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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

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Elfte Vorlesung.

Geist der Mosaischen Gesetzgebung.


Ganz offenbar ist aus meiner Darstellung von
dem Geiste der Gesetze hervorgegangen, daß es,
wenn einmal bloß das gegenwärtige, weltliche In-
teresse der zufällig auf der Erde oder im Staate
neben einander lebenden Menschen gelten soll,
kein wahres Recht, weder auf der Erde, noch im
Staate, giebt. Man glaubt, alles gewonnen
zu haben, wenn man einen Codex bestimmter
und unbedingter Gesetze bei einander hat; wenn
man diesen Gesetzen, den Resultaten tausendjäh-
riger Erfahrung, treue, gewissenhafte, unbestech-
liche Verwalter und vermeintliche Ausspender
des Rechtes beigesellt; man glaubt gegen das
Ganze des Staates seine Pflicht hinlänglich er-
füllt und seinen Tribut reichlich bezahlt zu ha-
ben, wenn man sich diesen Gesetzen und der bür-
gerlichen Form, die mit ihnen verknüpft ist, Einer-


Elfte Vorleſung.

Geiſt der Moſaiſchen Geſetzgebung.


Ganz offenbar iſt aus meiner Darſtellung von
dem Geiſte der Geſetze hervorgegangen, daß es,
wenn einmal bloß das gegenwaͤrtige, weltliche In-
tereſſe der zufaͤllig auf der Erde oder im Staate
neben einander lebenden Menſchen gelten ſoll,
kein wahres Recht, weder auf der Erde, noch im
Staate, giebt. Man glaubt, alles gewonnen
zu haben, wenn man einen Codex beſtimmter
und unbedingter Geſetze bei einander hat; wenn
man dieſen Geſetzen, den Reſultaten tauſendjaͤh-
riger Erfahrung, treue, gewiſſenhafte, unbeſtech-
liche Verwalter und vermeintliche Ausſpender
des Rechtes beigeſellt; man glaubt gegen das
Ganze des Staates ſeine Pflicht hinlaͤnglich er-
fuͤllt und ſeinen Tribut reichlich bezahlt zu ha-
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gerlichen Form, die mit ihnen verknuͤpft iſt, Einer-

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[[3]/0011] Elfte Vorleſung. Geiſt der Moſaiſchen Geſetzgebung. Ganz offenbar iſt aus meiner Darſtellung von dem Geiſte der Geſetze hervorgegangen, daß es, wenn einmal bloß das gegenwaͤrtige, weltliche In- tereſſe der zufaͤllig auf der Erde oder im Staate neben einander lebenden Menſchen gelten ſoll, kein wahres Recht, weder auf der Erde, noch im Staate, giebt. Man glaubt, alles gewonnen zu haben, wenn man einen Codex beſtimmter und unbedingter Geſetze bei einander hat; wenn man dieſen Geſetzen, den Reſultaten tauſendjaͤh- riger Erfahrung, treue, gewiſſenhafte, unbeſtech- liche Verwalter und vermeintliche Ausſpender des Rechtes beigeſellt; man glaubt gegen das Ganze des Staates ſeine Pflicht hinlaͤnglich er- fuͤllt und ſeinen Tribut reichlich bezahlt zu ha- ben, wenn man ſich dieſen Geſetzen und der buͤr- gerlichen Form, die mit ihnen verknuͤpft iſt, Einer-

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/11>, abgerufen am 18.04.2024.