Vom individuellen (Gebrauchs-) Werthe, und vom geselligen (Tausch-) Werthe der Dinge.
Der Grund von der Unbestimmtheit und Man- gelhaftigkeit der meisten Ansichten vom National- Reichthum liegt hauptsächlich darin, daß man nicht gehörig aufgefaßt hat, was unter dem Worte Reichthum zu verstehen sey. Man dachte sich im gemeinen Leben unter Reichthum eine verhältnißmäßig große Menge von Privat- eigenthum oder von Sachen. Dennoch fiel es niemanden ein, Den, welcher z. B. eine beträcht- liche Sammlung der mannichfaltigsten Conchylien, Insecten oder andrer Naturmerkwürdigkeiten be- saß, deswegen "einen reichen Mann" zu nennen. -- Man schätzte vielmehr einen Andern, der große Getreidevorräthe in seinen Speichern auf- gehäuft, oder große Summen Geldes in seinen Koffern gesammelt hatte, ungeachtet der Einför- migkeit seines Vorraths und der großen Man-
Achtzehnte Vorleſung.
Vom individuellen (Gebrauchs-) Werthe, und vom geſelligen (Tauſch-) Werthe der Dinge.
Der Grund von der Unbeſtimmtheit und Man- gelhaftigkeit der meiſten Anſichten vom National- Reichthum liegt hauptſaͤchlich darin, daß man nicht gehoͤrig aufgefaßt hat, was unter dem Worte Reichthum zu verſtehen ſey. Man dachte ſich im gemeinen Leben unter Reichthum eine verhaͤltnißmaͤßig große Menge von Privat- eigenthum oder von Sachen. Dennoch fiel es niemanden ein, Den, welcher z. B. eine betraͤcht- liche Sammlung der mannichfaltigſten Conchylien, Inſecten oder andrer Naturmerkwuͤrdigkeiten be- ſaß, deswegen „einen reichen Mann” zu nennen. — Man ſchaͤtzte vielmehr einen Andern, der große Getreidevorraͤthe in ſeinen Speichern auf- gehaͤuft, oder große Summen Geldes in ſeinen Koffern geſammelt hatte, ungeachtet der Einfoͤr- migkeit ſeines Vorraths und der großen Man-
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Achtzehnte Vorleſung.
Vom individuellen (Gebrauchs-) Werthe, und vom geſelligen
(Tauſch-) Werthe der Dinge.
Der Grund von der Unbeſtimmtheit und Man-
gelhaftigkeit der meiſten Anſichten vom National-
Reichthum liegt hauptſaͤchlich darin, daß man
nicht gehoͤrig aufgefaßt hat, was unter dem
Worte Reichthum zu verſtehen ſey. Man
dachte ſich im gemeinen Leben unter Reichthum
eine verhaͤltnißmaͤßig große Menge von Privat-
eigenthum oder von Sachen. Dennoch fiel es
niemanden ein, Den, welcher z. B. eine betraͤcht-
liche Sammlung der mannichfaltigſten Conchylien,
Inſecten oder andrer Naturmerkwuͤrdigkeiten be-
ſaß, deswegen „einen reichen Mann” zu nennen.
— Man ſchaͤtzte vielmehr einen Andern, der
große Getreidevorraͤthe in ſeinen Speichern auf-
gehaͤuft, oder große Summen Geldes in ſeinen
Koffern geſammelt hatte, ungeachtet der Einfoͤr-
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/187>, abgerufen am 29.03.2024.
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