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Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830.

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Griechen. Fünfte Periode.

187. IV. Von den Trig. tyranni bis in1
die Byzantinische Zeit. Die antike Welt verfällt,
mit ihr die Kunst. Der lebendige Glaube an die Göt-2
ter des Heidenthums verschwindet; Versuche ihn zu hal-
ten können der Kunst nicht helfen, da sie immer nur
Begriffe für individuelle Wesen geben. In gleichem Maaße3
verliert der altrömische Patriotismus durch die politischen
Veränderungen und die innre Kraftlosigkeit des Reichs
den Halt, welchen ihm das Kaiserthum noch gelassen hatte.
Die Kunst dient fast nur noch dazu, Individuen zu eh-4
ren, und einen geschmacklosen, halborientalischen, Hof-
prunk zu unterstützen. In allen höhern Kunstwerken setzt
sich an die Stelle des frühern Schwulsts Leerheit und
Roheit. Die Barbarei tritt, auch ohne äußere Bedräng-
nisse, nach dem nothwendigen Gange des innern Lebens
der alten Welt ein.


2. Architektonik.

188. Schon vor den Kaisern hatte Rom alle Arten1
von Gebäuden erhalten, welche eine große Stadt nach der
Weise der Makedonischen Anlagen zu schmücken nöthig
schienen; zierlich gebaute Tempel, obgleich keinen von be-2
deutendem Umfang; Curien und Basiliken, welche den3
Römern immer nöthiger wurden; mit Säulenhallen und4
öffentlichen Gebäuden umgebne Märkte (Fora); auch5
Gebäude für die Spiele, welche das Römische Volk frü-
her, wenn auch prächtig, doch nur für kurzen Bestand con-
struirt zu sehen gewohnt war, wurden jetzt von Stein und
in riesenhaften Maaßen gebaut. Eben so nahm der Luxus6
der Privatgebäude, nachdem er schüchtern und zögernd die er-
sten Schritte gethan hatte, bald reißend und auf eine nie-
gesehne Weise überhand; zugleich füllten Monumente die7
Straßen, und prächtige Villen verschlangen den Platz
zum Ackerbau.

Griechen. Fuͤnfte Periode.

187. IV. Von den Trig. tyranni bis in1
die Byzantiniſche Zeit. Die antike Welt verfaͤllt,
mit ihr die Kunſt. Der lebendige Glaube an die Goͤt-2
ter des Heidenthums verſchwindet; Verſuche ihn zu hal-
ten koͤnnen der Kunſt nicht helfen, da ſie immer nur
Begriffe fuͤr individuelle Weſen geben. In gleichem Maaße3
verliert der altroͤmiſche Patriotismus durch die politiſchen
Veraͤnderungen und die innre Kraftloſigkeit des Reichs
den Halt, welchen ihm das Kaiſerthum noch gelaſſen hatte.
Die Kunſt dient faſt nur noch dazu, Individuen zu eh-4
ren, und einen geſchmackloſen, halborientaliſchen, Hof-
prunk zu unterſtuͤtzen. In allen hoͤhern Kunſtwerken ſetzt
ſich an die Stelle des fruͤhern Schwulſts Leerheit und
Roheit. Die Barbarei tritt, auch ohne aͤußere Bedraͤng-
niſſe, nach dem nothwendigen Gange des innern Lebens
der alten Welt ein.


2. Architektonik.

188. Schon vor den Kaiſern hatte Rom alle Arten1
von Gebaͤuden erhalten, welche eine große Stadt nach der
Weiſe der Makedoniſchen Anlagen zu ſchmuͤcken noͤthig
ſchienen; zierlich gebaute Tempel, obgleich keinen von be-2
deutendem Umfang; Curien und Baſiliken, welche den3
Roͤmern immer noͤthiger wurden; mit Saͤulenhallen und4
oͤffentlichen Gebaͤuden umgebne Maͤrkte (Fora); auch5
Gebaͤude fuͤr die Spiele, welche das Roͤmiſche Volk fruͤ-
her, wenn auch praͤchtig, doch nur fuͤr kurzen Beſtand con-
ſtruirt zu ſehen gewohnt war, wurden jetzt von Stein und
in rieſenhaften Maaßen gebaut. Eben ſo nahm der Luxus6
der Privatgebaͤude, nachdem er ſchuͤchtern und zoͤgernd die er-
ſten Schritte gethan hatte, bald reißend und auf eine nie-
geſehne Weiſe uͤberhand; zugleich fuͤllten Monumente die7
Straßen, und praͤchtige Villen verſchlangen den Platz
zum Ackerbau.

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[173/0195] Griechen. Fuͤnfte Periode. 187. IV. Von den Trig. tyranni bis in die Byzantiniſche Zeit. Die antike Welt verfaͤllt, mit ihr die Kunſt. Der lebendige Glaube an die Goͤt- ter des Heidenthums verſchwindet; Verſuche ihn zu hal- ten koͤnnen der Kunſt nicht helfen, da ſie immer nur Begriffe fuͤr individuelle Weſen geben. In gleichem Maaße verliert der altroͤmiſche Patriotismus durch die politiſchen Veraͤnderungen und die innre Kraftloſigkeit des Reichs den Halt, welchen ihm das Kaiſerthum noch gelaſſen hatte. Die Kunſt dient faſt nur noch dazu, Individuen zu eh- ren, und einen geſchmackloſen, halborientaliſchen, Hof- prunk zu unterſtuͤtzen. In allen hoͤhern Kunſtwerken ſetzt ſich an die Stelle des fruͤhern Schwulſts Leerheit und Roheit. Die Barbarei tritt, auch ohne aͤußere Bedraͤng- niſſe, nach dem nothwendigen Gange des innern Lebens der alten Welt ein. 1 2 3 4 2. Architektonik. 188. Schon vor den Kaiſern hatte Rom alle Arten von Gebaͤuden erhalten, welche eine große Stadt nach der Weiſe der Makedoniſchen Anlagen zu ſchmuͤcken noͤthig ſchienen; zierlich gebaute Tempel, obgleich keinen von be- deutendem Umfang; Curien und Baſiliken, welche den Roͤmern immer noͤthiger wurden; mit Saͤulenhallen und oͤffentlichen Gebaͤuden umgebne Maͤrkte (Fora); auch Gebaͤude fuͤr die Spiele, welche das Roͤmiſche Volk fruͤ- her, wenn auch praͤchtig, doch nur fuͤr kurzen Beſtand con- ſtruirt zu ſehen gewohnt war, wurden jetzt von Stein und in rieſenhaften Maaßen gebaut. Eben ſo nahm der Luxus der Privatgebaͤude, nachdem er ſchuͤchtern und zoͤgernd die er- ſten Schritte gethan hatte, bald reißend und auf eine nie- geſehne Weiſe uͤberhand; zugleich fuͤllten Monumente die Straßen, und praͤchtige Villen verſchlangen den Platz zum Ackerbau. 1 2 3 4 5 6 7

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/195>, abgerufen am 29.03.2024.