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Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830.

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Systematischer Theil.
3. Silene.

1386. Jene älteren und bärtigen Satyrn werden auch,
wenn von Kunstwerken die Rede ist, öfter Silene (Stumpf-
nasige genannt), so daß ein fester und sichrer Unterschied
2Beider für die Kunst kaum nachzuweisen ist. Doch haftet die-
ser Name besonders an einer älteren Satyrgestalt, welche,
gern mit dem Weinschlauch verbunden, selbst etwas Schlauch-
artiges hat (daher sie auch gern zur Decoration von
Wasserkünsten angewandt wurde), und in trunkner
Fülle mehr als andre Begleiter des Gottes einer
3Lehne und Stütze bedarf. Diese wird ihm bald durch
einen tragenden Esel bald durch eifrig um ihn bemühte
4Satyrknaben zu Theil. Doch ist dieser seelige Dämon
in einer tiefern Denkungsweise, die besonders durch die
Orphiker ausgebildet murde, zugleich einer Weisheit voll,
der alles das rastlose Menschentreiben als Thorheit er-
scheint; auch die bildende Kunst stellt ihn in edleren und
großartigern Formen als den Pfleger und Lehrer des
5Dionysoskindes dar. Papposilene nannte man unter den
Figuren des alten Satyrdrama's die ganz behaarten und
bärtigen Satyrgestalten.

2. S. Heyne Comment. Soc. Gott. T. x. p. 88. Auch
Heron, Spirit. p. 190. 205., erwähnt Satyrisken mit Schläu-
chen bei Wasserkünsten, so wie Panisken als scheuchende Figuren,
p. 183. Nur deswegen, denke ich, hießen in Rom (von dem
Dorischen Sicilien her) Fontänen Silani.

3. Solche Schlauchsilenen, stehend August. 71.; liegend der
Ludovisische, Perrier 99. Auf Schlauch reitend Ant. Erc. vi,
44. Auf dem Weinkruge, als Lampe, Amalth. iii, 168. Eine
Traube ausdrückend PCl. i, 46. Auf dem Esel gelagert, auch
einem bockenden, oft auf Gemmen und Reliefs, Bouill. iii,
40, 1. Der trunkne von Satyrn gestützt PCl. iv, 28.
Zoega 4. Guattani 1786 p. xxxv. (wenn nicht Herakles); von
Eros Zoega 79. Br. Mus. Terrac. 5. Eroten unterhalten
Silen auch mit Musik, Bracci ii. t. 71. Als Kordaxtänzer
schildert den S. Lucian Ikaromenipp 27. vgl. Hirt 22, 7. Mil-
lin Vas. i, 5. Komos von Silenen §. 127, 2.

Syſtematiſcher Theil.
3. Silene.

1386. Jene aͤlteren und baͤrtigen Satyrn werden auch,
wenn von Kunſtwerken die Rede iſt, oͤfter Silene (Stumpf-
naſige genannt), ſo daß ein feſter und ſichrer Unterſchied
2Beider fuͤr die Kunſt kaum nachzuweiſen iſt. Doch haftet die-
ſer Name beſonders an einer aͤlteren Satyrgeſtalt, welche,
gern mit dem Weinſchlauch verbunden, ſelbſt etwas Schlauch-
artiges hat (daher ſie auch gern zur Decoration von
Waſſerkuͤnſten angewandt wurde), und in trunkner
Fuͤlle mehr als andre Begleiter des Gottes einer
3Lehne und Stuͤtze bedarf. Dieſe wird ihm bald durch
einen tragenden Eſel bald durch eifrig um ihn bemuͤhte
4Satyrknaben zu Theil. Doch iſt dieſer ſeelige Daͤmon
in einer tiefern Denkungsweiſe, die beſonders durch die
Orphiker ausgebildet murde, zugleich einer Weisheit voll,
der alles das raſtloſe Menſchentreiben als Thorheit er-
ſcheint; auch die bildende Kunſt ſtellt ihn in edleren und
großartigern Formen als den Pfleger und Lehrer des
5Dionyſoskindes dar. Pappoſilene nannte man unter den
Figuren des alten Satyrdrama’s die ganz behaarten und
baͤrtigen Satyrgeſtalten.

2. S. Heyne Comment. Soc. Gott. T. x. p. 88. Auch
Heron, Spirit. p. 190. 205., erwähnt Satyrisken mit Schläu-
chen bei Waſſerkünſten, ſo wie Panisken als ſcheuchende Figuren,
p. 183. Nur deswegen, denke ich, hießen in Rom (von dem
Doriſchen Sicilien her) Fontänen Silani.

3. Solche Schlauchſilenen, ſtehend August. 71.; liegend der
Ludoviſiſche, Perrier 99. Auf Schlauch reitend Ant. Erc. vi,
44. Auf dem Weinkruge, als Lampe, Amalth. iii, 168. Eine
Traube ausdrückend PCl. i, 46. Auf dem Eſel gelagert, auch
einem bockenden, oft auf Gemmen und Reliefs, Bouill. iii,
40, 1. Der trunkne von Satyrn geſtützt PCl. iv, 28.
Zoëga 4. Guattani 1786 p. xxxv. (wenn nicht Herakles); von
Eros Zoëga 79. Br. Mus. Terrac. 5. Eroten unterhalten
Silen auch mit Muſik, Bracci ii. t. 71. Als Kordaxtänzer
ſchildert den S. Lucian Ikaromenipp 27. vgl. Hirt 22, 7. Mil-
lin Vas. i, 5. Κῶμος von Silenen §. 127, 2.

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[518/0540] Syſtematiſcher Theil. 3. Silene. 386. Jene aͤlteren und baͤrtigen Satyrn werden auch, wenn von Kunſtwerken die Rede iſt, oͤfter Silene (Stumpf- naſige genannt), ſo daß ein feſter und ſichrer Unterſchied Beider fuͤr die Kunſt kaum nachzuweiſen iſt. Doch haftet die- ſer Name beſonders an einer aͤlteren Satyrgeſtalt, welche, gern mit dem Weinſchlauch verbunden, ſelbſt etwas Schlauch- artiges hat (daher ſie auch gern zur Decoration von Waſſerkuͤnſten angewandt wurde), und in trunkner Fuͤlle mehr als andre Begleiter des Gottes einer Lehne und Stuͤtze bedarf. Dieſe wird ihm bald durch einen tragenden Eſel bald durch eifrig um ihn bemuͤhte Satyrknaben zu Theil. Doch iſt dieſer ſeelige Daͤmon in einer tiefern Denkungsweiſe, die beſonders durch die Orphiker ausgebildet murde, zugleich einer Weisheit voll, der alles das raſtloſe Menſchentreiben als Thorheit er- ſcheint; auch die bildende Kunſt ſtellt ihn in edleren und großartigern Formen als den Pfleger und Lehrer des Dionyſoskindes dar. Pappoſilene nannte man unter den Figuren des alten Satyrdrama’s die ganz behaarten und baͤrtigen Satyrgeſtalten. 1 2 3 4 5 2. S. Heyne Comment. Soc. Gott. T. x. p. 88. Auch Heron, Spirit. p. 190. 205., erwähnt Satyrisken mit Schläu- chen bei Waſſerkünſten, ſo wie Panisken als ſcheuchende Figuren, p. 183. Nur deswegen, denke ich, hießen in Rom (von dem Doriſchen Sicilien her) Fontänen Silani. 3. Solche Schlauchſilenen, ſtehend August. 71.; liegend der Ludoviſiſche, Perrier 99. Auf Schlauch reitend Ant. Erc. vi, 44. Auf dem Weinkruge, als Lampe, Amalth. iii, 168. Eine Traube ausdrückend PCl. i, 46. Auf dem Eſel gelagert, auch einem bockenden, oft auf Gemmen und Reliefs, Bouill. iii, 40, 1. Der trunkne von Satyrn geſtützt PCl. iv, 28. Zoëga 4. Guattani 1786 p. xxxv. (wenn nicht Herakles); von Eros Zoëga 79. Br. Mus. Terrac. 5. Eroten unterhalten Silen auch mit Muſik, Bracci ii. t. 71. Als Kordaxtänzer ſchildert den S. Lucian Ikaromenipp 27. vgl. Hirt 22, 7. Mil- lin Vas. i, 5. Κῶμος von Silenen §. 127, 2.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830, S. 518. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/540>, abgerufen am 28.03.2024.