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Neitzschitz, Georg Christoph von: Sieben-Jährige und gefährliche WeltBeschauung Durch die vornehmsten Drey Theil der Welt Europa/ Asia und Africa. Bautzen, 1666.

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An den wöhlgeneigten Leser.
Vom Reisen/ wie man reisen und Reise-
Bücher lesen und gebrauchen

soll.

DAs Reisen ist dreyerley: Das Eine ist ein Noth-Rei-
sen/ wen die Noth darzu bringet und zwinget/ daß er reisen muß/
wie offtmahls Verfolgung/ Krieg/ Pestilentz/ Armuth und Hun-
gersnoth verursachet. Das andere ist ein Aberglaubiges Reisen/
wie diejenigen thun/ fürnemlich im Papsthumb/ welche/ um sonderbares Ver-
diensts willen der Gnade GOttes/ an den/ oder jenen Orth Wallfahrten und
sich/ als die unverständigen Kinder/ was sie sonderbahres sehen und hören/ für
sonderbahre Heiligthümer einbilden. Mit diesen beyden Arthen wollen wir
nichts zuschaffen haben/ dieweil sie weder Ehre/ noch Nutzen schaffen. Das
Dritte ist ein Ehren-Reisen/ da einer Lust und Unlust über sich nimmet/ Länder
und Städte/ Wasser und Land durchreiset und nach Ehre/ Kunst und Tugend
strebet/ damit er hernach andern Leuten ehrlich zudienen gedencket. Und das
ist eine Tugend/ welche an hohen Personen/ Herren und Edlen zurühmen und
ihnen allerdings gebühren wil/ dahero der Gelehrte Mann Bernegger in der
173. Frage aus dem Tacito gar herrlich ausgeführet/ daß hohe Personen und
wie sie reisen sollen/ dergleichen auch sonst andere vornehme und gelehrte Män-
ner gethan.

Denn das Reisen ist gar ein nöthig und nützlich Werck. Nöthig ists um
der Erfahrung willen/ daß man da mit Augen sehe und glaubwürdig nachsa-
gen kan/ wie sich die Länder und Leuthe von Jahren zu Jahren verändern und
entweder verringern/ oder bessern und daraus mercke/ daß alle Dinge ihrem
gewissen Ziel und Ende entgegen gehen/ was zeitliche Dinge seyn und wie wenig
darauf zubauen und dann wie wunderbar und unbegreiflich GOTT in seinem
Regimentund Gerichten.

Zum Exempel: Willibald/ gewesener Bischoff zu Aichstet/ der des Papsts
Canon unter die Heiligen gesetzet/ hat im siebenden Seculo das heilige Land auch
durchreiset; Aber weit anders habens hernach andere nach ihm befunden. Der
Edle Bernhard von Breitenbach und hernach Dechant und Cämmerer des
Ertzstiffts Meintz/ hat dergleichen gethan im Jahr Christi 1483. und wie ers
befunden/ in Latein beschrieben und ein gantz Buch davon drucken lassen/ aus

wel-
An den woͤhlgeneigten Leſer.
Vom Reiſen/ wie man reiſen und Reiſe-
Buͤcher leſen und gebrauchen

ſoll.

DAs Reiſen iſt dreyerley: Das Eine iſt ein Noth-Rei-
ſen/ wen die Noth darzu bringet und zwinget/ daß er reiſen muß/
wie offtmahls Verfolgung/ Krieg/ Peſtilentz/ Armuth und Hun-
gersnoth verurſachet. Das andere iſt ein Aberglaubiges Reiſen/
wie diejenigen thun/ fuͤrnemlich im Papſthumb/ welche/ um ſonderbares Ver-
dienſts willen der Gnade GOttes/ an den/ oder jenen Orth Wallfahrten und
ſich/ als die unverſtaͤndigen Kinder/ was ſie ſonderbahres ſehen und hoͤren/ fuͤr
ſonderbahre Heiligthuͤmer einbilden. Mit dieſen beyden Arthen wollen wir
nichts zuſchaffen haben/ dieweil ſie weder Ehre/ noch Nutzen ſchaffen. Das
Dritte iſt ein Ehren-Reiſen/ da einer Luſt und Unluſt uͤber ſich nimmet/ Laͤnder
und Staͤdte/ Waſſer und Land durchreiſet und nach Ehre/ Kunſt und Tugend
ſtrebet/ damit er hernach andern Leuten ehrlich zudienen gedencket. Und das
iſt eine Tugend/ welche an hohen Perſonen/ Herren und Edlen zuruͤhmen und
ihnen allerdings gebuͤhren wil/ dahero der Gelehrte Mann Bernegger in der
173. Frage aus dem Tacito gar herrlich ausgefuͤhret/ daß hohe Perſonen und
wie ſie reiſen ſollen/ dergleichen auch ſonſt andere vornehme und gelehrte Maͤn-
ner gethan.

Denn das Reiſen iſt gar ein noͤthig und nuͤtzlich Werck. Noͤthig iſts um
der Erfahrung willen/ daß man da mit Augen ſehe und glaubwuͤrdig nachſa-
gen kan/ wie ſich die Laͤnder und Leuthe von Jahren zu Jahren veraͤndern und
entweder verringern/ oder beſſern und daraus mercke/ daß alle Dinge ihrem
gewiſſen Ziel und Ende entgegen gehen/ was zeitliche Dinge ſeyn und wie wenig
darauf zubauen und dann wie wunderbar und unbegreiflich GOTT in ſeinem
Regimentund Gerichten.

Zum Exempel: Willibald/ geweſener Biſchoff zu Aichſtet/ der des Papſts
Canon unter die Heiligen geſetzet/ hat im ſiebenden Seculo das heilige Land auch
durchreiſet; Aber weit anders habens hernach andere nach ihm befunden. Der
Edle Bernhard von Breitenbach und hernach Dechant und Caͤmmerer des
Ertzſtiffts Meintz/ hat dergleichen gethan im Jahr Chriſti 1483. und wie ers
befunden/ in Latein beſchrieben und ein gantz Buch davon drucken laſſen/ aus

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[6/0012] An den woͤhlgeneigten Leſer. Vom Reiſen/ wie man reiſen und Reiſe- Buͤcher leſen und gebrauchen ſoll. DAs Reiſen iſt dreyerley: Das Eine iſt ein Noth-Rei- ſen/ wen die Noth darzu bringet und zwinget/ daß er reiſen muß/ wie offtmahls Verfolgung/ Krieg/ Peſtilentz/ Armuth und Hun- gersnoth verurſachet. Das andere iſt ein Aberglaubiges Reiſen/ wie diejenigen thun/ fuͤrnemlich im Papſthumb/ welche/ um ſonderbares Ver- dienſts willen der Gnade GOttes/ an den/ oder jenen Orth Wallfahrten und ſich/ als die unverſtaͤndigen Kinder/ was ſie ſonderbahres ſehen und hoͤren/ fuͤr ſonderbahre Heiligthuͤmer einbilden. Mit dieſen beyden Arthen wollen wir nichts zuſchaffen haben/ dieweil ſie weder Ehre/ noch Nutzen ſchaffen. Das Dritte iſt ein Ehren-Reiſen/ da einer Luſt und Unluſt uͤber ſich nimmet/ Laͤnder und Staͤdte/ Waſſer und Land durchreiſet und nach Ehre/ Kunſt und Tugend ſtrebet/ damit er hernach andern Leuten ehrlich zudienen gedencket. Und das iſt eine Tugend/ welche an hohen Perſonen/ Herren und Edlen zuruͤhmen und ihnen allerdings gebuͤhren wil/ dahero der Gelehrte Mann Bernegger in der 173. Frage aus dem Tacito gar herrlich ausgefuͤhret/ daß hohe Perſonen und wie ſie reiſen ſollen/ dergleichen auch ſonſt andere vornehme und gelehrte Maͤn- ner gethan. Denn das Reiſen iſt gar ein noͤthig und nuͤtzlich Werck. Noͤthig iſts um der Erfahrung willen/ daß man da mit Augen ſehe und glaubwuͤrdig nachſa- gen kan/ wie ſich die Laͤnder und Leuthe von Jahren zu Jahren veraͤndern und entweder verringern/ oder beſſern und daraus mercke/ daß alle Dinge ihrem gewiſſen Ziel und Ende entgegen gehen/ was zeitliche Dinge ſeyn und wie wenig darauf zubauen und dann wie wunderbar und unbegreiflich GOTT in ſeinem Regimentund Gerichten. Zum Exempel: Willibald/ geweſener Biſchoff zu Aichſtet/ der des Papſts Canon unter die Heiligen geſetzet/ hat im ſiebenden Seculo das heilige Land auch durchreiſet; Aber weit anders habens hernach andere nach ihm befunden. Der Edle Bernhard von Breitenbach und hernach Dechant und Caͤmmerer des Ertzſtiffts Meintz/ hat dergleichen gethan im Jahr Chriſti 1483. und wie ers befunden/ in Latein beſchrieben und ein gantz Buch davon drucken laſſen/ aus wel-

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Zitationshilfe: Neitzschitz, Georg Christoph von: Sieben-Jährige und gefährliche WeltBeschauung Durch die vornehmsten Drey Theil der Welt Europa/ Asia und Africa. Bautzen, 1666. , S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/neitschitz_reise_1666/12>, abgerufen am 29.03.2024.