Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

Staatskunst sey; daß alle gegenwärtig in der Irre
umherlaufende Philanthropie, Humanität und
geistige Cultur wieder eingefangen und gezähmt
und dem Staat unterworfen werden müsse: so
behaupten wir damit, daß das Wesentliche am
Staate, jene uralte natürliche Vereinigung des
Staates und der Religion, durch eine erha-
bene Kunst wieder herzustellen sey, und daß diese
Kunst nothwendig zur Ausübung kommen müsse,
wenn nicht alle gegenwärtigen Halbstaaten unter-
gehen sollen.

Man muthe mir keine andre Ansicht bei die-
sen Vorlesungen zu! Das System unsrer Ge-
setze, die ich, wie schon gesagt, für nichts mehr
als Polizei-Verordnungen halte, zu lehren, oder
die Theorie unsrer sogenannten National-Oekono-
mie, die in meinen Augen nichts andres als eine
nichtswürdige Plusmacherei ist, her zu demon-
striren -- dazu halte ich Sie und mich für zu gut.
Wer hiernach Verlangen fühlt, für Den giebt es
in Deutschland große und kleine Schulen genug.
-- Aber, was ist die ewige Natur der Gesetze?
frage ich; was ihre ursprüngliche Gestalt, und
welches der Geist, womit sie unser Daseyn ga-
rantiren? Was nicht Geist und Liebe ist, das ist
Macht und Zwang. Wie durch die Gewalt der
Masse, und die Vertheilung der Masse, die Welt

Staatskunſt ſey; daß alle gegenwaͤrtig in der Irre
umherlaufende Philanthropie, Humanitaͤt und
geiſtige Cultur wieder eingefangen und gezaͤhmt
und dem Staat unterworfen werden muͤſſe: ſo
behaupten wir damit, daß das Weſentliche am
Staate, jene uralte natuͤrliche Vereinigung des
Staates und der Religion, durch eine erha-
bene Kunſt wieder herzuſtellen ſey, und daß dieſe
Kunſt nothwendig zur Ausuͤbung kommen muͤſſe,
wenn nicht alle gegenwaͤrtigen Halbſtaaten unter-
gehen ſollen.

Man muthe mir keine andre Anſicht bei die-
ſen Vorleſungen zu! Das Syſtem unſrer Ge-
ſetze, die ich, wie ſchon geſagt, fuͤr nichts mehr
als Polizei-Verordnungen halte, zu lehren, oder
die Theorie unſrer ſogenannten National-Oekono-
mie, die in meinen Augen nichts andres als eine
nichtswuͤrdige Plusmacherei iſt, her zu demon-
ſtriren — dazu halte ich Sie und mich fuͤr zu gut.
Wer hiernach Verlangen fuͤhlt, fuͤr Den giebt es
in Deutſchland große und kleine Schulen genug.
— Aber, was iſt die ewige Natur der Geſetze?
frage ich; was ihre urſpruͤngliche Geſtalt, und
welches der Geiſt, womit ſie unſer Daſeyn ga-
rantiren? Was nicht Geiſt und Liebe iſt, das iſt
Macht und Zwang. Wie durch die Gewalt der
Maſſe, und die Vertheilung der Maſſe, die Welt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0016" n="8"/>
Staatskun&#x017F;t &#x017F;ey; daß alle gegenwa&#x0364;rtig in der Irre<lb/>
umherlaufende Philanthropie, Humanita&#x0364;t und<lb/>
gei&#x017F;tige Cultur wieder eingefangen und geza&#x0364;hmt<lb/>
und dem Staat unterworfen werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e: &#x017F;o<lb/>
behaupten wir damit, daß das We&#x017F;entliche am<lb/>
Staate, jene uralte natu&#x0364;rliche Vereinigung des<lb/>
Staates und der Religion, durch eine erha-<lb/>
bene Kun&#x017F;t wieder herzu&#x017F;tellen &#x017F;ey, und daß die&#x017F;e<lb/>
Kun&#x017F;t nothwendig zur Ausu&#x0364;bung kommen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
wenn nicht alle gegenwa&#x0364;rtigen Halb&#x017F;taaten unter-<lb/>
gehen &#x017F;ollen.</p><lb/>
            <p>Man muthe mir keine andre An&#x017F;icht bei die-<lb/>
&#x017F;en Vorle&#x017F;ungen zu! Das Sy&#x017F;tem un&#x017F;rer Ge-<lb/>
&#x017F;etze, die ich, wie &#x017F;chon ge&#x017F;agt, fu&#x0364;r nichts mehr<lb/>
als Polizei-Verordnungen halte, zu lehren, oder<lb/>
die Theorie un&#x017F;rer &#x017F;ogenannten National-Oekono-<lb/>
mie, die in meinen Augen nichts andres als eine<lb/>
nichtswu&#x0364;rdige Plusmacherei i&#x017F;t, her zu demon-<lb/>
&#x017F;triren &#x2014; dazu halte ich Sie und mich fu&#x0364;r zu gut.<lb/>
Wer hiernach Verlangen fu&#x0364;hlt, fu&#x0364;r Den giebt es<lb/>
in Deut&#x017F;chland große und kleine Schulen genug.<lb/>
&#x2014; Aber, was i&#x017F;t die ewige Natur der Ge&#x017F;etze?<lb/>
frage ich; was ihre ur&#x017F;pru&#x0364;ngliche Ge&#x017F;talt, und<lb/>
welches der Gei&#x017F;t, womit &#x017F;ie un&#x017F;er Da&#x017F;eyn ga-<lb/>
rantiren? Was nicht Gei&#x017F;t und Liebe i&#x017F;t, das i&#x017F;t<lb/>
Macht und Zwang. Wie durch die Gewalt der<lb/>
Ma&#x017F;&#x017F;e, und die Vertheilung der Ma&#x017F;&#x017F;e, die Welt<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0016] Staatskunſt ſey; daß alle gegenwaͤrtig in der Irre umherlaufende Philanthropie, Humanitaͤt und geiſtige Cultur wieder eingefangen und gezaͤhmt und dem Staat unterworfen werden muͤſſe: ſo behaupten wir damit, daß das Weſentliche am Staate, jene uralte natuͤrliche Vereinigung des Staates und der Religion, durch eine erha- bene Kunſt wieder herzuſtellen ſey, und daß dieſe Kunſt nothwendig zur Ausuͤbung kommen muͤſſe, wenn nicht alle gegenwaͤrtigen Halbſtaaten unter- gehen ſollen. Man muthe mir keine andre Anſicht bei die- ſen Vorleſungen zu! Das Syſtem unſrer Ge- ſetze, die ich, wie ſchon geſagt, fuͤr nichts mehr als Polizei-Verordnungen halte, zu lehren, oder die Theorie unſrer ſogenannten National-Oekono- mie, die in meinen Augen nichts andres als eine nichtswuͤrdige Plusmacherei iſt, her zu demon- ſtriren — dazu halte ich Sie und mich fuͤr zu gut. Wer hiernach Verlangen fuͤhlt, fuͤr Den giebt es in Deutſchland große und kleine Schulen genug. — Aber, was iſt die ewige Natur der Geſetze? frage ich; was ihre urſpruͤngliche Geſtalt, und welches der Geiſt, womit ſie unſer Daſeyn ga- rantiren? Was nicht Geiſt und Liebe iſt, das iſt Macht und Zwang. Wie durch die Gewalt der Maſſe, und die Vertheilung der Maſſe, die Welt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/16
Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/16>, abgerufen am 19.04.2024.