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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786.

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unnatürlich vorkam, wenn er einen Tag ein¬
mal keine Kopfschmerzen hatte. --

Seine Zusammenkünfte mit Philipp Reisern
wurden nun immer häufiger -- und er erhielt
unvermutheter Weise zu diesem noch einen
Freund; diß war der Sohn des Kantors, Nah¬
mens W..., einer seiner Mitschüler, gegen dessen
Miene und Gesichtsbildung er fast immer eine
Art von Antipathie gehegt, und sich zugleich von
ihm verachtet geglaubt hatte. --

Dieser wußte von seinem Vater, daß Anton
Reiser einmal Verse gemacht hatte, und weil er
nun selbst für jemanden ein Gedicht auf einen
Geburtstag zu machen versprochen hatte, so
suchte er Reisern auf, und bat ihn um die Ver¬
fertigung dieses Gedichts, das er selbst auszuarbei¬
ten nicht Lust oder Zeit hatte. -- Diß war für
Reisern die erste Veranlassung, seine ganz vernach¬
lässigte Poesie wieder hervorzusuchen. --

Das kleine Gedicht gelang ihm nicht übel --
W... besuchte ihn von der Zeit an öfter, und
versprach ihm einstmals, daß er ihm die Bekannt¬
schaft eines merkwürdigen Mannes verschaffen
wolle, der übrigens ganz im Dunkeln lebe, und

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unnatuͤrlich vorkam, wenn er einen Tag ein¬
mal keine Kopfſchmerzen hatte. —

Seine Zuſammenkuͤnfte mit Philipp Reiſern
wurden nun immer haͤufiger — und er erhielt
unvermutheter Weiſe zu dieſem noch einen
Freund; diß war der Sohn des Kantors, Nah¬
mens W..., einer ſeiner Mitſchuͤler, gegen deſſen
Miene und Geſichtsbildung er faſt immer eine
Art von Antipathie gehegt, und ſich zugleich von
ihm verachtet geglaubt hatte. —

Dieſer wußte von ſeinem Vater, daß Anton
Reiſer einmal Verſe gemacht hatte, und weil er
nun ſelbſt fuͤr jemanden ein Gedicht auf einen
Geburtstag zu machen verſprochen hatte, ſo
ſuchte er Reiſern auf, und bat ihn um die Ver¬
fertigung dieſes Gedichts, das er ſelbſt auszuarbei¬
ten nicht Luſt oder Zeit hatte. — Diß war fuͤr
Reiſern die erſte Veranlaſſung, ſeine ganz vernach¬
laͤſſigte Poeſie wieder hervorzuſuchen. —

Das kleine Gedicht gelang ihm nicht uͤbel —
W... beſuchte ihn von der Zeit an oͤfter, und
verſprach ihm einſtmals, daß er ihm die Bekannt¬
ſchaft eines merkwuͤrdigen Mannes verſchaffen
wolle, der uͤbrigens ganz im Dunkeln lebe, und

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[55/0065] unnatuͤrlich vorkam, wenn er einen Tag ein¬ mal keine Kopfſchmerzen hatte. — Seine Zuſammenkuͤnfte mit Philipp Reiſern wurden nun immer haͤufiger — und er erhielt unvermutheter Weiſe zu dieſem noch einen Freund; diß war der Sohn des Kantors, Nah¬ mens W..., einer ſeiner Mitſchuͤler, gegen deſſen Miene und Geſichtsbildung er faſt immer eine Art von Antipathie gehegt, und ſich zugleich von ihm verachtet geglaubt hatte. — Dieſer wußte von ſeinem Vater, daß Anton Reiſer einmal Verſe gemacht hatte, und weil er nun ſelbſt fuͤr jemanden ein Gedicht auf einen Geburtstag zu machen verſprochen hatte, ſo ſuchte er Reiſern auf, und bat ihn um die Ver¬ fertigung dieſes Gedichts, das er ſelbſt auszuarbei¬ ten nicht Luſt oder Zeit hatte. — Diß war fuͤr Reiſern die erſte Veranlaſſung, ſeine ganz vernach¬ laͤſſigte Poeſie wieder hervorzuſuchen. — Das kleine Gedicht gelang ihm nicht uͤbel — W... beſuchte ihn von der Zeit an oͤfter, und verſprach ihm einſtmals, daß er ihm die Bekannt¬ ſchaft eines merkwuͤrdigen Mannes verſchaffen wolle, der uͤbrigens ganz im Dunkeln lebe, und D 4

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/65>, abgerufen am 28.03.2024.