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Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884.

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Wahrlich, misstrauisch bin ich gegen eure tückische
Schönheit! Dem Liebenden gleiche ich, der allzu¬
sammtenem Lächeln misstraut.

Wie er die Geliebteste vor sich her stösst, zärtlich
noch in seiner Härte, der Eifersüchtige --, also stosse
ich diese selige Stunde vor mir her.

Hinweg mit dir, du selige Stunde! Mit dir kam
mir eine Seligkeit wider Willen! Willig zu meinem
tiefsten Schmerze stehe ich hier: -- zur Unzeit kamst du!

Hinweg mit dir, du selige Stunde! Lieber nimm
Herberge dort -- bei meinen Kindern! Eile! und
segne sie vor Abend noch mit meinem Glücke!

Da naht schon der Abend: die Sonne sinkt.
Dahin -- mein Glück! --

Also sprach Zarathustra. Und er wartete auf sein
Unglück die ganze Nacht: aber er wartete umsonst.
Die Nacht blieb hell und still, und das Glück selber
kam ihm immer näher und näher. Gegen Morgen
aber lachte Zarathustra zu seinem Herzen und sagte
spöttisch: "das Glück läuft mir nach. Das kommt
davon, dass ich nicht den Weibern nachlaufe. Das
Glück aber ist ein Weib."


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Wahrlich, misstrauisch bin ich gegen eure tückische
Schönheit! Dem Liebenden gleiche ich, der allzu¬
sammtenem Lächeln misstraut.

Wie er die Geliebteste vor sich her stösst, zärtlich
noch in seiner Härte, der Eifersüchtige —, also stosse
ich diese selige Stunde vor mir her.

Hinweg mit dir, du selige Stunde! Mit dir kam
mir eine Seligkeit wider Willen! Willig zu meinem
tiefsten Schmerze stehe ich hier: — zur Unzeit kamst du!

Hinweg mit dir, du selige Stunde! Lieber nimm
Herberge dort — bei meinen Kindern! Eile! und
segne sie vor Abend noch mit meinem Glücke!

Da naht schon der Abend: die Sonne sinkt.
Dahin — mein Glück! —

Also sprach Zarathustra. Und er wartete auf sein
Unglück die ganze Nacht: aber er wartete umsonst.
Die Nacht blieb hell und still, und das Glück selber
kam ihm immer näher und näher. Gegen Morgen
aber lachte Zarathustra zu seinem Herzen und sagte
spöttisch: „das Glück läuft mir nach. Das kommt
davon, dass ich nicht den Weibern nachlaufe. Das
Glück aber ist ein Weib.“


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[17/0027] Wahrlich, misstrauisch bin ich gegen eure tückische Schönheit! Dem Liebenden gleiche ich, der allzu¬ sammtenem Lächeln misstraut. Wie er die Geliebteste vor sich her stösst, zärtlich noch in seiner Härte, der Eifersüchtige —, also stosse ich diese selige Stunde vor mir her. Hinweg mit dir, du selige Stunde! Mit dir kam mir eine Seligkeit wider Willen! Willig zu meinem tiefsten Schmerze stehe ich hier: — zur Unzeit kamst du! Hinweg mit dir, du selige Stunde! Lieber nimm Herberge dort — bei meinen Kindern! Eile! und segne sie vor Abend noch mit meinem Glücke! Da naht schon der Abend: die Sonne sinkt. Dahin — mein Glück! — Also sprach Zarathustra. Und er wartete auf sein Unglück die ganze Nacht: aber er wartete umsonst. Die Nacht blieb hell und still, und das Glück selber kam ihm immer näher und näher. Gegen Morgen aber lachte Zarathustra zu seinem Herzen und sagte spöttisch: „das Glück läuft mir nach. Das kommt davon, dass ich nicht den Weibern nachlaufe. Das Glück aber ist ein Weib.“ 2

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Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 3. Chemnitz, 1884, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra03_1884/27>, abgerufen am 24.04.2024.