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Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. [Bd. 1]. Chemnitz, 1883.

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Von den drei Verwandlungen.

Drei Verwandlungen nenne ich euch des Geistes:
wie der Geist zum Kameele wird, und zum Löwen das
Kameel, und zum Kinde zuletzt der Löwe.

Vieles Schwere giebt es dem Geiste, dem starken,
tragsamen Geiste, dem Ehrfurcht innewohnt: nach dem
Schweren und Schwersten verlangt seine Stärke.

Was ist schwer? so fragt der tragsame Geist,
so kniet er nieder, dem Kameele gleich, und will gut
beladen sein.

Was ist das Schwerste, ihr Helden? so fragt der
tragsame Geist, dass ich es auf mich nehme und meiner
Stärke froh werde.

Ist es nicht das: sich erniedrigen, um seinem Hoch¬
muth wehe zu thun? Seine Thorheit leuchten lassen,
um seiner Weisheit zu spotten?

Oder ist es das: von unserer Sache scheiden, wenn
sie ihren Sieg feiert? Auf hohe Berge steigen, um
den Versucher zu versuchen?

Oder ist es das: sich von Eicheln und Gras der
Erkenntniss nähren und um der Wahrheit willen an
der Seele Hunger leiden?

Von den drei Verwandlungen.

Drei Verwandlungen nenne ich euch des Geistes:
wie der Geist zum Kameele wird, und zum Löwen das
Kameel, und zum Kinde zuletzt der Löwe.

Vieles Schwere giebt es dem Geiste, dem starken,
tragsamen Geiste, dem Ehrfurcht innewohnt: nach dem
Schweren und Schwersten verlangt seine Stärke.

Was ist schwer? so fragt der tragsame Geist,
so kniet er nieder, dem Kameele gleich, und will gut
beladen sein.

Was ist das Schwerste, ihr Helden? so fragt der
tragsame Geist, dass ich es auf mich nehme und meiner
Stärke froh werde.

Ist es nicht das: sich erniedrigen, um seinem Hoch¬
muth wehe zu thun? Seine Thorheit leuchten lassen,
um seiner Weisheit zu spotten?

Oder ist es das: von unserer Sache scheiden, wenn
sie ihren Sieg feiert? Auf hohe Berge steigen, um
den Versucher zu versuchen?

Oder ist es das: sich von Eicheln und Gras der
Erkenntniss nähren und um der Wahrheit willen an
der Seele Hunger leiden?

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[29/0035] Von den drei Verwandlungen. Drei Verwandlungen nenne ich euch des Geistes: wie der Geist zum Kameele wird, und zum Löwen das Kameel, und zum Kinde zuletzt der Löwe. Vieles Schwere giebt es dem Geiste, dem starken, tragsamen Geiste, dem Ehrfurcht innewohnt: nach dem Schweren und Schwersten verlangt seine Stärke. Was ist schwer? so fragt der tragsame Geist, so kniet er nieder, dem Kameele gleich, und will gut beladen sein. Was ist das Schwerste, ihr Helden? so fragt der tragsame Geist, dass ich es auf mich nehme und meiner Stärke froh werde. Ist es nicht das: sich erniedrigen, um seinem Hoch¬ muth wehe zu thun? Seine Thorheit leuchten lassen, um seiner Weisheit zu spotten? Oder ist es das: von unserer Sache scheiden, wenn sie ihren Sieg feiert? Auf hohe Berge steigen, um den Versucher zu versuchen? Oder ist es das: sich von Eicheln und Gras der Erkenntniss nähren und um der Wahrheit willen an der Seele Hunger leiden?

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Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. [Bd. 1]. Chemnitz, 1883, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra01_1883/35>, abgerufen am 25.04.2024.