Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883.

Bild:
<< vorherige Seite
Vom Gesindel.


Das Leben ist ein Born der Lust; aber wo das
Gesindel mit trinkt, da sind alle Brunnen vergiftet.

Allem Reinlichen bin ich hold; aber ich mag die
grinsenden Mäuler nicht sehn und den Durst der
Unreinen.

Sie warfen ihr Auge hinab in den Brunnen: nun
glänzt mir ihr widriges Lächeln herauf aus dem
Brunnen.

Das heilige Wasser haben sie vergiftet mit ihrer
Lüsternheit; und als sie ihre schmutzigen Träume
Lust nannten, vergifteten sie auch noch die Worte.

Unwillig wird die Flamme, wenn sie ihre feuchten
Herzen an's Feuer legen; der Geist selber brodelt und
raucht, wo das Gesindel an's Feuer tritt.

Süsslich und übermürbe wird in ihrer Hand die
Frucht: windfällig und wipfeldürr macht ihr Blick den
Fruchtbaum.

Und Mancher, der sich vom Leben abkehrte, kehrte
sich nur vom Gesindel ab: er wollte nicht Brunnen
und Flamme und Frucht mit dem Gesindel theilen.

Und Mancher, der in die Wüste gieng und mit
Raubthieren Durst litt, wollte nur nicht mit schmutzigen
Kameeltreibern um die Cisterne sitzen.

Und Mancher, der wie ein Vernichter daher kam
und wie ein Hagelschlag allen Fruchtfeldern, wollte

Vom Gesindel.


Das Leben ist ein Born der Lust; aber wo das
Gesindel mit trinkt, da sind alle Brunnen vergiftet.

Allem Reinlichen bin ich hold; aber ich mag die
grinsenden Mäuler nicht sehn und den Durst der
Unreinen.

Sie warfen ihr Auge hinab in den Brunnen: nun
glänzt mir ihr widriges Lächeln herauf aus dem
Brunnen.

Das heilige Wasser haben sie vergiftet mit ihrer
Lüsternheit; und als sie ihre schmutzigen Träume
Lust nannten, vergifteten sie auch noch die Worte.

Unwillig wird die Flamme, wenn sie ihre feuchten
Herzen an's Feuer legen; der Geist selber brodelt und
raucht, wo das Gesindel an's Feuer tritt.

Süsslich und übermürbe wird in ihrer Hand die
Frucht: windfällig und wipfeldürr macht ihr Blick den
Fruchtbaum.

Und Mancher, der sich vom Leben abkehrte, kehrte
sich nur vom Gesindel ab: er wollte nicht Brunnen
und Flamme und Frucht mit dem Gesindel theilen.

Und Mancher, der in die Wüste gieng und mit
Raubthieren Durst litt, wollte nur nicht mit schmutzigen
Kameeltreibern um die Cisterne sitzen.

Und Mancher, der wie ein Vernichter daher kam
und wie ein Hagelschlag allen Fruchtfeldern, wollte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0032" n="22"/>
      <div n="1">
        <head>Vom Gesindel.<lb/></head>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>Das Leben ist ein Born der Lust; aber wo das<lb/>
Gesindel mit trinkt, da sind alle Brunnen vergiftet.</p><lb/>
        <p>Allem Reinlichen bin ich hold; aber ich mag die<lb/>
grinsenden Mäuler nicht sehn und den Durst der<lb/>
Unreinen.</p><lb/>
        <p>Sie warfen ihr Auge hinab in den Brunnen: nun<lb/>
glänzt mir ihr widriges Lächeln herauf aus dem<lb/>
Brunnen.</p><lb/>
        <p>Das heilige Wasser haben sie vergiftet mit ihrer<lb/>
Lüsternheit; und als sie ihre schmutzigen Träume<lb/>
Lust nannten, vergifteten sie auch noch die Worte.</p><lb/>
        <p>Unwillig wird die Flamme, wenn sie ihre feuchten<lb/>
Herzen an's Feuer legen; der Geist selber brodelt und<lb/>
raucht, wo das Gesindel an's Feuer tritt.</p><lb/>
        <p>Süsslich und übermürbe wird in ihrer Hand die<lb/>
Frucht: windfällig und wipfeldürr macht ihr Blick den<lb/>
Fruchtbaum.</p><lb/>
        <p>Und Mancher, der sich vom Leben abkehrte, kehrte<lb/>
sich nur vom Gesindel ab: er wollte nicht Brunnen<lb/>
und Flamme und Frucht mit dem Gesindel theilen.</p><lb/>
        <p>Und Mancher, der in die Wüste gieng und mit<lb/>
Raubthieren Durst litt, wollte nur nicht mit schmutzigen<lb/>
Kameeltreibern um die Cisterne sitzen.</p><lb/>
        <p>Und Mancher, der wie ein Vernichter daher kam<lb/>
und wie ein Hagelschlag allen Fruchtfeldern, wollte<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0032] Vom Gesindel. Das Leben ist ein Born der Lust; aber wo das Gesindel mit trinkt, da sind alle Brunnen vergiftet. Allem Reinlichen bin ich hold; aber ich mag die grinsenden Mäuler nicht sehn und den Durst der Unreinen. Sie warfen ihr Auge hinab in den Brunnen: nun glänzt mir ihr widriges Lächeln herauf aus dem Brunnen. Das heilige Wasser haben sie vergiftet mit ihrer Lüsternheit; und als sie ihre schmutzigen Träume Lust nannten, vergifteten sie auch noch die Worte. Unwillig wird die Flamme, wenn sie ihre feuchten Herzen an's Feuer legen; der Geist selber brodelt und raucht, wo das Gesindel an's Feuer tritt. Süsslich und übermürbe wird in ihrer Hand die Frucht: windfällig und wipfeldürr macht ihr Blick den Fruchtbaum. Und Mancher, der sich vom Leben abkehrte, kehrte sich nur vom Gesindel ab: er wollte nicht Brunnen und Flamme und Frucht mit dem Gesindel theilen. Und Mancher, der in die Wüste gieng und mit Raubthieren Durst litt, wollte nur nicht mit schmutzigen Kameeltreibern um die Cisterne sitzen. Und Mancher, der wie ein Vernichter daher kam und wie ein Hagelschlag allen Fruchtfeldern, wollte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra02_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra02_1883/32
Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra02_1883/32>, abgerufen am 28.03.2024.