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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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fentlichen Hallen und auf dem Markte gewöhnlicher 1,
wo ziemlich jeder Athener jeden Tag sich einmal sehen
ließ. In Sparta war die Jugend von dem Markte
ganz ausgeschlossen 2; so wie von der Pyläa 3, wel-
che nicht blos in Delphi 4, sondern auch in andern
Dorischen Staaten ein Ort des Handels und Verkehrs
war; daher in Rhodos Lügner Pylaiasten hießen 5,
wovon der Grund deutlich wird, wenn man daran
denkt, daß es in Griechenland auch Lügen- und in
Athen einen Kerkopenmarkt gab 6.

2.

Da wir bis auf diesen Punkt gekommen sind,
und in dem Bisherigen ziemlich alle Seiten und Rich-
tungen des Lebens jener Zeit behandelt oder berührt
haben: wäre es wünschenswerth zu wissen, wie die
Dorier den Schluß des Gesammten, den Tod, ange-
sehn: um so mehr als wir dadurch das Ende dieser
Betrachtung mit dem Anfange, der das religiöse Leben
betraf, zusammenknüpfen würden. Aber grade davon
ist uns wenig solche Kunde zugekommen, die auf eine
Eigenthümlichkeit der Ansicht hinwiese; die Liebe indeß
zur hellen und klaren Erscheinung und der Widerwille
gegen das Unbestimmte und Gränzenlose, welcher sich
in dem Cult des Apollon wie in dem Dorischen Leben
überhaupt ausspricht, wird die Betrachtung von den

1 Oben Bd. 2. S. 244, 33. Ueber Ap. Leskhenorios adde
Kleanth bei Harpokr. s. v. leskhai. Meurs. ad Lycophron. 543.
2 Plutarch Lykurg 25.
3 Plutarch Instituta Laconica
p.
254. ton ek tou gumnasiou neaniskon epetimon, oti ten eis
pulaian odon epistato.
4 Dort war sie förmliche Messe,
Dion Or. 77. p. 414 R. und auch Sklavenmarkt, wie ich aus
Plut. Prov. Alex. 105. abnehme. Kratinos Pulaia spielte viel-
leicht hier.
5 Hesych und das Schol. zu Plut. Artax. 1. p.
387 H. vgl. Suid. An die Delphische Pyläg ist dabei gewiß nicht
zu denken.
6 Lobeck de Cercop. et Cob. p. 7.

fentlichen Hallen und auf dem Markte gewoͤhnlicher 1,
wo ziemlich jeder Athener jeden Tag ſich einmal ſehen
ließ. In Sparta war die Jugend von dem Markte
ganz ausgeſchloſſen 2; ſo wie von der Pylaͤa 3, wel-
che nicht blos in Delphi 4, ſondern auch in andern
Doriſchen Staaten ein Ort des Handels und Verkehrs
war; daher in Rhodos Luͤgner Pylaiaſten hießen 5,
wovon der Grund deutlich wird, wenn man daran
denkt, daß es in Griechenland auch Luͤgen- und in
Athen einen Kerkopenmarkt gab 6.

2.

Da wir bis auf dieſen Punkt gekommen ſind,
und in dem Bisherigen ziemlich alle Seiten und Rich-
tungen des Lebens jener Zeit behandelt oder beruͤhrt
haben: waͤre es wuͤnſchenswerth zu wiſſen, wie die
Dorier den Schluß des Geſammten, den Tod, ange-
ſehn: um ſo mehr als wir dadurch das Ende dieſer
Betrachtung mit dem Anfange, der das religioͤſe Leben
betraf, zuſammenknuͤpfen wuͤrden. Aber grade davon
iſt uns wenig ſolche Kunde zugekommen, die auf eine
Eigenthuͤmlichkeit der Anſicht hinwieſe; die Liebe indeß
zur hellen und klaren Erſcheinung und der Widerwille
gegen das Unbeſtimmte und Graͤnzenloſe, welcher ſich
in dem Cult des Apollon wie in dem Doriſchen Leben
uͤberhaupt ausſpricht, wird die Betrachtung von den

1 Oben Bd. 2. S. 244, 33. Ueber Ap. Λεσχηνόϱιος adde
Kleanth bei Harpokr. s. v. λέσχαι. Meurſ. ad Lycophron. 543.
2 Plutarch Lykurg 25.
3 Plutarch Instituta Laconica
p.
254. τὸν ἐκ τοῦ γυμνασίου νεανίσκον ἐπετίμων, ὅτι τὴν εἰς
πυλαίαν ὁδὸν ἠπίστατο.
4 Dort war ſie foͤrmliche Meſſe,
Dion Or. 77. p. 414 R. und auch Sklavenmarkt, wie ich aus
Plut. Prov. Alex. 105. abnehme. Kratinos Πυλαία ſpielte viel-
leicht hier.
5 Heſych und das Schol. zu Plut. Artax. 1. p.
387 H. vgl. Suid. An die Delphiſche Pylaͤg iſt dabei gewiß nicht
zu denken.
6 Lobeck de Cercop. et Cob. p. 7.
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[399/0405] fentlichen Hallen und auf dem Markte gewoͤhnlicher 1, wo ziemlich jeder Athener jeden Tag ſich einmal ſehen ließ. In Sparta war die Jugend von dem Markte ganz ausgeſchloſſen 2; ſo wie von der Pylaͤa 3, wel- che nicht blos in Delphi 4, ſondern auch in andern Doriſchen Staaten ein Ort des Handels und Verkehrs war; daher in Rhodos Luͤgner Pylaiaſten hießen 5, wovon der Grund deutlich wird, wenn man daran denkt, daß es in Griechenland auch Luͤgen- und in Athen einen Kerkopenmarkt gab 6. 2. Da wir bis auf dieſen Punkt gekommen ſind, und in dem Bisherigen ziemlich alle Seiten und Rich- tungen des Lebens jener Zeit behandelt oder beruͤhrt haben: waͤre es wuͤnſchenswerth zu wiſſen, wie die Dorier den Schluß des Geſammten, den Tod, ange- ſehn: um ſo mehr als wir dadurch das Ende dieſer Betrachtung mit dem Anfange, der das religioͤſe Leben betraf, zuſammenknuͤpfen wuͤrden. Aber grade davon iſt uns wenig ſolche Kunde zugekommen, die auf eine Eigenthuͤmlichkeit der Anſicht hinwieſe; die Liebe indeß zur hellen und klaren Erſcheinung und der Widerwille gegen das Unbeſtimmte und Graͤnzenloſe, welcher ſich in dem Cult des Apollon wie in dem Doriſchen Leben uͤberhaupt ausſpricht, wird die Betrachtung von den 1 Oben Bd. 2. S. 244, 33. Ueber Ap. Λεσχηνόϱιος adde Kleanth bei Harpokr. s. v. λέσχαι. Meurſ. ad Lycophron. 543. 2 Plutarch Lykurg 25. 3 Plutarch Instituta Laconica p. 254. τὸν ἐκ τοῦ γυμνασίου νεανίσκον ἐπετίμων, ὅτι τὴν εἰς πυλαίαν ὁδὸν ἠπίστατο. 4 Dort war ſie foͤrmliche Meſſe, Dion Or. 77. p. 414 R. und auch Sklavenmarkt, wie ich aus Plut. Prov. Alex. 105. abnehme. Kratinos Πυλαία ſpielte viel- leicht hier. 5 Heſych und das Schol. zu Plut. Artax. 1. p. 387 H. vgl. Suid. An die Delphiſche Pylaͤg iſt dabei gewiß nicht zu denken. 6 Lobeck de Cercop. et Cob. p. 7.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/405>, abgerufen am 28.03.2024.