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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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stücke können hier nicht erörtert werden. Auch die, von
einer solchen Sammlung sehr verschiedene, Herstellung
des ältesten Rechts fordert andre Kenntnisse als die
meinigen, und eine abgesonderte Abhandlung.

Alle Nachrichten sind einstimmig, daß die zehn er-
sten Tafeln zugleich von den ersten Decemvirn aufge-
stellt wurden, die beyden letzten aber ihr Werk nicht wa-
ren. Livius und Dionysius schreiben sie den zweyten
Decemvirn zu: Diodor den Consuln L. Valerius und
M. Horatius 35).

Das zweyte Decemvirat.

Die Tyranney und der Sturz der Decemvirn der
zweyten Wahl sind von Dionysius und Livius mit einer
Uebereinstimmung geschrieben welche eine gemeinschaft-
liche Quelle ihrer Nachrichten beweißt, nicht aber daß sie
eine historisch unbestrittene Ueberlieferung erhalten ha-
ben. Denn über die Volksrevolution sind ganz abwei-
chende Erzählungen erhalten; und so wenig sich die
Wahrheit einer patricischen Tyranney unter dieser Ver-
fassung bezweifeln läßt, so rechtfertigen doch innere Un-
wahrscheinlichkeiten, zu denen auch die der zu genauen
Schilderung gehört, den Verdacht, daß plebejische Bit-
terkeit das dunkle Andenken dieser Zeiten mit großer
Gehässigkeit ausgebildet hat.

Wir müssen jener Erzählung folgen, weil sie die
einzige ist: sonderbar daß Livius sie mit Lebhaftigkeit
und sichtbar festem Glauben darstellen, und unmittel-

35) Diodor XII. c. 26.

ſtuͤcke koͤnnen hier nicht eroͤrtert werden. Auch die, von
einer ſolchen Sammlung ſehr verſchiedene, Herſtellung
des aͤlteſten Rechts fordert andre Kenntniſſe als die
meinigen, und eine abgeſonderte Abhandlung.

Alle Nachrichten ſind einſtimmig, daß die zehn er-
ſten Tafeln zugleich von den erſten Decemvirn aufge-
ſtellt wurden, die beyden letzten aber ihr Werk nicht wa-
ren. Livius und Dionyſius ſchreiben ſie den zweyten
Decemvirn zu: Diodor den Conſuln L. Valerius und
M. Horatius 35).

Das zweyte Decemvirat.

Die Tyranney und der Sturz der Decemvirn der
zweyten Wahl ſind von Dionyſius und Livius mit einer
Uebereinſtimmung geſchrieben welche eine gemeinſchaft-
liche Quelle ihrer Nachrichten beweißt, nicht aber daß ſie
eine hiſtoriſch unbeſtrittene Ueberlieferung erhalten ha-
ben. Denn uͤber die Volksrevolution ſind ganz abwei-
chende Erzaͤhlungen erhalten; und ſo wenig ſich die
Wahrheit einer patriciſchen Tyranney unter dieſer Ver-
faſſung bezweifeln laͤßt, ſo rechtfertigen doch innere Un-
wahrſcheinlichkeiten, zu denen auch die der zu genauen
Schilderung gehoͤrt, den Verdacht, daß plebejiſche Bit-
terkeit das dunkle Andenken dieſer Zeiten mit großer
Gehaͤſſigkeit ausgebildet hat.

Wir muͤſſen jener Erzaͤhlung folgen, weil ſie die
einzige iſt: ſonderbar daß Livius ſie mit Lebhaftigkeit
und ſichtbar feſtem Glauben darſtellen, und unmittel-

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[120/0136] ſtuͤcke koͤnnen hier nicht eroͤrtert werden. Auch die, von einer ſolchen Sammlung ſehr verſchiedene, Herſtellung des aͤlteſten Rechts fordert andre Kenntniſſe als die meinigen, und eine abgeſonderte Abhandlung. Alle Nachrichten ſind einſtimmig, daß die zehn er- ſten Tafeln zugleich von den erſten Decemvirn aufge- ſtellt wurden, die beyden letzten aber ihr Werk nicht wa- ren. Livius und Dionyſius ſchreiben ſie den zweyten Decemvirn zu: Diodor den Conſuln L. Valerius und M. Horatius 35). Das zweyte Decemvirat. Die Tyranney und der Sturz der Decemvirn der zweyten Wahl ſind von Dionyſius und Livius mit einer Uebereinſtimmung geſchrieben welche eine gemeinſchaft- liche Quelle ihrer Nachrichten beweißt, nicht aber daß ſie eine hiſtoriſch unbeſtrittene Ueberlieferung erhalten ha- ben. Denn uͤber die Volksrevolution ſind ganz abwei- chende Erzaͤhlungen erhalten; und ſo wenig ſich die Wahrheit einer patriciſchen Tyranney unter dieſer Ver- faſſung bezweifeln laͤßt, ſo rechtfertigen doch innere Un- wahrſcheinlichkeiten, zu denen auch die der zu genauen Schilderung gehoͤrt, den Verdacht, daß plebejiſche Bit- terkeit das dunkle Andenken dieſer Zeiten mit großer Gehaͤſſigkeit ausgebildet hat. Wir muͤſſen jener Erzaͤhlung folgen, weil ſie die einzige iſt: ſonderbar daß Livius ſie mit Lebhaftigkeit und ſichtbar feſtem Glauben darſtellen, und unmittel- 35) Diodor XII. c. 26.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/136>, abgerufen am 29.03.2024.