher, deſſen Frau und Magd, und ein paar Soldaten, die dort im Quartier lagen, ſeine Stubengeſellſchaft ausmachten. — Wenn ihn nun, ohngeachtet dieſer ſchlechten Wohnung, einer von ſeinen reichen und angeſe¬ henen Mitſchuͤlern beſuchte, ſo machte ihm dieß ein geheimes Vergnuͤgen — daß er auch, ohne ein einladendes Logis oder ſonſt aͤußere Vorzuͤge zu haben, bloß um ſein ſelbſt willen geſucht wuͤr¬ de. — Dieß machte, daß er zuweilen auf ſeine ſchlechte Wohnung ordentlich ſtolz war. — Endlich kam nun der Tag ſeines Triumphes heran, wo er auf die auffallendſte Art, die nur

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/153>, abgerufen am 29.03.2024.