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Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884.

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diesem Thorwege Augenblick läuft eine lange ewige
Gasse rückwärts: hinter uns liegt eine Ewigkeit.

Muss nicht, was laufen kann von allen Dingen,
schon einmal diese Gasse gelaufen sein? Muss nicht,
was geschehn kann von allen Dingen, schon einmal
geschehn, gethan, vorübergelaufen sein?

Und wenn Alles schon dagewesen ist: was hältst
du Zwerg von diesem Augenblick? Muss auch dieser
Thorweg nicht schon -- dagewesen sein?

Und sind nicht solchermaassen fest alle Dinge ver¬
knotet, dass dieser Augenblick alle kommenden
Dinge nach sich zieht? Also -- -- sich selber noch?

Denn, was laufen kann von allen Dingen: auch
in dieser langen Gasse hinaus -- muss es einmal
noch laufen! --

Und diese langsame Spinne, die im Mondscheine
kriecht, und dieser Mondschein selber, und ich und
du im Thorwege, zusammenflüsternd, von ewigen
Dingen flüsternd -- müssen wir nicht Alle schon da¬
gewesen sein?

-- und wiederkommen und in jener anderen Gasse
laufen, hinaus, vor uns, in dieser langen schaurigen
Gasse -- müssen wir nicht ewig wiederkommen? --

Also redete ich, und immer leiser: denn ich
fürchtete mich vor meinen eignen Gedanken und
Hintergedanken. Da, plötzlich, hörte ich einen Hund
nahe heulen.

Hörte ich jemals einen Hund so heulen? Mein
Gedanke lief zurück. Ja! Als ich Kind war, in
fernster Kindheit:

-- da hörte ich einen Hund so heulen. Und sah

diesem Thorwege Augenblick läuft eine lange ewige
Gasse rückwärts: hinter uns liegt eine Ewigkeit.

Muss nicht, was laufen kann von allen Dingen,
schon einmal diese Gasse gelaufen sein? Muss nicht,
was geschehn kann von allen Dingen, schon einmal
geschehn, gethan, vorübergelaufen sein?

Und wenn Alles schon dagewesen ist: was hältst
du Zwerg von diesem Augenblick? Muss auch dieser
Thorweg nicht schon — dagewesen sein?

Und sind nicht solchermaassen fest alle Dinge ver¬
knotet, dass dieser Augenblick alle kommenden
Dinge nach sich zieht? Also — — sich selber noch?

Denn, was laufen kann von allen Dingen: auch
in dieser langen Gasse hinausmuss es einmal
noch laufen! —

Und diese langsame Spinne, die im Mondscheine
kriecht, und dieser Mondschein selber, und ich und
du im Thorwege, zusammenflüsternd, von ewigen
Dingen flüsternd — müssen wir nicht Alle schon da¬
gewesen sein?

— und wiederkommen und in jener anderen Gasse
laufen, hinaus, vor uns, in dieser langen schaurigen
Gasse — müssen wir nicht ewig wiederkommen? —

Also redete ich, und immer leiser: denn ich
fürchtete mich vor meinen eignen Gedanken und
Hintergedanken. Da, plötzlich, hörte ich einen Hund
nahe heulen.

Hörte ich jemals einen Hund so heulen? Mein
Gedanke lief zurück. Ja! Als ich Kind war, in
fernster Kindheit:

— da hörte ich einen Hund so heulen. Und sah

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[10/0020] diesem Thorwege Augenblick läuft eine lange ewige Gasse rückwärts: hinter uns liegt eine Ewigkeit. Muss nicht, was laufen kann von allen Dingen, schon einmal diese Gasse gelaufen sein? Muss nicht, was geschehn kann von allen Dingen, schon einmal geschehn, gethan, vorübergelaufen sein? Und wenn Alles schon dagewesen ist: was hältst du Zwerg von diesem Augenblick? Muss auch dieser Thorweg nicht schon — dagewesen sein? Und sind nicht solchermaassen fest alle Dinge ver¬ knotet, dass dieser Augenblick alle kommenden Dinge nach sich zieht? Also — — sich selber noch? Denn, was laufen kann von allen Dingen: auch in dieser langen Gasse hinaus — muss es einmal noch laufen! — Und diese langsame Spinne, die im Mondscheine kriecht, und dieser Mondschein selber, und ich und du im Thorwege, zusammenflüsternd, von ewigen Dingen flüsternd — müssen wir nicht Alle schon da¬ gewesen sein? — und wiederkommen und in jener anderen Gasse laufen, hinaus, vor uns, in dieser langen schaurigen Gasse — müssen wir nicht ewig wiederkommen? — Also redete ich, und immer leiser: denn ich fürchtete mich vor meinen eignen Gedanken und Hintergedanken. Da, plötzlich, hörte ich einen Hund nahe heulen. Hörte ich jemals einen Hund so heulen? Mein Gedanke lief zurück. Ja! Als ich Kind war, in fernster Kindheit: — da hörte ich einen Hund so heulen. Und sah

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Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884/20>, abgerufen am 28.03.2024.